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Ein Essay über den Aussatz


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Noch im selben Kapitel tritt die Reinheit zum sechsten und siebten Mal auf und wieder als Paar: weroahu haKohen wehineh nähpach haNäga leLowan wetihar haKohen äth haNäga Tahor Hu -- "und wer wie sie ist nimmt ihn wahr, und siehe da! verwandelt hat sich im Bezug auf den Sohn die Berührung, und für rein soll wer wie sie ist das Du-Wunder der Berührung erklären, rein ist es!" (Vers 17). Diesmal ist seine Wahrnehmung eine bestimmte, denn weroahu heißt "er nimmt ihn (oder es) wahr". Und wer oder was der oder das Wahrgenommene ist, erfahren wir im Verse zuvor: o chi joschuw haBossar haChaj wenähpach leLowan uwo äl haKohen -- "und gar wenn heimgekehrt ist das lebendige Fleisch und sich verwandelt zum Sohn, so geht er hinein zu dem, der wie sie ist." Äl haKohen, "zum Kohen, zu dem, der wie sie ist", muß auch El haKohen gelesen werden und bedeutet die "göttliche Kraft des Kohen", das ist in der Zahl 111. Auf der Kraft der Einheit des Einen auf allen drei Ebenen von Leib, Seele und Geist, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukünftigem baut der Kohen, und zu ihm, der wie sie ist, die Zewa´oth, geht ein der Sohn, den er wahrnimmt, und rein wird ihm die Berührung, die Kraft des Göttlichen überkommt ihn.

Die vierte und fünfte und die sechste und siebente Reinheit sind als zwei Paare gezeigt, das könnte bedeuten, daß das, was der vierte Tag bringt -- die Begegnung im Rhythmus der Sterne und der "Himmels-Körper", zu welchen auch die Erde gehört -- alle am sechsten Tag erschaffenen Wesen erfüllt und der siebente, der Tag der Um- und der Heimkehr, mit dem fünften zusammen, mit den belebten Welten der Meere und Himmel, den Reigen ergänzt. Das Einzeln-Sein der Reinheit in ihrer dritten Erscheinung ist nur mit dem Bruch zu erklären, der am dritten Tage geschah (siehe dazu an anderen Stellen), und auch beim achten Mal tritt die Reinheit wieder allein auf: we´Em Thachthäjha tha´amod haBahäräth lo fossatho Zaräwäth haSchechin Hi wetiharo haKohen -- "und die Mutter, wenn ihr Unteres der Klarheit standhaltend sich bis zum Einen ausbreitet, die Gestalt der Tochter (die Entbrannte) ist Sie (ist Er), und wer wie sie ist soll für rein ihn erklären" (Vers 23). Weil Bath (2-400), die "Tochter", sich ganz in der 400 befindet und sie so völlig durchdringend schon überschreitet, in ihrer Zahl die doppelte 201, die Wurzel vom "Licht" und vom "Sehen" -- darum ist sie hier mit Ssachjan (genauso wie Schechin geschrieben), dem "Schwimmer", verbunden, der auch in dieser Welt ganz darin ist, "mit allen Vieren", und doch zugleich schon darüber hinaus. Wie ein Fisch im Wasser schwimmend sieht er dennoch die Himmel, beiden Reichen gehört er (dem Unter- und dem Über-Bewußten). Und er nimmt den Zerissenen vorweg, indem er die Eins von der Vier trennt. Er verkörpert auch den gewöhnlichen Menschen, den "Alten Adam", den "kleingläubigen Petrus", im Gegensatze zu dem, der sich schon "mit allen Fünfen" über den Wassern befindet. Und gerade diesen nicht sehr liebenswürdigen Mann liebt die Tochter, denn er ist es, der durch sie hier für rein erklärt wird. Daß "der Mutter Unteres" in der Klarheit Bestand hat und sich bis zum Einen hin breitet, darauf besteht er und will sprichwörtlich dies Eine nur immer -- damit sich die Welt erneuern und die Tochter von der Mutter ablösen kann, um eigenständig in ihrer schönen Gestalt in die Erscheinung zu treten, zunächst "schwimmend", denn das Wasser ist ihre Mutter, doch dann auch „versunken“ im Meere der Liebe, so bezeugt sie den Vater.

