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Tägliche Andachten Stephanus Edition • Seewis/Uhldingen


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tert und unter Todesandrohungen ausgewiesen. Drei
Monate später war sie wieder zurück, um sich ihrer ge-
fangenen Brüder anzunehmen. Mit zwei Glaubens-
brüdern wurde sie zum Tode durch den Strang verur-
teilt. Sie mußte der Vollstreckung des Urteils an ihren
Brüdern zusehen. Dann wurden ihre Hände gebunden
und ihr Haupt verhüllt. Sie erklomm die Leiter und
steckte den Kopf in die vorbereitete Schlinge. Im
letzten Moment wurde sie begnadigt, aber verbannt.

Dennoch kehrte sie zurück. Sie konnte ihre gefange-


nen Brüder nicht vergessen. Sie riskierte öffentliche
Folterungen und das Durchbohren ihrer Zunge mit
einem heißen Eisenstab.

Als man sie vor Gericht schleppte, sagte sie: »Wenn


ihr eure ungerechten Gesetze nicht abschafft, wird der
Herr nach dem Tode andere Zeugen für die Wahrheit
senden. Mein Leben bedeutet nichts im Vergleich mit
der Freiheit der Wahrheit.«

In vielen Ländern sind heute Tausende von Brüdern


und Schwestern um ihres Glaubens willen gefangen.
Auch wir sollten bereit sein, für sie unser Leben hinzu-
geben.

350


6. OKTOBER

Er mußte aber durch Samaria reisen. (Joh. 4,4)

Als der größte Teil des jüdischen Volkes in die Baby-


lonische Gefangenschaft geführt wurde, blieb ein Rest
in Samaria zurück. Diese Israeliten verheirateten sich
mit den von ihren Unterdrückern zurückgelassenen
neuen Bewohnern ihres Landes und verursachten so eine
Vermischung der jüdischen mit einer heidnischen Reli-
gion. Als die Juden aus der Gefangenschaft zurück-
kehrten, verachteten sie diese sogenannten Samariter.

Die Abneigung war so groß, daß Juden und Samariter


sich nicht einmal ein Glas Wasser gegeben hätten. Der
Talmud lehrte, daß ein von einem Samariter stam-
mendes Stück Brot unreiner war als ein Stück Schweine-
fleisch; daß die Samariter keinen Anteil am ewigen
Leben hätten. Die Hauptstadt Samarias hieß Sichern,
aber die Juden gaben ihr den Übernamen Sichar, das
heißt Trinker, als ob sie selbst keine Trinker gehabt
hätten!

Die Juden hüteten sich, durch Samaria zu reisen.


Jesus, obwohl er Jude war, ging nach Samaria. Er stand
auf der Seite derer, die von Seiner Religion verachtet
und gehaßt wurden. In Jericho wählte ER als seinen
Gastgeber Zachäus, den von der Bevölkerung gehaßten
Steuereinzieher.

Wir schaden uns, wenn wir jemanden hassen oder


verachten. Indem wir das nämlich tun, stellen wir Jesus
auf seine Seite.

Hören Sie nicht auf die Argumente, die Ihnen Ihr Ich


zur Rechtfertigung Ihrer Verachtung gegen einen Mit-
menschen einflüstert. Jesus ist der Freund der Sünder.
Seien auch Sie deren Freund.

351


7. OKTOBER

Herry bemühe dich nicht. (Luk. 7,6)

Der Zustand der Welt würde uns viel weniger rätsel-


haft vorkommen, wenn wir verstehen würden, daß sie
von einem traurigen Gott erschaffen worden ist. Sie
wurde gleich nach dem Fall des Erzengels Luzifer er-
schaffen. In seiner Auflehnung hatte er ein Drittel der
Engelscharen mit sich gerissen.

Wir würden die Beziehung zwischen der Gottheit


und der Welt besser verstehen, wenn wir über die Tat-
sache nachdenken würden, daß wir einen bekümmerten
und enttäuschten Gott haben. Der Herr sagt durch
Jesaja: »Meine Seele ist feind euren Neumonden und
Jahrfesten; ich bin ihrer überdrüssig, ich bin's müde zu
leiden« (Jes. 1,14). Und weiter rief der Prophet: »Ist's
euch zu wenig, daß ihr die Leute beleidigt; ihr müßt
auch meinen Gott beleidigen?« (Jes. 7,13).

Stets bitten wir Gott um Trost und Befreiung von


unseren Schwierigkeiten. Das ist sicher richtig, aber
könnten wir die Sache nicht auch hin und wieder um-
kehren und IHM ein Trost sein?

Die Heilige Thérèse von Lisieux hörte, wie eine junge


Nonne sich bei einer andern über irgendeinen Kummer
beklagte. Thérèse verwies es ihr und ermahnte sie, nie
mehr das Herz eines Mitmenschen mit eigenen Schwie-
rigkeiten zu belasten. Die Nonne antwortete: »Sie
haben recht. Von nun an will ich all mein Leid dem
Herrn Jesus allein klagen.«

»O nein, nicht IHM«, sagte die Heilige, »hat ER nicht


Sorgen genug? Trage die deinen allein. Bemühe IHN
nicht.«

Thérèse selbst hatte die Angewohnheit, morgens nach


dem Aufstehen ihr Kruzifix auf ihr Kopfkissen zu legen

352


und zu Jesus zu sagen: »Ruhe dich aus. Ich will für
Dich arbeiten.«

Gott hat uns gerettet. Wir wollen auch IHN vor


noch mehr Traurigkeit und Müdigkeit retten.

8. OKTOBER



Alle ... Lästerung sei ferne von euch. (Eph. 4,31)

De mortuis nil nisi bene sage nur Gutes über
einen toten Menschen. Diese Regel stimmt nicht ganz.
Geschichtliche Genauigkeit und Gerechtigkeit und die
Notwendigkeit, aus der Schlechtigkeit anderer Men-
schen zu lernen, zwingen uns manchmal, über ihre Sün-
den zu sprechen. Das erwähnte Sprichwort stammt aus
der Zeit, als die Menschen noch die Rache der Geister
fürchteten.

Ich würde sagen, wir sollten uns vielmehr vorneh-


men, nichts Böses über die Lebenden zu sagen. Die Bibel
hat ganz bestimmte Vorschriften für den Fall, daß an
einem Menschen etwas Verwerfliches entdeckt wird.
Erstens: Wir sollen einen Menschen trotz seiner Sünden
lieben. Nur Liebende dürfen tadeln und kritisieren.

Zweitens: Wir müssen ihm selbst zuerst sagen,


welchen Fehler er begangen hat. Wenn er unseren Rat
zurückweist, müssen wir andere zuziehen und gemein-
sam versuchen, den Schuldigen zu überzeugen. Dann
müssen wir die Sache in seiner Kirche vorbringen. Wenn
es sich um ein öffentliches Vergehen handelt, werden
wir oft nicht darum herum kommen, die Angelegenheit
öffentlich zu behandeln. Hüten wir uns aber vor Ver-
leumdungen!

Verleumdung ist eine alte Untugend; sie bestand


schon vor der Entstehung des Menschen. Der Teufel ist

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der Verkläger der Brüder (Off. 12,10). Er klagte uns
an, bevor wir eine Sünde begangen hatten, indem er
verlangte, wir sollten gar nicht erschaffen werden.
Bevor ein Mensch in unser Leben tritt, ist die Ver-
leumdung oft schon da; bevor wir jemanden kennen-
lernen, haben wir vielleicht schon gehört, daß da einmal
eine Sache mit einem Mantel war, von dem gemunkelt
worden war, er sei gestohlen.

Durch Verleumdung wurde Jesus getötet. Es wurden


Lügen über IHN verbreitet: ER sei Samariter, ER habe
den Teufel, ER übertrete die Gesetze und sei ein Gottes-
lästerer. Weil die Christen wissen, daß Christus durch
Verleumder gekreuzigt wurde, hüten sie sich davor,
jemanden zu verleumden oder auf Verleumdungen zu
hören.

9. OKTOBER



Sondern was töricht ist vor der Welt, das bat Gott
erwählt. (1. Kor. 1,27)

Viele Menschen leiden unter Depressionen (Schwer-


mut), Neurosen (Nervenleiden) und Psychosen (Seelen-
bzw. Geisteserkrankungen). Viele haben schon eine Kur
in einer Heilanstalt hinter sich. Wenn sie dann wieder
ins normale Leben zurückkehren, fühlen sie sich ge-
brandmarkt. Sie wissen, daß sie geisteskrank waren und
daß ihre Umgebung sie deshalb nicht mehr für voll
nehmen könnte.

Ich habe mein Wissen über diese Dinge aus direkter


Quelle, denn ich habe mit vielen zusammengelebt, die
infolge Folterungen und Doping in kommunistischen
Gefängnissen durch Phasen der geistigen Zerrüttung
gingen. Es gibt aber keinen Grund, sich über Vergange-
nes quälenden Gedanken hinzugeben, nicht einmal

354


wenn es sich um einen Fall wirklicher Geisteskrankheit
gehandelt hat. Ertragen Sie Ihren Zustand fröhlichen
Herzens, oder trösten Sie andere, die sich darin befin-
den.

Adolf Wölflis Zeichnungen wurden in ganz Europa


ausgestellt. Unzählige Bücher und Studien wurden über
seine Kunst geschrieben, denn Wölfli war nicht nur ein
berühmter Maler, sondern auch Schriftsteller und
Komponist.

Seine Lebensgeschichte? Sein Vater starb als Alkoho-


liker, als er sieben Jahre alt war. Kurz darauf starb
auch seine Mutter. Als Adolf zehn war, mußte er seinen
eigenen Lebensunterhalt verdienen. Mit dreißig wurde
er in eine Irrenanstalt gesteckt, weil er versucht hatte,
ein dreijähriges Mädchen zu vergewaltigen. Wölfli ver-
brachte 35 Jahre in dieser Anstalt und starb dort 1930.
Er hatte nie irgendeine Schulausbildung erhalten. Nie-
mand hatte ihn zeichnen und malen gelehrt. Er hatte
auch keine Gelegenheit, sich selbst weiterzubilden,
außer anhand der wenigen Anstaltsbücher und einiger
weniger Musiknoten, die er besaß.

