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Stundenprotokoll 12. 05. 2005


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Philipps-Universität Marburg

FB 09: Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien

Sommersemester 2005

HS: Der Filmregisseur Niklaus Schilling

Leitung: Prof. Dr. Karl Prümm

Teilnehmerin: Natalie Beecken


Stundenprotokoll 12.05.2005
Das Seminar beginnt mit der Begrüßung durch Herrn Prümm, der noch einmal darauf hinweist, dass an diesem Tag der erste Film Niklaus Schillings besprochen wird, bei dem nicht für die Kameraarbeit zuständig war, sondern Regie führte. Zudem berichtet er, dass er bei einem Gespräch mit dem Regisseur etwas über die Aufteilung der Kameraarbeit in den früheren Filmen erfahren hat, in denen Schilling zusammen mit Hubs Hagen dafür verantwortlich zeichnete. Hagen sei dabei vorrangig für die Kameraführung an sich und die Bewegungen zuständig gewesen, während Schilling sich vor allem für die Bildgestaltung und die Arbeit mit dem Licht berufen sah. Vor diesem Hintergrund werde auch der Zugang zu Schillings eigenen Filmen deutlich.

Bevor Pia Huneke und Matthias Michel mit dem ersten Referat des Seminars beginnen, schlägt Herr Prümm noch vor, im Laufe des Seminars eine Frageliste für Niklaus Schilling zu erstellen mit allen Fragen, die sich im Laufe der nächsten Wochen ergeben werden, um bei dessen persönlichem Besuch Antworten zu erhalten.


Der zu behandelnde Film dieses Tages ist Nachtschatten, Schillings erster Langfilm von 1971. Die Referenten erklären zunächst, dass sie einzelne Elemente aus dem Film herausgegriffen haben und diese vertieft behandeln werden, eine Gesamtschau des Filmes soll sich dann in der abschließenden Diskussion ergeben.

Das ausführliche Impulspapier der Referenten, welches jedem Seminarteilnehmer ausgeteilt wurde, beinhaltet alle Informationen des Referats zu den angesprochenen Elementen des Films, so dass an dieser Stelle keine Zusammenfassung des Referates folgt.


Den Abschluss des vortragenden Teils haben die Referenten so gestaltet, dass sie auf mögliche Zitate Schillings aus anderen Filmen verweisen. Zu nennen sei hier vorrangig der Film Vampyr (Regie: Carl Theodor Dreyer), in dem es auch ein Verschwimmen von Realität und Wirklichkeit gibt, wie bei Nachtschatten. Auch die Einführung des Films mit der Vorstellung des Handlungsortes, einem freistehenden Haus, ist in beiden Filmen ähnlich.
Noch während des Referates wird zudem im Zusammenhang mit dem Spiel mit Schatten auf den Film Nosferatu hingewiesen, der eine eindeutige Vorlage für die Treppenszene mit Elenas Schatten gewesen zu sein scheint.
Im Anschluss an das Referat dankt Herr Prümm der Gruppe und übernimmt die Moderation der Abschlussdiskussion.

Aus dem Plenum kommt eine Frage zu der Musik im Film. Die Referenten erklären weiterführend zum Thesenpapier, dass ein Thema des Stücks Åses Tod aus Griegs Peer-Gynt-Suite ertönt. Allerdings nicht in der Originalbesetzung sondern in einer Umarbeitung. Das Thema sei damit sozusagen ein „Doppelgänger“ des Originals, genauso, wie Jan Eckmann ein Doppelgänger von Elenas totem Ehemann ist. Es gibt im ganzen Film keine andere Musik als die des Stückes Åses Tod.


Die Musik markiert weiterhin die Grenzüberschreitung zwischen Realität und Traum bzw. dem Tod. Diese wichtige Beobachtung ist eine erste Spur zum melodramatischen Element des Films. Ein Drama mit Musik, das Sprechen tritt zurück und überlässt der Musik die Aufgabe des Ausdrucksträgers.

Zu diesem Element kommen lange Einstellungen dazu, der Film lässt sich viel Zeit, dem physiognomischen Ausdruck wird besondere Beachtung geschenkt.