Auch in der neunten Reinheit ist die Tochter die gestaltende Kraft: we´Em Thachthäjha tha´amod haBahäräth lo fosstho wa´Or weHi chehoh Se´eth haMichwah Hi wetiharo haKohen ki Zaräwäth haMichwah Hi -- "und die Mutter, wenn ihr Unteres der Klarheit standhaltend sich bis zum Einen im Bewußtsein ausbreitet, und sie verdunkelt, dann ist sie der Brandwunde Vergebung, und wer wie sie ist soll für rein ihn erklären, denn die Gestalt der Tochter, die Brandwunde ist Er (ist Sie)" (Vers 28). Zu Beginn ist die achte mit der neunten Reinheit identisch: "und die Mutter, wenn ihr Unteres der Klarheit standhaltend sich bis zum Einen ausbreitet" -- aber dann kommt in der neunten ba´Or hinzu, "im Erwachen". Wenn der achte Tag der ist, der mit unserem Tode (auch schon zu Lebzeiten) anbricht, dann erwacht erst im neunten in der Reinheit etwas, das mit der "Vergebung und der Wegnahme der Brandwunde" zu tun hat und dem ein anderes vorausging, das im achten nicht anwesend war, nämlich die "Verdunklung" der Mutter. Die achte Reinheit sollte noch völlig ungestört vom Bewußtsein ablaufen -- weswegen dieses im Achten auch so verhängnisvoll ist, im "Land der Verheißung". Denn sowohl die Juden als auch die Christen haben ja bewußt geglaubt, dem "Herrn" zu gefallen und ihm zu dienen, wenn sie die größten Greuel begingen -- die Christen aber noch schlimmer, weil sie aus der Geschichte der Juden nichts lernten. Und dies wird jetzt im Neunten als Bewußtsein gefordert, was scheinbar im Widerspruch steht zu der Schwärze, die wir darin gefunden. Warum muß die Mutter ihren Glanz verlieren, warum muß sie ermatten, nachdem ihr Unteres doch schon der Klarheit Stand halten konnte und sich ausgebreitet hat bis zum Einen -- und dies sogar im Bewußtsein? Die Antwort findet sich in dem, was nach der Verdunklung der Mutter erscheint: der Brandwunde Vergebung und die Gestalt der Tochter darin.

Meine Hypothese ist die: die achte Reinheit ist noch immer verbunden mit dem Reiche der Wasser des Zeitlichen, da die Dreiheit von Sechs-Sieben-Acht unzertrennlich ist -- wie schon aus der Tatsache hervorgeht, daß die Potenz der Sechs mit der Entfaltung der Acht in eins fällt (36=6x6 und 1+2+3+ ... +8=36) -- die neunte Reinheit jedoch ist durch ihre Verbindung mit der Brandwunde ganz und gar feurig. In ihr geschieht die Wandlung im Feuer, die "Feuer-Taufe", an die sich der Mann und die Frau wieder erinnern. Und die Gestalt der Tochter, die zuerst als "Schwimmer" da war und sich schon mit der Hilfe des gewöhnlichen Mannes von der Mutter abgetrennt hatte, muß sich jetzt nochmals von der Mutter abtrennen, denn die Trennung war noch nicht vollständig durchgeführt worden -- im Zeitlichen ja, aber im Wesentlichen bestand noch die Einheit von Mutter und Tochter. Denn der gewöhnliche Mann hatte sein Bild von der Mutter auf die neue Frau, auf die Braut als die Tochter einer anderen Mutter, übertragen und war geworden wie Oidipus einer, er hatte die Mutter zur Gattin genommen und war selbst eins ihrer Kinder. Und darum konnte die Tochter ihm erscheinen als Zaräwäth, das heißt "Ätzend, Versengend", denn er hatte sich an ihr gebrannt, indem er sie in der "Gattin" zur "Besessenen" machte. Als solche erscheint sie nun wieder, und abermals hat er Gelegenheit, sich die Ursache seiner Schmerzen, die er durch sie erlitt, vor Augen zu halten. Zur-Bath ist ja auch die "Angst der Tochter" vor ihm, die "Not und Bedrängnis", in die er sie gebracht hat, als er sein Bild von der Mutter auf sie übertrug. Dies muß hier bewußt gemacht werden, alles das was sich im Untergrund abgespielt hatte, damit die neunte Reinung zur Gebärmutter wird, die etwas wirklich Neues empfangen und austragen kann -- die Frucht der "Feuer-Taufe".