Wenn Menschen die Schizophrenie überwinden


können, indem sie die natürlichen Gaben Gottes gut
ausnützen und so nicht nur nützliche, sondern sogar be-
deutende Mitglieder der menschlichen Gesellschaft
werden können, wie viel mehr sollten die das fertig-
bringen, die durch den Glauben an Christus Gottes
Kinder sind und seinen Heiligen Geist haben. Wenn Sie
geistig krank waren oder noch sind, so ist es Gott, der
Ihnen das Bittere geschickt und Sie betrübt hat (Ruth
1,20 + 21). Hiob hat gezeigt, daß Gott wegnimmt und
siebenfältig das Verlorene wiedergeben kann. Wahnsinn
hat Aktiven und Passiven.

Vielleicht ist die Person, die Sie kennen, nicht


künstlerisch begabt, aber sie kann ein nützliches Glied
Ihrer Familie oder Ihrer Kirche werden.

355


10. OKTOBER

Da sie den Lobgesang gesprochen hatten. (Matth. 26,30)

Passen Sie auf, was für Musik Sie hören. Rockmusik


kann tödlich sein. Die Offenbarung Gottes besteht nicht
nur aus Buchstaben. Die hebräische Bibel enthält auch
Musiknoten. Sie soll also nicht nur gelesen, sondern
auch nach einer besonderen Melodie gesungen werden.
Dasselbe Wort kann eine unterschiedliche Bedeutung
haben, je nach dem Ton, in dem es gesungen wird. Nur
zusammen mit ihrer Melodie erhält die Bibel die voll-
ständige Offenbarung Gottes.

Es gibt aber auch eine satanische, obszöne und mora-


lisch zerstörende Musik. Große Geister wie Cervantes,
Goethe und Tolstoi waren schockiert über die Unmoral,
die aus gewissen Musikstücken und -arten sprach. Es
gibt moderne Musik, die Heime zerstört. Die Ver-
ständigung zwischen den Generationen wird verun-
möglicht durch die Vorliebe zu entgegengesetzten
Musikarten. Tolstoi glaubte, daß niemand beim Hören
von Beethovens Kreutzer-Sonate der erotischen Beein-
flussung widerstehen könnte. Die Moral würde gefähr-
det, und bei nächster Gelegenheit würde das Unvermeid-
liche geschehen.

Es ist schrecklich, die herrliche Musik in Verdis


Othello zu hören, wenn der Mohr Desdemona erwürgt.
Wir hören die elektrisierenden Melodien von Strauss,
wenn Salome einen Striptease tanzt und das geköpfte
Haupt Johannes des Täufers verlangt. Die meisten
Opernhandlungen könnten von Mitgliedern der Mafia
geschrieben sein. Das Verbrechen wird auf der Bühne
propagiert — ein Verbrechen, das von herrlichster
Musik begleitet ist.

Die Menschen hören Beethovens Matthäus-Passion

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und flüstern, während der Sänger die Geißelung Jesu


besingt: »Welch herrliche Melodie!«

Viele Sünden werden auf diese Art in unserer Seele


bestärkt. Darum sind Christen vorsichtig in bezug auf
die verräterische Musik. Jesus ging singend nach
Gethsemane. Wir wollen Seine Melodien singen und uns
nur Musik anhören, die Gott gefällt.

11. OKTOBER



Nehmet, esset, das ist mein Leib. (Matth. 26,26)

Während des Ersten Weltkrieges wurden fast zwei


Millionen Armenier von den Türken um ihres Glaubens
und ihrer Nationalität willen getötet.

In Der es Zor stand eine Gruppe Armenier vor dem


Exekutionskommando. Einer, namens Mavy, sagte zu
den Soldaten: »In eurem Koran steht, daß ihr
niemanden töten sollt, ohne ihm die Erlaubnis zu geben,
vorher zu seinem Gott zu beten.« Man gab ihm die Er-
laubnis. Er sprach einige Worte zu dem Wort in Offen-
barung 2,10: »Fürchte dich vor der keinem, das du
leiden wirst!... Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir
die Krone des Lebens geben.«

Dann sangen die Verurteilten zusammen und nahmen


das Heilige Abendmahl ein. Sie hatten zwar kein Brot,
sondern nahmen von dem heißen Sand, verteilten ihn
und sagten: »Nehmet, esset, das ist mein Leib.« Jeder
schluckte etwas von dem Sand. Dann wurden sie er-
schossen. Diejenigen, die nicht augenblicklich tot waren,
nahmen mit dem Finger etwas von dem verströmenden
Blut, und der sterbende Mavy sagte: »Trinket, das ist
mein Blut.«

Christus hat zwei Naturen: eine menschliche und eine

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göttliche. Er hat auch zwei Körper. Er hat den Leib


eines jüdischen Zimmermanns, der nach dem Tode ver-
herrlicht wurde und zum Himmel auffuhr. Sein anderer
Leib ist die Kirche. Wenn beim Abendmahl die Worte
»dies ist mein Leib« gesprochen werden, sind beide ge-
meint. Jesus litt und blutete vor 2000 Jahren in
Palästina mit seinem vergänglichen Körper. Er selbst
leidet und blutet auch in allen, die für IHN gequält
werden. Die zum Tode Verurteilten nahmen das
Abendmahl ein mit ihrem eigenen Blut. Aber es war
zugleich auch SEIN Blut.

Auch Sie sind ein Glied an Seinem Leib. Benehmen


Sie sich als solches.

12. OKTOBER



Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir
fordern. (Luk. 12,20)

Wieviele Lebensjahre haben wir noch vor uns?

Ein König gab dem Hofnarren einen Feldherrnstab
und sagte: »Ich ernenne dich zum Feldherrn der
Narren. Wenn du je einen finden solltest, der noch
närrischer ist als du, so gib ihm den Stab.«

Jahre vergingen, und der König lag auf dem Sterbe-


bett. Der Narr fragte ihn: »Weißt du, wohin du gehst?«

»Nein«, sagte der König, »ich weiß nur, daß ich


sterben muß.«

»Dann gibt es also auch für Könige ein »du mußt«.


Hast du dir in der Welt, in die du bald gehen wirst,
Reichtümer angesammelt?«

»Darüber habe ich nie nachgedacht.«

»Du wußtest, daß du eines Tages sterben wirst und
hast dennoch keine Vorkehrungen getroffen? Du hast

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dich nicht auf den Himmel vorbereitet? Du hast dich
nicht bemüht, der Hölle zu entgehen?«

»Ich habe mir nie Zeit genommen, richtig über diese


Dinge nachzudenken.«

Der Narr zog den Feldherrnstab aus seinem Ärmel


und gab ihn dem König zurück .»Nun ernenne ich dich
zum Feldherrn der Narren.«

Denken Sie daran, daß auch Sie sterben müssen und


daß Sie nicht wissen, wann das sein wird.

13. OKTOBER



Denn wir... haben auch nicht Ehre gesucht von den
Leuten, weder von euch noch von andern; hätten euch
auch können schwer sein als Christi Apostel.

(l.Thess. 2,6 + 7)

Von einem Christen wird angenommen , daß er
demütig und unterwürfig ist. Wenn man ihn auf die
eine Backe schlägt, so hält er auch die andere hin. Die
Leinwand streitet sich nicht mit dem Maler. Er hat die
Freiheit, darauf zu malen was er will, ob dies nun ein
Bettler oder ein König sei.

Ein Christ nimmt jede Lebenslage als von Gott


kommend an. Wenn er erfolgreich ist, prahlt er nicht
damit. Kann ein Pinsel prahlen, weil mit ihm ein
schönes Bild gemalt worden ist? Nur der Künstler ver-
dient die Ehre. So ist auch unsere Beziehung zu
Christus. Ein Christ sucht von niemandem Ehre.

Christus und auch Paulus waren demütig. Aber ihre


Demut hatte ein besonderes Merkmal: sie war für
andere schwer zu verstehen. Jesus mußte sagen: »Ich
suche nicht meine Ehre« (Joh. 8,50) und »ich bin sanft-
mütig und von Herzen demütig« (Matth. 11,29). Auch

359


Paulus mußte den Menschen versichern, daß er für sich
keine Ehre suche. Normalerweise geht ein demütiger
Mensch nicht mit seiner Demut prahlend herum. Nur
wenn er den Eindruck erweckt, sehr stolz oder arrogant
zu sein, muß er eine Erklärung über sich abgeben.

Ein Christ ist in bezug auf seine eigenen Angelegen-


heiten demütig, aber er hat die Gewißheit, von Gott
einen Auftrag zu haben. Für diesen setzt er sich voll ein,
stets zum Kampf bereit, sogar auf die Gefahr hin, als
lästig und störend empfunden zu werden oder den Ein-
druck zu erwecken, ein »Besserwisser« sein zu wollen.

Christi Apostel können schwer belastend sein.


Paulus war es, als er schrieb, daß er von den Leuten
keine Ehre suche.

Lernen Sie, im Dienste des Herrn in Vollmacht zu


handeln.

14. OKTOBER



Tut wohl denen, die euch hassen. (Matth. 5,44)

Hier einige Erlebnisse aus Rumänien, die zeigen, wie


die heute verfolgten Christen diese Lehre Jesu befolgen.

B. war kommunistischer Staatsanwalt. Dann fiel er


bei der Partei in Ungnade und wurde von seinen
eigenen Genossen ins Gefängnis geworfen. Einmal
wurde er aus einem Gefängnis, in dem der Hunger re-
gierte, zu einem Bergwerk verlegt. Dort bekamen die
Gefangenen mehr zu essen, weil sie harte Arbeit leisten
mußten. Am Portal traf er einen Fremden, der ihm un-
verzüglich etwas zu essen zusteckte. Während er es aß,
blieb der Fremde neben ihm. Er fragte ihn, zu wieviel
Jahren er verurteilt sei.

»Zwanzig Jahre«, antwortete der Fremde.