Aber auch Einstellungen, in denen die Schauspieler der Kamera den Rücken zuwenden, sind wichtig. So sieht Elena zum Beispiel in einer Einstellung aus dem Fenster. Dies scheint wie in ein Blick in eine andere Welt.

Jan dagegen scheint sich eher an Übergängen (Türen) zu finden. Die Frage, die sich hier auftut, ist, ob er am Übergang in eine andere Welt steht bzw. stehen soll.


Ein weiterer Verweis auf Motive des klassischen Melodrams ist die leidende, fast gebrochene Figur der Elena. Dennoch ist das Melodram nicht ausgestaltet. Es wurde in diesem Film auf Kernelemente reduziert, besonders hervorzuheben dabei ist eben die Musik.

Klassisch ist auch die Beziehung zwischen dem Mann und der Frau. Er begehrt sie, sie verwehrt sich ihm zunächst, letztlich gibt sie sich ihm doch hin. Eine Überdeutlichkeit an Zeichen ist aber auch hier nicht zu finden, auch die Requisiten des Films sind in keiner Weise mit Bedeutung überladen.

Die Referenten weisen noch einmal darauf hin, dass es sich nicht um ein typisches Melodram handelt, sondern die Grundelemente dieses Genres würden quasi „vorgezeigt“.
Aus dem Plenum kommt ein weiterer Hinweis zur Musik. Sie rufe Erinnerungen an David Lynchs Twin Peaks wach oder auch The Sixth Sense. Herr Prümm sieht dies als ganz wichtigen Hinweis an, denn bei David Lynch wird durch die Musik eine besondere Sphäre des Filmischen erreicht: die Musik wird zum Geräusch und bezeichnet damit eine andere Welt. In Nachtschatten ist das Vorgehen ähnlich und erzeugt beim heutigen Zuschauer auch Bezüge zu Filmen in der Art, wie sie oben im Abschnitt genannt werden. Die Musik ist also nicht nur ein Mittel zum Spannungsaufbau wie in vielen anderen Filmen, die Funktion geht weit darüber hinaus, indem sie den Film in eine andere Sphäre gleiten lässt.
Diese Musikmotive lassen sich im 19. Jahrhundert in der Romantik finden. Zu nennen ist auch der Film Lost Highway, der die Tradition weiterführt und auch das Motiv des Doppelgängers beinhaltet.

In Nachtschatten ist auch die Instrumentierung von besonderer Bedeutung, die dunkle Tonalität ruft dumpfe Töne hervor. Im Original bei Grieg klingt das Thema nicht so dunkel, die Bearbeitung führt es in diese Richtung. Dennoch werden nur Streicher verwendet, um diese dunkle Stimmung zu erzeugen, keine anderen Instrumente sind zu hören.

Die Musik ist am Anfang des Films auch eher leise, bei Elenas Tod dagegen ist sie raumfüllend. Ihr Auftreten häuft sich auch zum Ende des Films hin.
Herr Prümm erklärt dazu, dass die Musik mit einem Stück Griegs glücklich gewählt ist und geht kurz auf den Bezug zwischen Raum und Musik ein, der in der Vertonung nationaler Geschichten des 19. Jahrhunderts vor allem in den nördlichen Sagen viel Platz eingenommen hat. In diesem Zusammenhang weist er auch auf die Klaviermusik des Komponisten hin, die wirklich hörenswert ist.
Die Diskussion wechselt zu einem weiteren Charakteristikum von Nachtschatten, dem Direktton. Schilling hat ein „Neues Hören geschaffen“ (Grafe), indem er fast den gesamten Film hindurch mit Originalton arbeitete. Direktton ist ein Zeichen von Realismus, den der Film eigentlich auch erfüllt. Allerdings wird dieser Anspruch bei den Dialogen aufgehoben, da das Sprechen der Protagonisten bewusst theatralisiert ist. Vor allem auch die Traum- und die Todesszene sind extrem stilisiert und werden so in einer anderen Welt verortet.

