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Ein Essay über den Aussatz


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Bevor er sich aber derart an seinen "Mitknechten" verging, war ihm dasselbe schon angetan worden, er hatte es verinnerlicht und auf sich selbst angewandt. Bei den Synduloi („gemeinsam Dienende, die zusammen förderlich sind“) handelt es sich nicht in erster Linie um äußere Menschen, da wir nicht alle und jederzeit als Oberknecht über Unterknechte gesetzt sind. Doch gilt das im Inneren eines jeden von uns, wo die Synduloi die innere Kräfte verkörpern, die der einsichtige Knecht en Kairo -- "im richtigen Augenblick, im kritischen und günstigen Moment" -- mit der Kraft der Speisung begabt, die einer jeden von ihnen zukommt. So wächst er über sich selber hinaus, und die Begegnung mit den äußeren Menschen und Wesen, die unabdingbar zu dem Energie- und Stoffwechsel des Ganzen gehören, wird zur Quelle der Kraft beider Seiten. Und genauso fremd und zu ehren wie die äußeren Wesen sind ihm die inneren Kräfte, so daß sich der Unterschied aufhebt.

Dem Kakos Dulos jedoch, dem "untauglichen Diener", der Alles bezog auf sein sterbliches Ich, um es auf Kosten der Anderen zu mästen, ist sein Anteil mit den Heuchlern zusammen bestimmt. Als Heuchler bezeichnet Jesus die "Pseudo-Reinen", die den Lustmolch und Wüstling in sich verleugnen. Und wenn sie ihn außerhalb von sich treffen, reagieren sie mit gereizter Wut, die sie moralisch kaschieren, um ihren heimlichen Neid zu verdecken, und sie gefallen sich darin, ihn zu verteufeln. Denn der Wüstling und Lustmolch anerkennt noch einen Herrn über sich, jene nicht mehr. Indem sie ihre "tierischen Triebe" beherrschen, identifizieren sie sich mit dem Herrn und murmeln andauernd "Herr, Herr", meinen jedoch nur sich selbst. Wer die Leidenschaft anerkennt und die Wollust als die Herrin seiner Antriebe, der kann den Anderen nicht wirklich verletzen, wie es der Vergewaltiger macht, denn er hat an der Erniedrigung seiner Opfer keine wohlige Lust. Jenem dienen sie nur zur Abfuhr seiner Rachsucht gegen die Frau. Und seine Rachsucht gilt nicht der Frau, die er vergewaltigt (was er in den Kriegen der Männer massenhaft ausübt), die konkrete Frau sieht er nicht wirklich, sie ist ihm bloß ein Abziehbild der gefürchteten und verhaßten und selber schon geschändeten Mutter, vor deren Anblick ihm graut. Darum muß er die Vergewaltigung immer noch wiederholen, einmal reicht es ihm nicht und auch tausendmal reicht es ihm nicht, das Problem steckt in ihm selber -- und zwar an einer Stelle, die er nicht wahrhaben will. So verletzt er die konkrete Frau immer wieder und bringt sich um das Wunder der Liebe, das nur in der freiwilligen Übereinstimmung der Liebenden da ist. Das ist dem praktizierenden Lustmolch bewußt und geläufig, und darum geht er auch, nach Jesu Auskunft, mit den Huren zusammen den Weg in das Königreich Gottes den Heuchlern voran (siehe Matth. 21,31).

Denn die übel beleumdete Wollust, die Wohl-Lust nur dann ist, wenn Ich und Du sich gegenseitig völlig frei lassen und keinerlei Druck oder Zwang aufeinander ausüben, hat ihm den Weg dorthin gebahnt. Und daß der Hurenbock dem freien Willen der Hure mit einer Belohnung nachhilft, um sein Ziel bei ihr zu erreichen -- selbst wenn das Geld dem eigenen Volke mit Hilfe der Besatzungsmacht abgepreßt wurde, wie es bei den Telonaj der Fall war, den Steuereintreibern, die fälschlich mit „Zöllner“ übersetzt werden und als der männliche Gegenpart der Pornaj an der besagten Stelle genannt sind – das ist in Jesu Augen weit weniger verwerflich als die introvertierte Gewalt der Heuchler, die sich selbst als "Gerechte" hinstellen. Denn diese Heuchler können sich selber nur solange vergewaltigen, bis der Druck groß genug ist, um sich in einer der wiederholten Gewalt-Exzesse der Historie zu entladen, deren Anstifter immer Hypokritai sind, was nicht nur "Heuchler" bedeutet, sondern auch "Deuter", welche die Botschaft des Fleisches entstellen. Unter seiner Schauspielermaske und hinter der Rolle, die ein solcher "Deuter" vorspielt, um beim Publikum in günstigem Licht zu erscheinen, verbarg sich aber schon immer sein Heulen und Zähneknirschen, das nun bloß enthüllt wird.