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»Wofür?«


»Weil ich einem flüchtenden von der Polizei gesuch-
ten Pastor etwas zu essen gab.«

»Wer hat dich denn für eine gute Tat so hart be-


straft?«

»Du warst der Staatsanwalt bei meinem Prozeß. Du


hast mich nicht mehr erkannt, aber ich kannte dich. Ich
bin ein Christ. Der Herr Jesus hat uns gelehrt, Böses mit
Gutem zu vergelten. Ich wollte dir zeigen, daß es richtig
ist, einem Hungrigen zu essen zu geben.«

Der Vater von Dr. Munteanu, einem orthodoxen De-


kan in Rumänien, war getötet worden, weil er Priester
war. Der Dekan selbst wurde schließlich gefangenge-
nommen und fand in seiner Zelle die Mörder seines Va-
ters. Als diese krank wurden, gab er ihnen ärztliche
Hilfe und sogar sein eigenes Essen.

Der Christ Tsotsea wurde zu Unrecht zu zwanzig


Jahren Gefängnis verurteilt. Nach einiger Zeit wurde
auch der Richter, der ihn verurteilt hatte, eingesperrt.
Er erkrankte bald darauf an einer ansteckenden Krank-
heit. Sein Kot und Urin mußte ständig weggewaschen
werden, aber die Haftbedingungen waren so schlimm,
daß es kein fließendes Wasser, keine Leintücher und
keine Watte gab. Tsotsea, das Opfer, liebte den Feind,
bemühte sich brüderlich um ihn, bis der Richter mit
Gott versöhnt und vergebener Schuld starb.

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15. OKTOBER

Richtet ihr selbst, ob es vor Gott recht sei, daß wir euch
mehr gehorchen denn Gott. (Apg. 4,19)

Psychologische Versuche an der Yale Universität


zeigten, in welch erschreckendem Maß der durch-
schnittliche Mensch der Obrigkeit gehorcht. Er schreckt
auch nicht davor zurück, auf Befehl einem andern Men-
schen peinigende Schmerzen zuzufügen.

Das Experiment erforderte eine Schockmaschine und


drei Personen. Der Experimentator stellte die Autori-
tätsperson dar; er arbeitete in heimlichem Einverständ-
nis mit einem Schauspieler, der sich als Schüler ausgab.
Der dritte Mann, das Versuchsobjekt, hatte die
Aufgabe, als Lehrer zu fungieren.

Die Schockmaschine sah echt aus. Drei Knöpfe mit


den Aufschriften »leichter Schock«, »starker Schock«,
»Gefahr: sehr starker Schock« und die Stromstärken 15
bis 415 Volt waren darauf notiert; beim letzten Knopf
stand nur noch »XXX« als Stromabgabe. Aber es war
alles nur eine Fälschung. Der Schauspieler konnte über-
haupt nichts spüren.

Der Lehrer mußte nun dem Schüler verschiedene ein-


fache Dinge beibringen und ihn dann darin prüfen. Gab
er eine falsche Antwort, erhielt er einen Schock. Der
Schauspieler schrie, brüllte, klagte über Herzbeschwer-
den und tat, als fiele er in Ohnmacht. Der Lehrer
glaubte, das alles sei echt. Seine »Obrigkeit«, der Ex-
perimentator, befahl trotzdem immer stärkere Schocks
und ermunterte den Lehrer, trotz Schmerzen des
Schülers damit fortzufahren.

Zwei Drittel derer, mit denen das Experiment in


Yale gemacht wurde, gehorchten dem Befehl von oben.
Die Schmerzen des Schülers beeindruckten sie nicht. Sie

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hatten einen Befehl, und den führten sie aus. In
Deutschland haben 85 Prozent des Volkes der Obrig-
keit gehorcht.

Christen gehorchen der Obrigkeit nur, wenn sie


nichts befiehlt, das den Gesetzen Gottes, der Liebe,
widerspricht. Wegen dieser geistigen Unabhängigkeit
werden sie von grausamen Regierungen gehaßt.

Wir dürfen diese Unabhängigkeit nie aufgeben. Sonst


werden wir zu Komplizen der Verbrecher.

16. OKTOBER



Und Sarai sprach zu Abram: Gehe doch zu meiner
Magd, ob ich vielleicht aus ihr mich aufbauen möge.
Und Abram gehorchte der Stimme Sarais.

(1. Mose 16,2)

Der Kommentar zu diesem Vers im Talmud sagt,
Abram habe der befehlenden Stimme seiner Frau ge-
horcht, die ihm den Vorschlag machte, eine Dienerin als
Konkubine zu nehmen.

Die Worte »gehorchte der Stimme« werden im He-


bräischen auf drei verschiedene Arten ausgedrückt:
schamoa bekol, shamoa el hol, und shamoa lekol. Lekol
wird hauptsächlich gebraucht, wenn zu dem Vorge-
schriebenen eingewilligt werden muß. Zu der Bibelstelle
in 1. Mose 3,17, wo Gott zu Adam sagt: »Dieweil du
hast gehorcht der Stimme deines Weibes«, erklärt der
Midrash, ein anderer jüdischer Kommentar, daß auch
Eva eine gebieterische Haltung eingenommen und
Adam ihren Willen aufgezwungen habe. Deshalb aß
Adam die verbotene Frucht. Dieser Kommentar fußt
auf der Tatsache, daß der Ausdruck »gehorchte der
Stimme« in beiden Fällen Shamoa lekol ist.

363


Auch Sie können leicht merken, wenn jemand Sie zur
Sünde verführen möchte. In seiner Aufforderung wird
ein befehlender Ton zu finden sein.

Der Herr Jesus sagt: »Ihr wisset, daß die weltlichen


Fürsten herrschen, und die Oberherren haben Gewalt.
So soll es nicht sein unter euch. Sondern, so jemand will
unter euch groß sein, der sei euer Diener« (Matth.
20,25 + 26).

Ein Diener ersucht Sie bescheiden, etwas für ihn zu


tun; er befiehlt nicht. Sie gehorchen seiner Stimme aus
Zuneigung oder weil Sie einsehen, daß sein Rat weise
ist, aber nicht, weil Sie fürchten, es könnte Ihnen sonst
schlecht gehen. Der Liebende läßt dem andern die Frei-
heit der Wahl.

Christen sollen den Tyrannen nicht gehorchen, auch


nicht den kleinen Tyranneien des Alltags.

17. OKTOBER



Wir sind allzumal Sünder. (Rom. 3,23)

Ein Ungläubiger spottete über das Christentum.


Eines seiner Argumente war das schlechte Betragen
einiger Gläubiger. Da gab einer von diesen zur Ant-
wort: »Hast du schon jemanden getroffen, der sich über
das schlechte Betragen der Atheisten gewundert hat?«

Der Ungläubige verneinte.

»Nun, das ist eben der Unterschied«, gab der
Gläubige zurück.

Die Christliche Religion lehrt die höchsten morali-


schen und geistlichen Regeln des Lebens. Christus selbst
war unser Beispiel, wie das Leben gelebt werden sollte.
Aber es ist normal, daß Menschen, die in Sünde geboren
sind, trotz all ihrer harten Anstrengungen und Bemü-

364


hungen versagen; daß oft eine große Diskrepanz besteht
zwischen den hochstehenden Prinzipien und den
kümmerlichen Errungenschaften.

Im Atheismus finden wir keine Regeln des Beneh-


mens. Im »Kommunistischen Manifest« schrieb Marx,
daß er nicht nur die Abschaffung der Religion verlange,
sondern auch die der Moral. Wo keine Moral mehr ist,
gibt es auch keine Inkonsequenz.

Es ist eine Ehre, wenn wir in dieser Beziehung ver-


spottet werden. Wir sind bekümmert über unsere Sünd-
haftigkeit. Aber die Tatsache, daß wir klettern, obwohl
wir noch weit vom Ziel entfernt sind, zeigt, daß wir zu
dem Teil der Menschheit gehören, der sich das höchste
Ziel gesetzt hat.

Kommen auch Sie mit uns. Wenn wir eine größere


Klettergesellschaft sind, kommen wir besser vorwärts.

18. OKTOBER



Gehe den ... Streitsätzen der fälschlich so genannten
Erkenntnis aus dem Wege. (1. Timoth. 6,20)

Lassen Sie es nie zu, daß die Wissenschaft Ihren


Glauben durcheinanderbringt! Wissenschaft, die keine
Wunder anerkennt, ist nicht wissenschaftlich.

Jacques A. Charles entdeckte das Volumen-Tempera-


turgesetz der Gase. Danach ist das Volumen eines
idealen Gases unter konstantem Druck in direkt
proportioneller Abhängigkeit zu der absoluten Tempe-
ratur. Mit jedem Grad Celsius, welches ein ideales Gas
unter konstantem Druck verändert wird, verliert es von
seinem Volumen 1/273; bei —273° Celsius müßte es also
das Volumen Null haben. Das geschieht aber nicht, und

365


zwar hauptsächlich deshalb nicht, weil absolute
Volumen Null gar nicht erreicht werden, aber auch,
weil vor Erreichung dieser Grenze ein Phasenwechsel
stattfindet. Ballonfahrer haben die Beobachtung ge-
macht, daß die Temperatur-Druckkurve gleichmäßig
abfällt, und zwar bis eine Höhe von ca. 12 200 m, bei
welcher das Thermometer —55° C anzeigt, erreicht
wird.

Die Wissenschaft muß also akzeptieren, daß


entweder über 12 200 m ein Wunder geschieht, wobei
das Naturgesetz überschritten und das Gesetz von
Charles gebrochen wird — oder daß ein jetzt noch un-
bekanntes Gesetz für dieses Phänomen verantwortlich
ist.

Wenn dies der Fall ist, können unbekannte Gesetze


auch für die Wunder der Bibel verantwortlich sein.

Glauben Sie an die Bibel. Kein Wissenschaftler kann


beweisen, daß sie nicht wahr ist.