Zuvor aber mußte die "untere Mutter" noch einmal Stand halten, bestehen, weil das Untere bei Mutter und Tochter gleich ist, insofern sie weiblich sind, das heißt ein "Loch" zwischen den Beinen haben und keinen "Zipfel". Der Sohn muß die Kontinuität zwischen Mutter und Tochter erkennen, sein Bild von der "Unbefleckten Mutter" auslöschen und sich bewußt machen, welchen Anblick dieses verlogene Reine verdeckte. Es ist das Bild des blutbefleckten Schooßes der Mutter, das auf den Mann so abstoßend wirkt, weil er darin die Entmannung und den blutenden Schooß des Stiers wieder sieht, den er verstümmelt hat, um ihn zum Ochsen zu machen. Dessen ungesühnte Rache speist seinen "Kastrations-Komplex", der ihm die Liebe zum weiblichen Schooß vollständig und arglos zu erleben verwehrt. Und insoweit ihm dies unbewußt ist und er sich nicht davon befreit hat, kann er die Tochter nicht wirklich von der Mutter ablösen. Dann muß er noch seine heimlichen Lüste, die ihm pervers und bizarr erscheinen mögen, obwohl sie Erinnerung sind -- soweit er sie überhaupt zum Bewußtsein kommen läßt und sie nicht nur in seinem Untergrund toben -- mit einer "Prostituierten" oder sonstwie "Verworfenen" abreagieren, um die Gattin davor zu verschonen, um sie "rein" zu erhalten als Mutter. Diese Spaltung der Frau in die Gattin und Hure ist seine größte "Unreinheit" bisher gewesen, denn der "reine" Anteil, kultiviert in der Gattin, der hat sie in Krankheit und Wahnsinn getrieben, und der "unreine" Anteil, den er einseitig entlud auf die Hure, der hat sie entehrt. So aber kann die Untere Mutter nie in der Klarheit bestehen -- und wie sollte einer, der die Einheit der Mutter in ihrer hellen und dunklen Seite nicht kennt, jemals die Tochter erlösen? Er ist selber gespalten, und solang er dies bleibt, kann er auch nicht den Haß auf die Frauen loswerden, er weiß ja nicht, daß seine heimlichen Lüste, für die er sich schämt, weil sie ihm als perverse erscheinen, erworbene sind und gestaltet aus dem Kontakt mit der Mutter (oder einer Frau aus ihrem Umkreis), die sich an ihm gerächt hat schon bevor sein Bewußtsein erwachte für ihre erlittene Demütigung.

Die Hure hat genauso ihren Anteil an der Not und Einengung der Tochter, in die sie der unverständige Mann gebracht hat. Und der "Hurenbock", der sich unvermeidlich genauso an ihr verbrennt wie der "anständige" Mann, der nur mit seiner Gattin verkehrt, teilt die von ihm angerichtete Spaltung der Frau im eigenen Leben und ist damit der Bewußtwerdung näher als jener, der in der Meinung es richtig zu machen die Natur seiner Frau und der Frau überhaupt nicht erkennt. In seiner Bewußtwerdung "ermattet" die Mutter, sie verliert ihren Glanz für den Sohn, und er kann sich aus ihrer Faszinationskraft befreien gerade dadurch, daß er das "Perverse" einschließt und nicht aus. Chehoh (20-5-5), "Ermatten", ist in der Zahl Dreißig, deren Zeichen, das Lamäd, "Lernen" bedeutet. Und von der Mutter kann Mann nur lernen, wenn Mann auch in ihr die Tochter erkennt und ihre Not sieht und ihre Bedrängnis. Nur dann kann der Sohn ihr verzeihen, weshalb mit dem Erlöschen des Glanzes der Mutter auch die Vergebung der Brandwunde einsetzt, die durch den in unzähligen Varianten immer gleichen Übergriff von einem Stärkeren auf ein Schwächeres entstanden und durch die Generationen und Geschlechter weiter gereicht worden ist wie eine verheerende und versengende Seuche. Unter dem Übergriff verstehe ich hier den Übergriff des Feuers, das im Mann und in der Frau brennt, auf ein Kind, das sich dagegen noch nicht schützen kann. Und zum größten Teil geschieht das nicht bewußt, weil das mißhandelte Kind, wenn es erwachsen geworden, den Schmerz seiner Brandwunde fürchtet und ihn lieber im angstverzerrten Gesicht eines Schwächeren wahrnimmt (und sei es in seinem eigenen!) als ihn bewußt zu erleben und die vermeintliche Reinheit der Mutter zu trüben. Wenn aber ein so genannter "Perverser" seine Perversionen mit einer Hure durchspielt, die darauf freiwillig eingeht, dann ist dies bei Weitem nicht so abscheulich wie wenn er sich an (s)einem Kinde vergreift. Und wenn der Mann -- und dies wird hier von ihm gefordert -- sich Klarheit in Bezug auf seine Mutter verschafft und darin auch die Untere Mutter (ohne die sie ein Torso nur bliebe) bestehen und sich bis zum Einen hin ausbreiten läßt und die Spaltung der Frau überwindet in einem Bewußtseins-Prozeß, in welchem er sich von der Mutter ablöst, dann wird sie für ihn zur Aufhebung der brenneden Wunde, die er durch sie erlitt. Und der Kohen erklärt ihn für rein, weil in seiner Brandwunde sich jetzt nicht mehr nur die Mutter abbildet, sondern durch die Vergebung die verängstigte Tochter hervor tritt, die ihre Beengung nun abwerfen darf und die er ab jetzt auch nicht mehr anklagen muß -- denn wenn er wirklich durch diese Verbrennung hindurch ging, dann ist alle Schuld weggenommen.