Die einzige Off-Ton-Stelle im gesamten Film ist die Erzählung Elenas über den Tod ihres Mannes, bevor sie stirbt.

Ansonsten zwingen der Originalton und die langen Einstellungen den Zuschauer zum Hinhören, jedes noch so kleine Geräusch wird wahrgenommen. Die Autohupe, das Weinen Elenas und ihr Gang durch die Räume der oberen Stockwerke des Hauses stechen dabei besonders hervor.

Doch auch das Sehen spielt eine große Rolle. In einer Welt, in der Realitätsaspekte keine Geltung mehr besitzen, ist dies auch wichtig.

Bild und Ton wechseln sich also als Bedeutungsträger ab. Teilweise folgt die Kamera den Protagonisten nicht, wenn sie aus dem Bild heraustreten und in solchen Fällen ist der Ton der einzige Hinweis auf das Geschehen.

Im Laufe des Films schärft sich die Wahrnehmung des Zuschauers immer mehr.


Die Art des Sprechens ist besonders zugespitzt, es ist soweit zurückgenommen, dass es an Ausdruck verliert. So wie Elena selbst ein Wesen zwischen der realen Welt und dem Jenseits zu sein scheint, so ist auch ihre Stimme der entkörperlicht. Am Ende ist sie die „Sterbende, die noch mal eine Arie singt“ (Prümm) Diese Arie muss wohl aber gleichzeitig auch schwächer werden. Durch diese Art des Sprechens widerspricht Schilling vollständig den Konventionen des Realismus. Es geht bei ihm um eine konsequente Stilisierung des Sprechens. Diese Form des Sprechens erscheint uns heute als „gekünstelt“ und als „aufgesetzt“. Das Sprechen muss jedoch im Kontext der Zeit gesehen werden. Es ist eine Gegenbewegung zum Übermaß an Emotionalität im konventionellen Kino.
In Gesprächen scheint Elena Jan nicht zu hören und antwortet versetzt auf seine Fragen. Sie scheint auch keine Geräusche wahrzunehmen und völlig abwesend zu sein, gefangen in ihrer eigenen Welt. In diesen Momenten werden auch wieder die Anfänge von Vampyr deutlich.

Mit ihrer Wandlung zur Fröhlichkeit ändert sich dann auch Elenas Sprechweise. Der Prozess des Nacherlebens einer alten Liebe ermöglicht ihr einen Übertritt in die Diesseitigkeit und sie scheint wie ausgewechselt. Jan dagegen ändert sich nicht.

Nach ihrem Zusammenbruch in der Heide jedoch bekommt der Film wieder seine Anfangsstimmung, jetzt aber noch zugespitzter.

Nachtschatten bietet allein auf der auditiven Ebene vielfältige Übergänge zum Phantastischen und in eine Geisterwelt.
Als nächstem größeren Themenschwerpunkt wendet sich die Diskussion der Bildästhetik zu. Durch die vorangegangenen Themen des Unterschiedes zwischen Schattenwelt und Realität hat sich die Diskussion hierhin vorgetastet. Der Einstieg wird über die Fotografie gefunden mit der Frage, wie mit den Bildern umgegangen wird. Der Blick des Zuschauers zwischen Realität und Phantastik soll geschult werden. Die Fotos stehen eigentlich für Realismus, dieser wird hier jedoch völlig umgekehrt durch die Doppelbelichtungen und Schatten auf den Bildern und ins Phantastische gerichtet.
Herr Prümm erklärt, dass in der Behandlung der Fotografie auch ein Bildprogramm von Schilling steckt, nämlich das Bannen mystischer Dinge auf Bilder. Im 19. Jahrhundert gab es den Glauben, auch Nichtwirkliches, „Geisterhaftes“ in der Fotografie abbilden zu können. Und auch Schilling steigert gerade durch den Gebrauch der Polaroid-Fotografie die Geisterhaftigkeit, indem er Elena und Jan auf einem Bild zeigt. Es bleibt jedoch offen, wie dies möglich ist. Ist es eine Doppelbelichtung? Ein Spiegelbild? Es scheint so, als ob ein Geist, ein körperliches Nichtwesen gezeigt wurde. Und dies steigert noch einmal das phantastische Moment des Films.