19. OKTOBER



Denn was ist euer Leben? Ein Dampf ist's, der eine
kleine Zeit währt, darnach aber verschwindet er.
(Jak. 4,14)

Wenn Sie sich wichtig vorkommen, wenn Sie sich auf


einem Ego-Trip (Ich-Überbewertung) befinden, wenn
Sie geneigt sind zu glauben, daß Sie der Mittelpunkt der
Erde und unersetzlich sind: stecken Sie Ihre Hand in ein
Gefäß voll Wasser. Ziehen Sie sie heraus und suchen Sie
das Loch, das Sie zurückgelassen haben. Nun kennen Sie
das Maß Ihrer Unentbehrlichkeit. Das Wasser hält
überhaupt keine Spur Ihrer Hand zurück.

Ich habe bedeutende Christen gekannt, die in der


Kirche eine wichtige Rolle spielten. Sie wurden von

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totalitären Regierungen ins Gefängnis geworfen. Wenn
sie wieder frei wurden, fanden sie heraus, daß die Kirche
auch ohne sie gut weitergekommen war. In einigen
Fällen gab ihre Abwesenheit sogar jüngeren, fähigeren
Männern die Möglichkeit, sich besser zu entwickeln.

Jesus, der Sohn Gottes, lag im Grab. Die Planeten


folgten dennoch ihrer vorgeschriebenen Bahn; Blumen
blühten und Kinder spielten. Jesus war bereit, zuzulas-
sen, daß die Welt für eine kleine Zeitspanne ohne IHN
weiterging. Das soll uns ermuntern, dasselbe zu tun. Wir
sollen uns nicht gar so wichtig vorkommen. Dann aber
kam die Auferstehung, und ER hatte eine ganz neue
Macht.

Heilige sind heilig, weil sie nie der Überzeugung sind,


ihr Auf-der-Welt-sein sei eine absolute Notwendigkeit.
Weil er wußte, daß er weggehen konnte, ohne daß der
Kirche dadurch geschadet würde, konnte Basilius der
Große seinem Verfolger Modest antworten: »Ich
fürchte die Verbannung nicht, denn die ganze Erde
gehört dem HERRN. Du kannst mir keine Güter neh-
men, denn ich besitze nichts. Sterben ist mein Gewinn,
denn dadurch werde ich mit Christus vereint, für den
ich lebe und arbeite.«

Weil sie sich selbst nicht als bedeutend ansahen,


wurden die Heiligen einflußreich.

20. OKTOBER



Seid meine Nachfolger. (1. Kor. 4,16)

Eines Abends ging ein Vater in eine Kneipe. Kurz


darauf kam auch sein kleiner Junge herein. »Wie
wußtest du denn, wo ich bin«, fragte der Vater.

»Ich bin einfach deinen Fußspuren im Schnee

367

gefolgt«, war die Antwort.



Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Unsere Nach-
kommen folgen in unseren Fußspuren. Wohin führen
sie?

Ich stand einst an der Pforte eines Gefängnisses, wo


ein lebenslänglich verurteilter Mann, gefesselt an
Händen und Füssen, weil er als gemeingefährlich be-
kannt war, zurückgehalten wurde. Da stoppte ein Po-
lizeiwagen mit neuen Sträflingen vor dem Tor. Unter
den Ankömmlingen war der Sohn des Verbrechers, auch
er ein zu lebenslänglicher Haft verurteilter Mörder,
ebenfalls an Händen und Füssen gefesselt. Vater und
Sohn trafen sich hier.

Der Söhn hob seine gefesselten Hände dem Vater


entgegen und fragte: »Hast du mich dazu in die Welt
gesetzt?«

Der harte Verbrecher errötete und ließ den Kopf


hängen. Er wußte keine Antwort.

Wohin führen unsere Schritte?

Wir denken an die Spuren, die Abrahams Wandel
hinterließ. Nach Tausenden von Jahren gehen Juden,
Christen und Mohammedaner immer noch darin. Fluten
und Stürme konnten sie nicht auslöschen. Paulus folgte
Christi blutigen Spuren der Selbstaufopferung. Wäh-
rend zweitausend Jahren sind die Christen diesem Bei-
spiel gefolgt.

Achten Sie auf Ihre Schritte. In Ihren Fußstapfen


gehen auch andere.

368


21. OKTOBER

O Timotheus! Bewahre was dir vertrauet ist.

(1. Tim. 6,20)

Einer der größten Verluste, die die Kirche nach der


Reformation erlitt, war das Weglassen der wunder-
vollen Lehren und Beispiele der alten Heiligen.

Sie waren demütig. Als am Zweiten ökumenischen


Konzil Streitigkeiten um sein Bischofsamt entstanden,
sagte Johannes Ghrysostomus, Bischof von Konstan-
tinopel: »Ich bin nicht besser als der Prophet Jona.
Werft mich in das Meer, nur beendet den Streit.« Er
legte sein Amt für immer nieder, aber als letztes "Wort
sagte er seiner Gemeinde den obigen Vers.

Er war bereit, allem zu entsagen, aber wich keinen


Zoll von der Wahrheit ab. Er hinterließ uns Lehren: »Es
gibt ein förderndes Auseinandergehen und ebenso eine
harmonische Einmütigkeit... Wenn von uns eine Tat
offensichtlicher Unehrlichkeit, Gewalt oder Bosheit
verlangt wird, müssen wir die Ansprüche der Zeiten
und der Regierenden mißachten (nicht nur der welt-
lichen, sondern auch der kirchlichen), wir dürfen mit
dem Bösen keine Gemeinschaft haben. Wir dürfen
nichts Ansteckendes berühren. Das Schrecklichste, das
ein Diener der Wahrheit tun kann, ist, jemanden mehr
zu fürchten als Gott, und aus dieser Furcht heraus ein
Verräter des Glaubens und der Wahrheit zu werden.«

Johannes Chrisostomos war ein Priester, nicht ein


moderner Prediger, der einmal in der Woche eine
zwanzigminütige Rede hält — er rief täglich zur Buße
und Bekehrung auf. Er schonte seine Zuhörer nicht. Er
tadelte unziemliche Kleidung, Luxus und andere Dinge,
aber am heftigsten griff er die Machtgier der Geistlich-
keit und die Spaltungen in der Kirche an. Er sagte:

369


»Nichts reizt Gottes Zorn mehr als Streit. Wenn wir
ausgezeichnete Dienste leisten, dabei aber die Einheit
zerstören, werden wir bestraft werden, als hätten wir
den Leib des Herrn zerrissen.«

Er beschloß sein Leben im Exil mit den Worten: »Der


Herr sei gepriesen für alles.«

22. OKTOBER



Wandelt in der Liebe, gleichwie Christus uns hat ge-
liebt. (Eph. 5,2)

1969 hatten die Christen in Kenia eine schwere Zeit.


Sie hatten sich geweigert, den heidnischen Kikuyu-Eid
zu leisten. Viele wurden deshalb erstochen, andere zu
Tode geprügelt. Das war auch mit einem Bruder ge-
schehen, dessen Frau, ebenfalls ganz zerschlagen, im
Krankenhaus lag. Von dort wurde sie zu seinem
Begräbnis gebracht, an dem viele Tausende von Men-
schen teilnahmen, auch einige, die den Getöteten gehaßt
hatten.

Die verletzte Frau stand am Grabe ihres Mannes. Die


Gläubigen sangen christliche Choräle. Dann sprach die
Witwe, und ihre Rede wurde am nächsten Tag in den
Zeitungen veröffentlicht: »Bevor dieses Begräbnis
vorüber ist, möchte ich euch weitergeben, was mir mein
Mann vor seinem Tode noch aufgetragen hat. Er ist in
den Himmel gegangen mit einem von brennender Liebe
erfüllten Herzen, auch gegenüber seinen Meuchelmör-
dern. Er hat allen vergeben was sie getan haben, denn
Jesus liebt alle. Auch ich, als seine Witwe, sage euch
allen vor meinem toten Mann, daß ich keinen von euch,
die ihr ihn getötet habt, hasse. Ich liebe euch. Ich
vergebe euch, denn ich weiß, daß Christus auch für euch

370


gestorben ist.«

Das ist christliche Vergebung.

Stellen Sie eine genaue Liste auf von allen Menschen,
die Ihnen schon einmal Unrecht getan haben. Schreiben
Sie mit großen Buchstaben darüber: »Jesus liebt euch.«
Verbrennen Sie dann die Liste und vergessen Sie ein für
allemal, wer Ihnen etwas zuleide getan hat. Rufen Sie
sich auch in Erinnerung, wievielen Sie selbst weh getan
haben. Einen Groll zu hegen ist nicht christlich.

23. OKTOBER



So wird eines jeglichen Werk offenbar werden.

(1. Kor. 3,13)

Einstein, der die wichtigsten Gesetze der Physik ent-
deckt hat und dessen Name weltweit respektiert wird,
sagte am Ende seines Lebens: »Wenn ich alles gewußt
hätte, wäre ich Klempner geworden.« Das sagte er, weil
er seine Wissenschaft nicht vor schlechten Menschen ge-
heimhalten konnte. Seine Formel diente dazu, die erste
Atombombe zu konstruieren.

Wie anders dagegen ist Paulus' Ausruf am Ende


seines Lebens: »Hinfort ist mir beigelegt die Krone der
Gerechtigkeit« (2. Tim. 4,8).

Wie Einstein, hatte auch Paulus ein Geheimnis ent-


deckt: daß die Heiden auch zum Reich Gottes berufen
sind und denselben Stand erhalten wie das erwählte
Volk, die Juden. Noch andere göttliche Geheimnisse
wurden ihm vom HERRN anvertraut. Sie alle waren
heilbringend, und er mußte nicht bereuen, daß er sie der
Welt eröffnet hatte.

Als ein Resultat der Tätigkeit von Wissenschaftlern,


die sich nicht von Gott leiten ließen bei der Veröffent-
lichung ihrer Entdeckungen einer sündigen Menschheit

371


gegenüber, ist die Radioaktivität heute fünfunddrei-
ßigmal höher als zu Beginn des Jahrhunderts. Die
Wissenschaft stand im Widerspruch zu der Religion.
Nun erhebt sich aber das Problem, ob die Menschheit
diesen Sieg der gottlosen Wissenschaft überleben kann.
Die Luft, unsere Flüsse und Meere sind alle vergiftet.