Vor diesem Hintergrund hören wir jetzt noch einmal von der zehnten und elften Reinheit, die wieder zusammen auftreten nach den Paaren Eins-Zwei, Vier-Fünf und Sechs-Sieben. Die dritte ist dabei heraus gefallen und steht vereinzelt, diese scheinbare Verfehlung der Reinheit, nachdem sie der Kohen doch schon festgestellt hatte. Und die achte und neunte stehen ebenfalls einzeln, sie sind aber durch die Gestalt der Tochter miteinander verbunden und somit doch ein Paar. Demnach ist das Paar, mit dem wir es jetzt zu tun haben, das fünfte, und nur dadurch, daß die dritte Reinheit auf so mysteriöse Weise allein bleibt, wird mit dem fünften Paar der Übergang von der zehnten zur elften Reinheit erreicht -- so wie mit dem zehnten Kind das elfte schon kommt (Dinah, die einzige Tochter) und der elfte Sohn, der erste der Rachel, dessen Name Jossef bedeutet: "es soll weiter gehen".

Das fünfte Paar kommt, nachdem der Betroffene sich ganz geschoren hat, das heißt, wie wir sahen, auf jede nur erdenkliche Art versucht hat, die Unschuld seiner Kindheit zu retten, was ihm aber auf keine Weise gelang, denn ein Zerrissener ist er, und dies anerkennt er. Gilach (3-30-8), "Rasieren", ist auch als "Enthüllung der Acht" zu verstehen, denn Gal (3-30) ist die in allen Flexionen unveränderte Wurzel von Galah (3-30-5), "Aufdecken, Entblößen, Enthüllen, Offenbaren". Und dasselbe Wort bedeutet auch noch: "in die Verbannung geschickt werden, in das Exil gehen müssen". Das ist dem Sinn nach so viel wie "Ausgesetzt-Werden", und wir wagen es, uns zu erinnern, wie ein erschaffender Gott, der lebendige Geschöpfe hervorrufen und wieder vernichten kann nach Belieben, zu der Erkenntnis gelangt, daß er gar kein Geschöpf vernichten kann, ohne sich selbst zu vernichten -- in seiner Erinnerung leben die untergegangen Welten mit ihren Wesen ja fort, und das Auslöschen auch der Erinnerung käme seiner Selbstzerstörung gleich. Als er wo möglich nur ein einziges Geschöpf oder einen einzigen Moment so sehr bejahte, daß er ihn vor der Vernichtung bewahrte, so mußte er auch alles Übrige mit bejahen, weil es ein Teil davon ist, und damit das Ganze in die Ewigkeit retten. Und wie er nun die Sehnsucht in sich verspürte, daß eines dieser Geschöpfe seine Liebe empfinden und sie erwidern könnte trotz all seiner vernichtenden Kraft -- denn die Liebe der "Götter" mußte er seit seiner Bejahung entbehren, sie haßten ihn nämlich lang noch dafür, daß er ihnen das Vernichten verwehrte – da wollte er die Liebe seines Geschöpfes zu ihm nicht erzwingen, da sie erzwungen keine Liebe sein könnte. So fragen wir uns, wie er diese Liebe zu Stande nun bringt.