Auch das Polaroid, auf dem nur Elena zu sehen ist, hat geisterhafte Züge an sich. Sie scheint in der Überbelichtung zu verschwinden. Der Unterschied zu Nosferatu ist allerdings, dass dieser ein transparentes Wesen ist, Elena dagegen nicht. Sie wird nur durch die verwendeten Medien so dargestellt. Herr Prümm verweist noch einmal auf die Romantik, die Tradition des Phantastischen und das Spiel mit Doppelgängern.


Elena wird als Inventar des Hauses gesehen. Ist sie wirklich untrennbar mit dem Raum verbunden? Die Schattenbehandlung ihrer Figur während des Filmes macht dies eigentlich deutlich. Sie hat eine Undeutlichkeit an sich und scheint die Grenze des Todes bereits überschritten zu haben. Von alten Sagen und Geschichten weiß man, dass Geister ein Haus niemals verlassen. Elena schaut oft aus dem Fenster, verlässt das Haus aber nur selten. Und selbst während des Spaziergangs in der Heide schwebt das Bild des Todes über allem in Form ihres Zusammenbruchs. Auffällig an dieser Szene ist auch, dass es keine Schatten gibt.

Elena wirkt immer mystisch und verfremdet. Sie hat etwas von einem Todesengel.


Ein sehr eindrucksvolles Bild ist in der Szene zu finden, in der Jan Elena aus der Heide nach Hause trägt. Der rote Schal um ihren Hals sieht aus wie ein Blutstrom aus einem Vampirfilm, das Leben scheint schon hier aus ihr herauszufließen. Die Farbe Rot kann auch als Verweis auf den Klatschmohn am Grab und auf dem Tisch des Hauses gesehen werden, die Zusammenhänge werden auch durch die Musik hervorgehoben. Die Farbe Rot steht als Verbindungselement zwischen der realen Welt und der Geisterwelt.

Auffällig ist zudem, dass der Tag- und Nacht-Wechsel am Anfang noch sehr deutlich ist, zum Ende des Films dem Zuschauer aber die Orientierung genommen ist und er nicht mehr weiß, in welcher Zeit die Handlung angesiedelt ist.


Zu guter Letzt wendet sich die Diskussion dem Thema „Heimat“ zu. Es wurden Räume beschworen, die die Welt des Phantastischen beinhalten, die Sagen und Mythen des 19. Jahrhunderts, das Werk Theodor Storms. Mit der Heide wurde dabei ein ganz besonderer Ort ausgewählt, der in der Mythologie von Hermann Löns durch Gespenster und Wilderer geprägt ist. Die Räume dieser Mythen erhalten im Film eine Konkretion.

Ein bei Schilling beliebtes Bild sind Wegkreuzungen mit entgegengesetzten Schildern.



Eine handfeste Alltagsebene wird erreicht durch die Darstellung des Heide-Wirtes, in der Einöde freut er sich über einen Gast in seiner ansonsten leeren Wirtschaft. Der Wirt und die Kirchgänger in Nachtschatten sind Laiendarsteller, diese verstärken das Realitätsmoment des Films.
Die Referenten werfen ein, dass der Film nicht als Heimatfilm gesehen werden kann, er spielt in irgendeinem Dorf ohne Namen und eigentlich ist es egal, wann und wo er spielt. Er handelt nicht von Heimat, denn keiner scheint sich dort wohlzufühlen. Es handelt sich eher um eine Nicht-Heimat. Es gibt keine Sicherheit, die Heimat wird als bedrohlich angesehen, es scheint eine Sphäre des Unheimlichen zu sein.
An dieser Stelle endet die Diskussion, da das Ende der Stunde erreicht ist. Herr Prümm dankt Pia Huneke und Matthias Michel für den vorbildlichen Impulspapierauftakt und erinnert noch einmal an den Sichttermin am kommenden Mittwoch. Hiernach schließt er die Stunde.


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