Als ein Resultat der Tätigkeit jedes Christen, der für


seinen HERRN Zeugnis ablegt, gehen ungezählte Men-
schen aus dem vergänglichen ins ewige Leben ein.

Werden Sie am Ende Ihres Lebens bereuen, was Sie


getan haben, oder dienen Sie Christus und können
darum sicher sein, daß Ihr Ende ein Hinüberwechseln
in die Herrlichkeit sein wird?

24. OKTOBER



Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer.

(Matth. 23,13)

Der Herr Jesus schalt die Schriftgelehrten und
Pharisäer Heuchler, und er warnte uns alle vor
Heuchelei. Er sagte aber nie, wir dürften nicht mit
jenen zusammenkommen.

Viele Christen haben die Kirche verlassen, weil sie


darin zu viel Heuchelei sahen. Die Geschäftswelt ist
aber ebenfalls mit Heuchelei durchsetzt, aber deswegen
gibt niemand seinen Verdienst auf. Die Beziehungen
zwischen Geschlechtern, Generationen und Nationen
sind voller Heuchelei. Dessenungeachtet verlieben sich
Menschen ineinander, leben Kinder und Eltern zusam-
men, und existieren die verschiedensten Nationen. Wie-
viele bleiben unverheiratet, weil es auch in der Ehe viel
Heuchelei gibt?

Ein Ort ist ganz bestimmt mit Heuchelei überfüllt:


die Hölle. Anstatt die Kirche zu meiden, weil viele

372


Mitglieder ihre Frömmigkeit nur vortäuschen, sollten
wir unsere ganze Aufmerksamkeit darauf konzentrie-
ren, nicht in die Hölle zu kommen, denn dorthin ge-
langen Menschen mit falschen Herzen. In der Kirche
müssen wir nur für eine Stunde mit Heuchlern Zusam-
mensein; in der Hölle für die ganze Ewigkeit.

Wenn Sie Heuchelei verabscheuen, müssen Sie ent-


schlossen den Weg zum Himmel gehen, denn nur dort
wird vollkommene Aufrichtigkeit herrschen.

Niemand kann ohne Kirche leben, trotz ihrer Fehler-


haftigkeit. Wer Gott zum Vater hat, hat die Kirche als
Mutter. Ein liebendes Kind verläßt seine Mutter nicht,
wenn sie krank wird. So verläßt auch ein Christ die
Kirche nicht, wenn er in ihr Fehler entdeckt.

In ihr wird das Wort Gottes und die Ordnung auf-


rechterhalten. In ihr erfüllt sich die Gemeinschaft der
Heiligen.

In bezug auf die Heuchelei ist es besser, den Splitter


in des Bruders Auge nicht zu beachten, sondern den
Balken im eigenen Auge zu entfernen.

25. OKTOBER



Die Gnade aber des Herrn währet von Ewigkeit
Ewigkeit. (Ps. 103,17)

Der erste Buchstabe des hebräischen Alphabets ist


aleph. Er zeigt die Form eines Mannes, der zum
Himmel hinauf und zur Erde hinunter zeigt. Damit
wird veranschaulicht, daß diese Erde ein Spiegelbild der
himmlischen Welt ist.

George Cantor, ein Mathematik-Genie, der aber gei-


steskrank starb, ist der Begründer der transfiniten Men-
genlehre. Was heißt das? Ziehen Sie auf einem Stück
Papier eine Linie von 30 Zentimetern. Jedermann weiß,

373


daß die Punktzahl dieser Linie unendlich ist. Aber
Cantor sagt dazu nein. Schneiden wir die Linie in zehn
Teile. Jeder Teil hat nun eine unendliche Punktzahl,
deshalb muß die Punktzahl des ganzen Papiers größer
als unendlich gewesen sein, eine Vielzahl von Unend-
lichkeiten, und das nennt Cantor transfinit.

Nur so können wir den biblischen Ausdruck »von


Ewigkeit zu Ewigkeit« verstehen. Es gibt eine Vielzahl
von Ewigkeiten.

Die Zahl der Punkte bei der ersten Linie war ebenso


groß wie die jeder Teillinie, denn auch diese können
noch geteilt werden. Jeder Teil ist gleich wie das Ganze.

Ein jüdischer Zimmermann sagte zu einem Apostel:


»Wer mich sieht, sieht den Vater.« Der eine Christus
kann »alles in allem« sein. Er ist in seiner Ganzheit in
jeder gläubigen Seele.

Die ersten Christen hatten ein Sprichwort: »Wenn du


einen Bruder siehst, siehst du Gott.« Luther schrieb:
»Der Christ ist Christus.« Der HERR hat gelehrt, daß
wir alles, das wir einem Hungrigen oder Leidenden zu-
liebe tun, IHM tun. ER selbst ist der hungrige oder
gefangene Mensch.

Unserem Verstand scheint das töricht. Es ist eine


Glaubenswahrheit und seit kurzem auch eine mathema-
tische Selbstverständlichkeit.

26. OKTOBER



Tod, wo ist dein Stachel? (1. Kor. 15,55)

Es gibt eine alte christliche Geschichte, die nur die


Auserwählten kennen. Sie hören sie von einem
Menschen oder einem Engel in Augenblicken äußersten
Leidens.

Ein Gläubiger hatte sein ganzes Leben darangegeben,

374

in der Natur, in den menschlichen Gesichtern und in


seinem eigenen Herzen die Offenbarung zu suchen. Er
suchte nach dem Sinn des unaussprechlichen Namens
Jehova. Als er alt wurde, wurde er um seines Glaubens
willen verurteilt. Er sollte von einem Leoparden zer-
rissen werden.

Während er in der Arena darauf wartete, dem wilden


Tier vorgeworfen zu werden, beobachtete er durch die
Eisenstäbe die Bestie. Er betrachtete die Flecken des
Fells, und da geschah ein Wunder. Die Anordnung der
Flecken und ihr Muster erklärten ihm den Namen
Gottes, nach dessen Sinn er jahrzehntelang geforscht
hatte. Plötzlich verstand er, daß dies die einzige Mög-
lichkeit war, seinen größten Wunsch zu erfüllen. Gott
hatte ihm dieses Zusammentreffen mit dem Leoparden
geschenkt, um ihm das Geheimnis zu offenbaren.

Der Märtyrer wußte nun, daß ein solcher Tod gar


kein Tod war. Auf irgendeine Art werden wir alle vom
Tod verschlungen werden. Die Frage ist nur: »Nach
was haben wir im Leben gesucht?« Wenn wir das
Richtige gesucht haben, wird uns der Tod das Geheim-
nis enthüllen, und er wird nur ein Schleier sein, durch
den wir in die Gegenwart des HERRN treten dürfen.

Dasselbe trifft auch für besonders große Leiden zu.


Wir dürfen darin den Namen Gottes suchen.

27. OKTOBER



Von der Zeit an fing Jesus an und zeigte seinen Jüngern,
wie er müßte . . . getötet werden. (Matth. 16,21)

Jede Armee hat eine Elitetruppe: die persischen Un-


sterblichen; die amerikanischen Grün-Mützen; die
deutsche SS; die sowjetische Guardja. Am bekanntesten

375


sind wohl die japanischen Kamikaze-Piloten. Sie erle-
ben ihr Begräbnis noch zu Lebzeiten. Nachdem sie das
Cockpit ihres Flugzeuges betreten hatten, wurde dieses
von außen versiegelt. Dann flogen sie weg, zu einem
Schiff des Feindes, und stürzten sich mitsamt ihrer
Bombenladung darauf. Es war sicher, daß sie dabei um-
kommen würden, aber mit ihnen wurden auch viele
ihrer Feinde zerstört.

Es scheint, als ob auch Jesus sich in das Cockpit eines


Kamikaze-Flugzeuges begeben hätte. Wissend und ent-
schlossen nahm ER für die Sünder den Tod am Kreuz
auf sich.

Auch wir geben Gott unser Leben als lebendiges


Opfer (Rom. 12,1).

Die Taufe ist unsere Begräbnisfeier; wir sind be-


graben mit Christus. Nur wer diese Erfahrung erlebt
hat, gehört zur Elite der Kirche, denn wer die Leiden
mit Christus geteilt hat, hat auch Teil an der Macht
Seiner Auferstehung.

1955 zeigte Professor Singleton an einer atomaren


Konferenz in Genf einige Nelken, die er auf dem radio-
aktiven Land bei einem großen Atomreaktor in Brook-
haven gezogen hatte. Sie waren ursprünglich weiß ge-
wesen. Nun waren sie purpurrot, etwas noch nie Dage-
wesenes. Alle Zellen hatten sich verändert und lebten
nun in ihrer neuen Art weiter. So ist der neue, mit Chri-
stus auferstandene Mensch. Er ist ein Vorkämpfer für
die Sache des göttlichen Reiches.

376


28. OKTOBER

Ich lebe aber, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt
in mir. (Gal. 2,20)

Gott hat uns eine große Gabe geschenkt: unsere


eigene Persönlichkeit. Persönlichkeit ist nicht ein Teil
des Universums, sondern das Universum ist ein Teil
alles dessen, was Persönlichkeit einschließt. Das ist des-
halb so, weil das Universum, die Energie und alles
sonstige materielle Wesen, Objekte von Gedanken sind.
Persönlichkeit ist niemals Objekt, sie ist immer sub-
jektiv.

Jesus hat gesagt: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und


das Leben.«

Ein Ich, ein göttliches Subjekt, hat diese Worte ausge-


sprochen. Auf der Grundlage dieser Worte haben wir
2000 Jahre lang behauptet, daß ER der Weg, die Wahr-
heit und das Leben sei, und das ist ganz einfach nicht
wahr. Wenn wir IHN zu einem ER herabsetzen, wird
Christus zu einem Objekt unserer Überlegungen. Ein
Objekt kann nicht die Wahrheit sein. Jesus wollte nie
ein ER werden. Jesus ist immer ein ICH. In jedem
Gläubigen lebt ER in seiner ganzen Fülle als ICH.
Auch der Gläubige ist ein ICH — dasselbe wie Jesus.
Die Augen, mit denen Jesus mich sieht, und meine
Augen sind dieselben.