Was wir erleben, das ist, wie jener Gott seine Geschöpfe immer wieder bestimmten Bedingungen aussetzt, das heißt sie versucht; und er führt sie in die Versuchung hinein, um zu sehen, ob sie wahrhaftig lieben oder nur des Vorteiles wegen diese Liebe sich und andern einreden -- was ein Franzose so ausgedrückt hat: "die Meisten kennten die Liebe nicht, hätten sie nicht von ihr reden gehört". Unter diesen Verhältnissen sehen wir ein, daß das "Exil", die "Verbannung", der optimale Aufenthaltsort zur Testung der Liebe auf ihre Wahrhaftigkeit ist. Denn einen Gott scheint es dort nicht zu geben, und was da zu sein scheint, das sind nur "Götzen". Und im "Exil" teilen wir auch die Zerissenheit des "Herrn" unter den Göttern, die solange anhält, bis diese zu Menschen geworden ihn anerkennen und er sie heilt.

Das "Exil der Acht", das mit Gilach entblößt wird, unterstreicht es, und im Deutschen ist die Acht ein Synonym für die Ächtung ("Acht und Bann"), die Ächtung ist wie Verbannung. Als "ächt" können wir doch auch nur das anerkennen, was ein Mensch unabhängig von seinem Vorteil vollbringt, innerhalb des Schemas von Vor- und Nachteil ist er bloß ein "Automat" mit voraus berechenbarem Verhalten. Das Spontane ist ihm abhanden gekommen, er ist automatenhaft und unlebendig geworden und insofern nicht ächt, nicht er selbst. Ächt ist ein Mensch auch nur darin, was er unabhängig von der Meinung Anderer ist, was er notfalls sogar dann noch bewahrt, wenn die Meinung Aller gegen ihn ist, wenn er von diesen geächtet wird und verdammt. Und in der Extrem-Situation der unverhohlenen Todes-Bedrohung durch die "Öffentliche Meinung", die aber latent immerzu da ist, wird offenbar, ob der betreffende Mensch ein eigenes "Gewissen" überhaupt hat -- oder ob er es mit dem ihm als Kind zwangsweise implantierten "Gewissen" verwechselt, das in Wahrheit nichts anderes ist als die aufgezwungene Meinung der Anderen, die er für seine eigene hält. Und wenn er den Verbrechen tatenlos zuschaut oder sie mitmacht, nur um seine "Haut" zu retten, sein falsches Bewußtsein, dann wehe ihm! Die Frage nach dem "Gewissen" ist also dieselbe wie die nach dem "Bewußtsein" (im Englischen heißt das Gewissen "Conscience" und "Conscious" Bewußt), und wo einer nicht sein eigenes Gewissen befragt, da hat er kein Bewußtsein, sondern plappert nur die Meinungen anderer nach. Was aber ist das Gewissen? Es ist die Frage, ob es etwas giebt, das gewiß ist, und zwar unabhängig von der Meinung der schwankenden Menge und unabhängig von der Meinung der von den Mächtigen bezahlten Moral-Interpreten, die sich seit der Desavouierung der Priester mit Vorliebe als Ärzte verkleiden und ihre Verhaltensvorschriften medizinisch begründen -- mit derselben Raffinesse, denn so wie die Priester die "religiösen" Tasachen, genauso vernebeln die Ärzte die "sozialen" Umstände.

Wir hören also noch einmal, was gesagt wird am 42. Tag, nachdem sämtliche Pforten verschlossen wurden und nur der Zerrissene durchkam: weroah haKohen äth haNäthäk ba´Jom haSchwi´i wehineh lo fossoh haNäthäk ba´Or uMar´ehu Amok min ha´Or wetihar otho haKohen wechibäss Begodajo wetoher -- "und es nimmt wahr wer wie sie ist das Du-Wunder der Zerreissung am Siebenten Tage, und siehe da! bis zum Einen hin hat sich das Zerrissene ausgedehnt im Erwachen (im Bewußt-Werden, Erblinden), und seine Wahrnehmung ist sein Nichts, die unergründliche Tiefe aus dem Erwachen (aus dem Bewußtsein, Erblinden), und als rein soll wer wie sie ist sein Du-Wunder erklären, und er wäscht seinen Verrat von sich ab, und er wird rein".

An der Parallel-Stelle (in Vers 6) hatte es noch ba´Jom haSchwi´i Schenith geheißen -- "am wiederholt veränderten Siebenten Tage" -- hier aber steht nur noch ba´Jom haSchwi´i -- "am Siebenten Tage" -- so als sei es schlechthin der Siebente Tag, der "Tag meiner Sättigung". Er kann an jedem Wochentag sein und muß nicht mit dem Schabath (unserem Samstag) zusammen fallen, so daß dieser alle Tage durchdringt. Der 42. ist der Tag vor dem Anfang der Siebenten Sieben, der zwar im Bezug auf die Sechs schon die Sieben, doch im Hinblick auf diese die Sechs ist. Und erst nach der innigen und unzerreißbaren Verbindung von Sechs und Sieben in der 42 des Weges (durch die Wüste und die Generationen) kann die siebente Sieben beginnen, ihre Potenz zu entfalten. Der "Herr" hält zwar sein Versprechen, uns durch die Sieben in das Achte zu führen -- indem er jeden Einzelnen von uns satt werden läßt, in der Welt der Sieben zu verweilen, denn die ist ja die Brücke vom Sechsten zum Achten -- aber er bringt uns hinüber, um uns auch das Achte zu nehmen und uns erneut dem Exil auszusetzen. Die Offenbarung der "Gebote" ist am 50. Tage erfolgt, doch waren die Menschen noch so voreingenommen, daß ihre Mißverständnisse schließlich den Verlust des "Gelobten Landes" und die erneute Verbannung bewirkten. Diese aber, das "Exil von Babylon", das bis heute andauert, ist nach dem Achten das Neunte schon und der Weg in das Zehnte, in die erneuerte Eins, die sich in das Elfte ergießt.

Der Weg des Menschen geht vom Sechsten zum Neunten und kann mit den Namen Mizrajim, Midbar, Kena´an und Bawäl bezeichnet werden. Und wir bemerkten bereits, daß Tame als Zustand bisher neun Mal erreicht worden ist (als Wort und Ereignis schon zwölf Mal), Tahor als Zustand dagegen nur sechs Mal (als Wort und Ereignis schon elf Mal). In Tame sind wir schon Bawäl, in Tahor noch Mizrajim, haben also den Weg durch die Wüste noch vor uns, und entscheidend ist es, wie wir ihn jetzt gehen, damit uns Bawäl nicht wieder so verwirrt wie ehedem.

Die Vergangenheit und die Zukunft, worin der Mensch seine Vergangenheit wieder holen muß, um sie zu retten, durchdringen sich so, daß erst im Zehnten die Gegenwart da ist, das Zwillings-Kind, sterblich-unsterblich, die doppelte Fünf. Und in diesem endet der "Mensch", denn er ist nicht der Anfang und das Ende von Allem, vor ihm sind viele Wesen und nach ihm sind wiederum viele Wesen, und all diese zusammen sind erst das Ganze. Es geht also über den Menschen hinaus -- aber der "Über-Mensch" ist keine Kreatur dieser Welt, er ist die Brücke zwischen den Welten. Und hier hat Friedrich Nietzsche geirrt, als er annahm, diesen Über-Mensch hierzulande zu treffen oder ihn kreieren zu können; doch hat er seinen Irrtum korrigiert noch zu Lebzeiten, da er dem geschlagenen Gaul eines Kutschers um den Hals fiel und weinte und danach noch zwölf Jahre in "geistiger Umnachtung" verbrachte.