Ein Liebender konnte sein Alleinsein nicht mehr er-


tragen. Spät abends klopfte er an die Türe seiner Lieb-
sten und bat um Einlaß. »Wer ist da?« rief sie.

»Ich bin es«, gab er zur Antwort.

Das Mädchen antwortete von drinnen: »Mein
Zimmer ist klein und mein Bett schmal. Ich habe keinen
Platz für dich. Geh.«

Er ging, aber er verstand nicht, warum sie ihn abge-

377

wiesen hatte. Er wußte, daß sie ihn von Herzen liebte.


Er durchzog jahrelang die Welt, und dann hatte er
plötzlich eine Erleuchtung. Spät eines Nachts klopfte er
wieder an ihre Türe.

Sie fragte: »Wer ist da?«

Er antwortete: »Du bist es.«

Da öffnete sich die Türe. Er hörte die Worte: »Seit


Jahren warte ich auf dich.«

Wenn wir an der Himmelstür ankommen, müssen


wir freie Menschen sein — befreit davon, eines der
vielen Objekte dieser Welt zu sein.

Wir müssen eine selbständige Persönlichkeit gewor-


den sein, ein ICH, aber dieses ICH muß SEIN ICH
geworden sein, ein Wiedererscheinen Jesu en miniature
(im Kleinen).

Am Eingang des Himmels, auf dem Weg zu Jesus,


müssen auch Sie sagen können »DU bist es«. Dann wird
sich die Pforte weit auftun.

29. OKTOBER



Ihr tut nicht, was ihr wollt. (Gal. 5,17)

Ein Soldat machte große Pläne, wie er seinen Feind


bekämpfen und besiegen wollte. Als er aber sein Ge-
wehr heben wollte, merkte er, daß er das nicht konnte.
Er hatte über dem Pläneschmieden vergessen, wer er
war. Er war ein Soldat, aber ein Zinnsoldat, ein Kinder-
spielzeug.

Viele von uns machen herrliche Pläne für ein Leben


im Dienst des Herrn und an der Menschheit. Sie sind
aber wertlos, weil wir vergessen haben, daß wir in
Sünde geboren sind; daß sogar unsere guten Taten wie
schmutzige Lappen sind; daß in uns Kräfte wirken, die

378


uns unfähig machen, großartige Pläne auszuführen. Wir
sind nur Spielzeuge in den Händen böser Mächte und
niedriger Lüste. Wir sind Zinnsoldaten. Bevor wir wirk-
lich etwas tun können, müssen wir Soldaten aus Fleisch
und Blut werden.

Dieses Wunder wird durch Jesus vollbracht. ER gibt


uns die neue Geburt. ER sagt uns, daß wir Sein Fleisch
essen und Sein Blut trinken sollen.

Er macht uns zu Teilhabern an Seiner göttlichen,


geistlichen Natur. ER gibt uns neues Leben, die Kraft
Seiner Gnade.

ER verwandelt einen Zinnsoldaten in einen wirk-


lichen Soldaten — und dann erst kann der Kampf be-
ginnen.

30. OKTOBER



Er ist ganz rein. (Joh. 13,10)

Ein Schmied hatte einen Sohn, der ihm das Herz


brach. Jedesmal, wenn der Junge etwas Schlechtes tat,
schlug der Vater einen Nagel in die Türe. Schließlich
war diese mit Nägeln übersät. Der Sohn vernahm
davon in dem fernen Land, in das er gezogen war. Da
überfiel ihn die Reue und veranlaßte ihn, die Ver-
gebung seines Vaters zu suchen. Da wurde der erste
Nagel ausgezogen. Dann bekehrte sich der Sohn zu
Gott, und es begann sich herumzusprechen, daß dieser
selbe Sohn viel Gutes tat. Bei jeder solchen guten Nach-
richt zog der Vater wieder einen Nagel aus der Tür.

Eines Tages kehrte der Sohn als ehrlicher Mann


zurück, ja sogar als Heiliger. Er wurde die Freude seines
Vaters. Der letzte Nagel verschwand. Der Vater zeigte
dem Sohn die Tür und erklärte ihm, was er damit ge-
macht hatte.

379


Da sagte der Sohn: »Ja, die Nägel sind verschwun-
den, aber die Löcher bleiben.«

Voll Freude erklärte da der Vater, daß es EINEN


gibt, der auch die Löcher wieder schließen kann. Das
hebräische Wort »asham« bedeutet nicht nur Opfer für
die Sünde, sondern auch Wiederherstellung. In Jesaja
53,10 heißt es, daß Jesus Sein Leben nicht nur als
»asham« dahingab und damit unsere Sünden sühnte,
sondern daß ER sie auch weggewaschen hat.

Gerechtfertigt sein heißt, so zu sein, als ob ich nie


gesündigt hätte. Wir werden weißer als Schnee.

31. OKTOBER



Doch will ich dir anzeigen, was geschrieben ist.

(Dan. 10,21)

Der Engel spricht zu Daniel über das Buch der Wahr-
heit und zitiert daraus Stellen, die nicht in den pro-
phetischen Büchern stehen. Unsere Bibel ist eine Über-
setzung der unaussprechlichen Wirklichkeiten Gottes in
unsere menschliche Sprache. Jeder aufrichtige Prediger
zeigt seine Bibel, die eine Übersetzung aus dem Hebräi-
schen und Griechischen ist und sagt: »Dies ist das Buch
Gottes.«

Was, wenn nun auch das Hebräische und Griechische


eine Übersetzung war, eine Übertragung der unaus-
sprechlichen Vielfalt Gottes in unsere primitive
Sprache?

So wertvoll uns unsere Bibel ist, wir dürfen bei ihren


Worten nicht haltmachen. Jesus sagte: »Ich habe euch
noch viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen«
(Joh. 16,12).

Warum sollten wir nicht Menschen werden, die alles

380

ertragen können und die aus seinem Mund die ver-


borgenen Dinge lernen? Als sich Paulus wiederholt
gezwungen sah, den Hebräern die grundsätzlichsten
Dinge zu erklären, beklagte er, daß er nicht genügend
Zeit habe, die Geschichten von Gideon, Jephta usw.
auszulegen (Hebr. 11,32).

Wenn wir nicht, wie die Kinder, immer wieder zum


Anfang zurückkehren würden, könnten vielleicht wir
diese Auslegungen erkennen, die den Hebräern vor
2000 Jahren vorenthalten blieben. Judas schrieb, daß er
gern ein wichtiges Thema, unser aller Heil, behandelt
hätte, daß er aber seine Absicht habe ändern und statt
dessen vor Irrlehrern habe warnen müssen (Judas
3 u. 4). Wenn wir diese austreiben würden, könnten wir
lernen, was Judas lehren wollte.

Gehen Sie von der Bibel weiter zu den Wirklich-


keiten, auf die sie hinweist. Es gibt ein Buch der Wahr-
heit im Himmel.

1. NOVEMBER



Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehre
und gäbe Gott die Ehre, denn dieser Fremdling?

(Luk. 17,18)

Einst lud Gott alle Tugenden zu einem Festessen ein.
Die Gäste begrüßten und umarmten sich, denn sie
waren alle gut Freund miteinander, ausgenommen zwei,
die weit voneinander entfernt dastanden.

Gott fragte sie: »Kennt ihr euch nicht?« Sie ant-


worteten: »Wir sind uns noch nie begegnet.« Ihre
Namen waren »Großzügigkeit« und »Dankbarkeit«.

Es gibt eine Legende über einen römischen Sklaven


namens Androkles, der vor seinem harten Meister ge-

381


flohen war. Er versteckte sich in einer Höhle der
Libyschen Wüste. Dort beobachtete er einmal einen
Löwen, der sich vor Schmerzen wand, weil er sich einen
Dorn in die Pranke getreten hatte. Androkles entfernte
den Fremdkörper und reinigte die Wunde. Nach diesem
Vorkommnis waren die beiden die besten Freunde.
Nach langer Zeit fand der Meister seinen Sklaven und
brachte ihn gebunden nach Rom zurück, wo er, nach
dem herrschenden Brauch, den wilden Löwen vorge-
worfen werden sollte. Nun geschah es, daß der Löwe,
der ihn zerreißen sollte, derselbe war, den er in der
Wildnis von seinen Schmerzen befreit hatte. Das Tier
erkannte seinen Freund und, anstatt ihn aufzufressen,
setzte es sich still zu seinen Füßen. Androkles erklärte
die Geschichte und wurde begnadigt.

Es ist leichter, bei den Tieren Dankbarkeit zu finden


als bei Menschen. Ein türkisches Sprichwort sagt:
»Wenn du jemandem Gutes getan hast, so meide ihn wie
einen tollwütigen Hund. Er wird dich beißen.«

Die Erfahrung von Jahrhunderten liegt in diesem


Ausspruch. Wir alle beklagen uns, weil andere uns zu
wenig Dankbarkeit erweisen. Wir wollen aber einmal
eine Liste aufstellen von all denen, die gut zu uns ge-
wesen sind, und denen wir unsere Dankbarkeit nicht ge-
zeigt haben. Vor allem wollen wir Gott dankbar sein
für seine Schöpfung. Dann wollen wir Christus danken
für seine Erlösung und dem Heiligen Geist für seine
Führung. Wir wollen auch unseren Eltern, Lehrern,
Ärzten, Bäckern, Schneidern und Bauern danken. Mit
andern Worten: Wir wollen dankbar sein gegenüber
allen, die für uns arbeiten und die uns in schwierigen
Lebenssituationen hilfreich beigestanden sind.

382


2. NOVEMBER

Und der Verständigen werden etliche fallen, auf daß sie
bewährt, rein und lauter iverden. (Dan. 11,35)

Paulus vom Kreuz schrieb: »Wahrhaftig, wenn es


scheint, daß ein Unternehmen gänzlich fehlgeschlagen
ist, sehen wir, daß es wunderbaren Erfolg bringt.« Am
Karfreitag starb Jesus, die Hoffnung der Welt, mit den
Worten: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich
verlassen?« Alles schien verloren zu sein. Das war die
Vorstufe zur triumphierenden Auferstehung.