Hier nun ist im Bereich von Mann und Frau das Zehnte erreicht, das „Ende des Menschen“, um sofort in das Elfte zu münden als Reinheit, die im Achten und Neunten von Zaräwäth, dem "Brandmal", oder der "Gestalt der Tochter", bewirkt war -- und nachdem die „Rasur“ erfolgt ist und alle Pforten geschlossen. Das was sich losgerissen hatte und ausgerissen war aus dem Gefängnis der normalen Beziehung, ja den Zusammenhang mit dem Normalen gänzlich verlor, indem es davon abgedrängt wurde, das ist das Entscheidende jetzt, durch das Alles hindurch muß, um weiter zu kommen -- genauso entscheidend wie das verlorene Schaf, das sich von der Herde abgetrennt hatte (im Gleichnis Jesu, Luk. 15,4-7) oder wie der verlorene Taler, von dem er uns sagt: Ä tis Gynä Drachmas echusa Deka ean apolesä Drachmän Mian, uchi hapteji Lychnon kai saroi tän Oikian kai zäteji epimelos heos hu heurä? Kai heurusa synkaleji ta Philas kai Gejitonas legusa: syncharäte moi, hoti heuron tän Drachmän hän apolesa -- "oder welche Frau, die Zehn Taler hat, wird nicht wenn sie Einen Taler verliert den Leuchter anzünden und fegen das Haus und sorgfältig suchen, bis sie ihn findet? Und findend ruft sie die Freundinnen und die Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir, denn ich habe den Taler gefunden, den ich verlor" (Luk. 15,8-10). Dieser verlorene Taler ist der zehnte der Zehn, der den Zusammenhang mit den übrigen Neun verloren hatte, weil er schon über den Menschen hinaus gedrängt hat, und seine Findung ist die Entdeckung der wirklichen Gegenwart erst.

"Und seine Ansicht ist sein Nichts, die Tiefe aus dem Erwachen". Wer seine eigene Nichtigkeit einsieht, wird auch seines Verlustes gewahr und macht sich auf die Suche nach dem Verlorenen. Und er zündet sein Licht an, und er reinigt sein Haus bis in den letzten der Winkel, um es zu finden, denn er weiß, es muß in diesem Hause, in dieser Welt sein -- und sein Erwachen gewinnt eine Tiefe, die es zuvor noch nicht hatte. Wenn wir uns bewußt sind, daß unsere "Ansichten" auf sinnlichen Eindrücken beruhen, deren Verarbeitung sind, als solche aber nur ein Teil des Erwachens, dann tut es gut, das Nichtige der eigenen Ansicht zu spüren und sie nie zu ernsthaft für das Ganze zu halten. Im Tiefschlaf ist sie nicht da, wir wissen von Nichts und erholen uns von uns selber, und auch im Traum sind wir öfters ganz anderer Ansicht als im Wachbewußtsein, was uns je nachdem erfreut oder erschreckt. Ob wir uns im Erwachen unserer Identität als Erwachte, Träumer und Bewußtlose sicher und gewiß sind oder nicht, ist die Frage. Zur Sicherheit aber gehört es, in jeder sinnlichen Wahrnehmung auch das verschwindende Nichts, das darin ist, zu sehen -- und die Vergänglichkeit ist es, welche die Liebe so kostbar macht und so köstlich, die Einzigartigkeit jedes kleinsten Moments, wo sie da ist, um wieder ins Nichts zu entschwinden und erinnert zu werden.

Daraus ist zu entnehmen, daß die unergründliche Tiefe einen Teil des Bewußtseins ausmacht, und zwar den Teil, aus dem es ersteht und in den es sich jederzeit wieder zurück ziehen kann. Wenn einer bewußtlos ist -- sei es im Tiefschlaf oder in der so genannten Ohnmacht oder in der Bewußtlosigkeit seines Tuns -- dann kannst du ihn nicht durch dein Bewußtsein erreichen, sondern nur durch deine eigene Tiefe. Und wenn du dazu fähig bist, erklärt für rein dich der Kohen, und die Zehn hast du erreicht. Und sofort heißt es dann in wörtlicher Wiederholung von Vers 6: wechibäss Begodajo wetoher -- "und er wäscht seine Kleider und ist rein". Wie dort mit dieser Wendung die zweite nach der ersten Reinheit erschien, so erscheint hier nach der zehnten die elfte, und die Frage stellt sich: warum hätte denn eine einzige Reinheit nicht genügt? Aus ihr spricht der Wunsch nach "einfacher" Wiederherstellung der verlorenen kindlichen Unschuld, der nicht erfüllt wird, genauso wie aus der Frage: warum sind dann die Zehn nicht genug? -- die Ungeduld spricht, der Unmut darüber, daß es immer noch weiter geht.

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