Lincoln machte als Geschäftsmann Bankrott — und


das war die Basis, auf der er seine Karriere als größter
Staatsmann Amerikas begann.

Viele Verlobungen und Ehen wurden glücklich und


heil, als sie auf dem Punkt der Ausweglosigkeit ange-
langt waren. Viele Menschen, die dem Tode nahe
waren, lebten nachher noch viele Jahre in guter Ge-
sundheit. Ich selbst bin oft beinahe gestorben. Viele
Christen, die sich tief in Sünde verstrickt hatten, wur-
den nachher große Heilige. Scheinbar endete Petri
Laufbahn als Apostel in Schande, als er seinen Herrn in
der Nacht, da er verraten ward, so schmählich verleug-
nete. Es gab keine Hoffnung mehr für ihn, einmal ein
großer Führer der Kirche zu werden, nachdem er bei der
ersten Anfechtung so jämmerlich versagt hatte. Aber
Jesus vergab ihm, und er kehrte zurück und fuhr fort,
ein fruchtbares Leben zu führen, das er als Märtyrer be-
endete.

1759 schrieb Paulus vom Kreuz: »Ich werde nun


meine ganzen geistigen Kräfte zum Gebet sammeln und
mich auf den Tod vorbereiten.« Aber er mußte seine
Meinung ändern, denn in verschiedenen Städten mußte
noch evangelisiert werden. So fuhr der sterbende

383


Heilige noch weitere sechzehn Jahre mit seiner Arbeit
fort.

Er schrieb: »Wenn wir das, was in dieser Welt als


Unglück geschieht, aus Gottes Hand und in freudiger
Unterordnung unter seinen heiligen Willen annehmen,
wird es uns befähigen, auf dem Pfad der göttlichen
Gebote zu wandeln. Daneben dient die Unterordnung
unter diese Schwierigkeiten auch als wirksames Mittel,
Vorteile zu erringen, selbst zeitliche.« Tragen Sie Sorge
zu Ihren Enttäuschungen! Es wird sich erweisen, daß
unsere Verlegenheiten Gottes Gelegenheiten sind.

3. NOVEMBER



Der Wein erfreue des Menschen Herz. (Ps. 104,15)

»Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und


siehe da, es war sehr gut« (1. Mose 1,31). Auch der
Wein ist gut, wie auch alle andern menschlichen Freu-
den. Erst die Sünde hat Traurigkeit und Kummer ge-
bracht, aber es gibt immer noch eine Zeit zu lachen und
eine Zeit zu tanzen (Pred. 3,4).

Es stimmt zwar, daß Jesus uns lehrt, daß dieses Leben


nur eine Vorhalle ist, die wir auf dem Weg ins ewige
Leben durchqueren. Aber in einem geordneten Haus ist
auch die Vorhalle schön.

Als Jesus in Kana Wasser in Wein verwandelte,


zeigte er uns damit, daß eine richtig verstandene Re-
ligion die irdischen Freuden nicht ausschließt, solange
ihnen nichts Böses anhaftet und ihnen nicht soviel
Wichtigkeit zugemessen wird, daß sie mehr Zeit und
Kraft in Anspruch nehmen als erlaubt ist.

Innerhalb dieser Grenzen darf ein Christ ein Leben


voller Freude führen. Er muß die Sünde meiden, nicht

384


aber die Dinge, die das Leben erfreulich machen.

Viele Menschen kennen nur die Alternative: Leben


ohne Gott — oder Gott ohne Leben. Jesus hat diesen
verhängnisvollen Kreis durchbrochen. Er gibt uns
freudiges Leben mit Gott. Der fröhliche Instinkt eines
gesunden Kindes ist das ideale Beispiel, das wir in Jesus
sehen, nicht die selbstauferlegten Qualen eines Asketen.
Der letztere mag eine ganz besondere Berufung haben,
aber das sind nicht die Regeln, die für ein durchschnitt-
liches Christenleben gelten.

Wenn Sie in Kana gewesen wären: wären Sie mit


Jesus einverstanden gewesen, oder hätten Sie es vorge-
zogen, wenn ER, statt ein Wunder zu tun, eine feurige.
Rede gehalten und diejenigen, die sich am Fest vergnü-
gen wollten, getadelt hätte?

4. NOVEMBER



Und es begab sich. (Matth. 11,1)

Die Überlieferung erzählt, daß der König David


eines Tages einen Goldschmied zu sich rief und ihm auf-
trug: »Mache mir einen Ring, der mein Herz erfreut,
wenn ich traurig bin, und mich traurig stimmt, wenn
ich froh bin. Du hast zwei Tage Zeit. Wenn du mir den
Ring bringst, wirst du reich belohnt werden. Bringst du
ihn nicht, wirst du geköpft werden.«

Der Goldschmied verließ den König voller Verzweif-


lung. Er wußte, daß sein Leben verwirkt war, denn wo
war ein Mensch, der einen solchen Ring herstellen
konnte?

Als er über den Platz vor dem Palast schritt, be-


merkte der kleine Salomo, der dort spielte, seinen
Kummer und fragte ihn, was ihn so bedrücke. Der

385


Goldschmied erzählte ihm von der wahnsinnigen For-
derung des Königs.

Da lachte das Kind und sagte: »Mache ihm einen ein-


fachen Zinnring und gravierte darein >Gam ze iavoh< —
auch dies wird vorübergehen«. Mehr braucht es nicht.
In dunklen Stunden wird der König die Worte lesen
und darin Trost finden. In Freude werden sie ihn daran
erinnern, daß alles in dieser Welt vergänglich ist.

Der Goldschmied fertigte den Ring an und wurde


reich belohnt.

Es gehört zu den Schönheiten der Luther-Bibelüber-


setzung, daß es so oft heißt: »Und es begab sich.« Was
Sie heute bedrückt, wird morgen vorbei sein. Beschäf-
tigen Sie sich nicht so sehr mit Ihren augenblicklichen
Sorgen. Was stimmte Sie heute vor fünf Jahren, am
4. November, traurig? Sie wissen es nicht mehr. So sind
die täglichen Kümmernisse schnell vergessen. Aber ver-
gessen Sie, auch wenn Sie voll Freude sind, nie, daß Sie
den Himmel noch nicht erreicht haben. Alle Freuden
dieser Welt sind zeitlich.

Christen streben nach der himmlischen Heimat, in


der alle Tränen abgewischt sein werden.

5. NOVEMBER



Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem
Herzen. (Matth. 22,37)

Aus der islamischen Überlieferung stammt die fol-


gende Legende von unserem Herrn Jesus:

Eines Tages sah ER eine Gruppe Menschen, die mit


traurigen Gesichtern dastanden. ER fragte sie nach
ihrem Kummer. Sie erzählten, daß sie von einer entsetz-

386


lichen Hölle gehört hätten und nun voller Angst seien,
dorthin zu kommen.

Dann traf ER eine andere Gruppe, auch sie voller


Sorgen. Wieder fragte ER danach und vernahm, daß
etwas anderes sie belastete: Sie hatten vom Himmel ge-
hört und zitterten nun, sie könnten nicht hineinkom-
men.

Schließlich traf ER eine dritte Gruppe: diese Leute


übersprudelten vor Fröhlichkeit. Sie sagten IHM, sie
hätten die Wahrheit gefunden und freuten sich darüber.

Der Herr Jesus sagte: »Diese Menschen sind der


Hölle entronnen und dürfen gewiß sein, in den Himmel
zu kommen.«

Gott verspricht den Gerechten die Belohnung und


ewige Bestrafung den Bösen. Aber die Motivation eines
Christen besteht aus seiner Liebe zum Herrn und seiner
Begeisterung für die Wahrheit. Wenn die Nachfolger
Jesu ganz sicher wüßten, daß dieser Pfad des Lichts zu
ewiger Verdammnis führte und daß der Teufel dagegen
ein herrliches Paradies bereithält, würden sie dennoch
Christus auf seinem Kreuzesweg folgen. Wir dienen
IHM nicht, um in den Himmel zu kommen, sondern aus
Liebe zu IHM.

Madame de Guyon betete: »Herr, gib alles, das du


mir in der nächsten Welt geben möchtest, meinen
Freunden. Alles, was du mir in dieser Welt geben willst,
das schenke meinen Feinden. Mir aber gib DICH
selbst.«

387


6.NOVEMBER

Und er trat in das Schiff. (Matth. 8,23)

Ein alter orientalischer Kaiser saß auf dem Balkon


seines Palastes und beobachtete mit Vergnügen die
vielen Schiffe in der Nähe des Hafens. Jedes war ein
Zeichen der Wohlhabenheit, die unter seinem Regime
herrschte.

Er fragte einen in der Nähe stehenden Priester: »Was


denkst du, wie viele Schiffe kommen und gehen jährlich
in unseren Hafen?« Der Priester antwortete: »Nur
vier.« Das reizte den Zorn des Herrschers. Wagte es
dieser Priester, sich über ihn lustig zu machen?

»Wie kannst du es wagen, mir eine solche Antwort zu


geben? Ich sehe mindestens hundert Schiffe in diesem
Augenblick, und du erlaubst dir zu sagen, es seien nur
vier in einem ganzen Jahr?«

Der Priester gab zurück: »Es ist wie ich sagte: es sind


nur vier Schiffe. Das erste heißt >Wunsch nach
Abenteuer<; das zweite >Wunsch nach Vergnügen<; das
dritte >Verlangen nach Ruhm< und das vierte >Jagd nach
Geld<. Das sind die wirklichen Namen all dieser Schiffe,
wie immer die Inschrift auf ihrem Bug auch lauten mag.
Das sind die einzigen Kräfte, die die Menschen be-
wegen.«

Auf dem kleinen See Genezareth fuhr ein einziges,


kleines Schifflein. Jesus war darein gestiegen. Dieses
Schiff trug einen andern Namen: »Selbstopferung zur
Ehre Gottes«.

Es ist ein einmaliges Schiff. In Markus 4,37—39


wird uns erzählt, daß Jesus einst dem Sturm gebot und
dieser sich auf Seinen Befehl legte. Aber an diesem
Abend war ein noch größeres Wunder geschehen. Die
Wellen waren so hoch, daß »das Schiff voll ward«.

388


Wenn ein Schiff voll Wasser ist, sinkt es; ob der See nun
still ist oder ob es stürmt, das macht überhaupt keinen
Unterschied. Ein Schiff voll Wasser sinkt — aber nicht,
wenn es das Schiff Jesu ist. Es segelt weiter, auch bei
völliger Windstille; es gleitet dahin, wenn auch die
Ruderer träge geworden sind und nicht mehr rudern.

Die Kirche schreitet vorwärts, auch wenn sie bis zum


Rand mit Lästerern gefüllt ist, mit -ismen und Sünden,
die sie vor den Menschen lächerlich machen. Sie gleitet
vorwärts, entgegen allen Gesetzen der Hydrodynamik.
Sie ist das einzige Schiff, das seetüchtig bleibt und auch
noch weitersegelt, selbst wenn es voll Wasser ist, denn es
besitzt die richtige Triebkraft.

Wählen Sie für Ihre Reise das richtige Schiff!

7. NOVEMBER

Darum, ist jemand in Christo, so ist er eine neue
Kreatur. (2. Kor. 15,17)

Heute ist der Tag der Kommunistischen Revolution


in Rußland, des wichtigsten Ereignisses in der politi-
schen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Was
hat sie den Menschenseelen gebracht?

An einem atheistischen Treffen in Moskau zeigte der


Redner den zum Zuhören Verurteilten ein Glas Wässer,
in das er ein Pulver hineinschüttete. Daraufhin wurde
das Wasser zu einem purpurroten Wein. Er erklärte:
»Jesus hatte in Kana ein Pulver in seinem Ärmel ver-
steckt. Die Leute waren zu jener Zeit noch sehr rück-
ständig und glaubten, ER habe ein Wunder vollbracht,
obschon ER ihnen in Wirklichkeit nur ein Zauberkunst-
stück vorgezeigt hatte, so wie ich es euch heute vor-
gemacht habe. Ich kann sogar noch mehr tun als Jesus.

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Ich kann Wein wieder in Wasser verwandeln.«

Er nahm ein anderes Pulver, und der neuerliche


Wandel vollzog sich. »Und nun mache ich wieder
Wein.« Ein drittes Pulver, und wieder hatte er gehalten,
was er versprochen hatte.

Da erhob sich ein Christ und sagte: »Genosse Redner,


du hast uns erstaunt mit deiner Wunderkraft. Nun
möchten wir dich nur noch um etwas anderes bitten.
Würdest du bitte ein klein wenig von dem Wein, den du
gemacht hast, trinken?«

»Es tut mir leid«, war die Antwort, »das Pulver, das


ich in das Wasser geschüttet habe, ist giftig.«

Der Christ sagte: »Das ist eben der Unterschied


zwischen euch Kommunisten und Jesus. Er macht einen
Wein, der die Herzen erfreut und nun schon während
zweitausend Jahren den Menschen den Verstand er-
leuchtet. Auch du hast Wasser in Wein verwandelt, aber
dieser vergiftet unsere Herzen mit Angst und Haß.«

Keine Revolution, die die Herzen der Menschen un-


verändert läßt, kann der Menschheit etwas dauerhaft
Gutes bringen. Die notwendig gebrauchte Revolution
ist die neue Geburt. Sie macht aus den Menschen neue
Kreaturen (Geschöpfe), die Jesus ähnlich sind.

8. NOVEMBER



Wenn ihr betet, so sprecht.. . (Luk. 11,2)

Wir wollen uns das folgende Gebet der frühen christ-


lichen Kirche aneignen. Es wurde von Eusebius ge-
dichtet.

O Gott, schenke, daß ich niemandes Feind sein möge,

sondern ein Freund all dessen, das ewig und bleibend

ist;


390

daß ich nie gegen jemanden etwas Böses aushecke,


und wenn mir etwas Böses geschieht, daß ich ver-
schont bleibe, ohne den, der mir Böses tun wollte, zu
verletzen.

Schenke, daß ich nur das Gute liebe, suche und


erlange,

daß ich allen Menschen nur Gutes wünsche und nie-


manden beneide.

Schenke, daß ich nie warte, bis jemand mich tadelt,


wenn ich etwas Falsches gesagt oder getan habe,
sondern daß ich selbst mir Vorwürfe mache, bis ich
mich gebessert habe.
Schenke, daß ich nie einen Sieg erlange,
der mich oder meinen Gegner verletzen könnte.
Gib mir die Gnade, Freunde, die miteinander zer-
stritten sind,
wieder zu versöhnen.

Laß mich allen helfen, die meiner Hilfe bedürfen,


und schenke, daß ich nie einen Freund in Gefahr
verlasse.

Laß mich Achtung vor mir selbst haben,


und laß mich zu diesem Zweck alle meine Triebe
bezähmen,

damit sie keine Verwüstung anrichten.


Bewahre mich davor, zu beurteilen, wer böse sei oder
Böses getan habe;

laß mich vielmehr gute Menschen suchen und in ihren


Fußstapfen wandeln.

391


9. NOVEMBER

Selig sind die Friedfertigen. (Matth. 5,9)

Von den ersten Mönchen in der Wüste von Thebais


wird erzählt, daß Avva Pahone sich im Tal eine Hütte
baute, weil er alt geworden war. Seine frühere Klause
auf dem Hügel überließ er Avva George. Aber schon
bald bereute er dies, denn er sah, wie Hunderte von
Menschen zu Avva George pilgerten, um das Wort von
diesem Heiligen zu hören. Überwältigt von Eifersucht
sandte Pahone einen Jünger zu Avva George mit dem
Befehl, die Klause unverzüglich zu verlassen. Der
Jünger aber sagte zu Avva George: »Vater Pahone hat
mich zu dir geschickt. Er sendet dir seinen Frieden und
bittet dich, für ihn zu beten, denn er wertet deine
Frömmigkeit sehr hoch.«

Als er zurückkam, fragte ihn Pahone: »Hast du ihm


gesagt, was ich dir aufgetragen habe?«

»Ich habe ihm ganz gewiß gesagt, was er verdient.«

Avva George verließ seine Wohnstätte nicht, und die
Leute zogen weiter in Scharen zu ihm hin. Da sandte
Pahone seinen Jünger zum zweitenmal. »Sage diesem
Heuchler, er habe meine Klause augenblicklich zu
verlassen, sonst werde ich ihn mit einem Stock hinaus-
treiben.«

Der Jünger ging und sagte zu Avva George: »Vater


Pahone liebt dich sehr. Er bat mich, dir von seiner Zu-
neigung zu sagen und seinen Segen zu überbringen. Er
betet Tag und Nacht ohne Unterlaß für dich.«

Wieder zurückgekehrt, berichtete er seinem Meister:


»Ich habe ihm alles Notwendige gesagt.« So geschah es
auch zum drittenmal.

Weil Avva George an seinem Platz blieb, zog Pahone


mit einem Stock aus, um ihn hinauszutreiben. Der

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Jünger, der schneller war, rannte ihm auf einem andern
Weg voraus und sagte zu Avva George: »Ich konnte
meinen Meister nicht mehr zurückhalten. Obwohl er
schon so alt ist, steigt er nun den Hügel hinauf, um von
dir gesegnet zu werden.«

Da ging George Pahone entgegen, kniete vor ihm


nieder und sagte: »Ich danke dir für deine vielen
Liebesbotschaften, die du mir durch deinen Jünger hast
zukommen lassen. Ich bin ihrer nicht wert, und erst
recht nicht, daß du nun selbst diesen steilen Hügel
hinaufkommst, um mich zu segnen.«

Da verstand Pahone, wie sein Jünger seine Aufgabe


erfüllt hatte. Er umarmte Avva George und sagte, als er
zu seiner Hütte zurückkehrte, zu seinem Jünger: »Bis
jetzt bin ich dein Meister gewesen, und du warst mein
Jünger. Aber von nun an sollst du mich lehren, denn du
kennst die Wege der Liebe besser als ich.«

10. NOVEMBER



Der Baum des Lebens mitten im Garten. (1. Mose 2,9)

Jeder Baum ist ein Baum des Lebens. Zuerst einmal,


weil er ein natürliches Gehege für die Vögel ist. Was
unser Herr sagte, gilt für jeden Baum: »Die Vögel unter
dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen«
(Matth. 13,32).

Aber nicht nur für die Vögel sind die Bäume da. Die


Dachse graben ihre Bauten in ihren Wurzeln. Hunderte
von Pflanzen, Insekten und Tieren finden Futter und
Schutz in und unter den Zweigen und Verliebte in
seinem Schatten ein geheimes Plätzchen.

In einer Eiche leben mehr als 200 verschiedene


Insekten. Ungezählte Wespen und Läuse finden in den

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Blüten Nahrung; Käfer ernähren sich von der Rinde,
und verschiedenartige Raupen fressen die Blätter. Da
leben die Eichhörnchen und Haselmäuse. Die Eulen
wiederum ernähren sich von den Mäusen und nisten in
den hohlen Stämmen der alten Eichen.

Dann gibt es Efeu, Misteln, Moose, Algen, Flechten


und Farne. Wenn der Baum am Sterben ist, ist er von
Pilzen und Schwämmen aller Art übersät. Die Eiche ist
für jeden und gegen alles gastfreundlich. Die Verliebten
sind willkommen, in ihrem Schatten Zärtlichkeiten aus-
zutauschen. Bäume sind sogar Stätten, an denen Men-
schen mit Engeln zusammentreffen können. Abraham
traf einen Engel, als er im Schatten einer Eiche ruhte. In
Hohelied 7,8 werden Gläubige mit Palmen verglichen.
Sie sind wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen
(Ps. 1,3). Sie haben nicht nur Leben für sich selbst; sie
geben auch vielen andern Lebensmöglichkeiten. Sie sind
Bäume des Lebens für eine Vielzahl von Geschöpfen.

Im Sterben gab ein Baum sein Holz für das Kreuz, an


welchem die Erlösung der Menschheit vollbracht
wurde. Der Baum tat noch einen Dienst, als er schon tot
war. Wir wollen Bäume in Gottes Garten sein.

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