Das Knirschen der Zähne ist sprichwörtlich dafür, daß etwas nur mit dem äußersten Widerwillen hingenommen wird, wodurch der innere Mensch zum Ausdruck bringt, daß er lieber seine eigenen Zähne zermalmt, als eine Speise zu kauen, die so ekelhaft ist, wie sie ihm der deutende Heuchler anbietet. Und das Geräusch, das dabei entsteht, ist genauso entsetzlich wie das Aufkreischen der vom Heuchler geschundenen Wesen -- zum Beispiel das von männlichen Ferkeln, wenn sie kastriert werden mit dem Messer des Mästers. So schlimm die Bestrafung des Heuchlers auch ist, sie enthüllt nur den Zustand, in dem er sich schon lange befand, was er aber nicht wahrhaben wollte, und Kairos ist sie für ihn, Krisis und Chance. Ungeheuerlich und unglaublich ist aber die Belohnung des getreuen und einsichtigen Knechtes, der das Gesinde zur rechten Zeit mit Nahrung versorgt, denn über Alles, was in der Macht seines "Herrn" steht, wird er eingesetzt. Und so wird er selbst wie der "Herr", der Unterschied zwischen Herr und Knecht ist aufgehoben, und der Mensch ist nun wirklich wie Gott. Denn indem er das Gesinde, die Hausbewohner, über die er vom "Herrn" während dessen Abwesenheit eingesetzt wurde, genau so ernährt wie es der "Herr" getan hätte, ist dieser abwesend nie, der zuverlässige Knecht bewahrt die Erinnerung an Ihn in seinem Bewußtsein, und er handelt genauso wie Er.

Und wer dies nur im Geringsten einsieht und realisiert, der ist schon Gesegnet: Eu, Dule agathe kai piste, epi Oliga äs pistos, epi Pollon se katastäso, ejiselthe ejis tän Charan tu Kyriu su -- "wohl, du Knecht, fromm und treu! was das Geringe betrifft, warst du treu, über das Viele werde ich dich einsetzen, komm herein in die Freude deines Herrn!" (Matth. 25,21) Die Entscheidung der zwei Knechte ist ein innerer Vorgang, der in jedem einzelnen Menschen stattfindet, und wir sollen nicht die äußeren Menschen in Gute und Böse einteilen (in Getreue und Ungetreue, Kluge und Dumme, Reine und Schmutzige Menschen), sondern den Prozeß ihrer Scheidung innerlich stattfinden lassen. Damit wir ihn noch besser verstehen, erzählt Jesus in unmittelbarem Anschluß an das Gleichnis vom Treuen und Üblen Knecht das von den Zehn Jungfrauen, dem wir uns jetzt zuwenden wollen.

Tote homoiothäsetai hä Basileja ton Uranon Deka Parthenois, haitines labusai tas Lampadas heauton exelthon ejis Hypantäsin tu Nymphiu -- "Alsdann ist das Königreich der Himmel Zehn Jungfrauen ähnlich, welche ihre Lampen empfingen und nun in das Entgegenkommen des Bräutigams hinaus gehen" -- Pente de ex auton äsan morai kai Pente phronimoi -- "Fünfe aber von ihnen waren stumpfsinnig und Fünfe einsichtig" -- hai gar Morai labusai tas Lampadas auton uk elabon meth´ heauton Elajon -- "denn die Stumpfsinnigen empfingen zwar ihre Lampen, aber das Öl mit diesen zusammen empfingen sie nicht" -- hai de Phronimoi elabon Elajon en tois Angejiois meta ton Lampadon heauton -- "die Einsichtigen aber empfingen das Öl in ihren Gefäßen mit ihren Lampen zusammen" -- chronizontos de tu Nymphiu enystaxan Pasai kai ekatheudon -- "weil der Bräutigam aber säumte, wurden sie Alle schläfrig und nickten ein" -- Mesäs tu Nyktos Kraugä gegonen: Idu ho Nymphios, exerchesthe ejis Apantäsin autu -- "um Mitternacht aber entstand ein Geschrei: der Bräutigam ist da, kommt heraus in seine Begegnung!" -- tote ägerthäsan Pasai hai Parthenoi ekejinai kai ekosmäsan tas Lampadas heauton -- "so erwachten sie Alle, jene Jungfrauen, und brachten ihre Lampen in Ordnung" -- hai de Morai tais Phronimois ejipan: dote hämin ek tu Elaju hymon, hoti hai Lampadas hämon sbennyntai -- "die Stumpfsinnigen aber zu den Einsichtigen sprachen: gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen erlöschen" -- apekrithäsan de hai Phronimoi legusai: mäpote u mä arkesä hämin kai hymin, poreuesthe mallon pros tus Polluntas kai agorasate heautais -- "da antworteten die Einsichtigen und sagten: niemals! denn es reicht nicht für uns und für euch, geht lieber hin zu den Händlern und kauft euch!" -- aperchomenon de auton agorasai älthen ho Nymphios, kai hai Hetoimoi ejiselthon met´ autu ejis tus Gamus kai eklejisthä hä Thyra -- "während sie aber weggingen, um zu kaufen, da kam der Bräutigam, und die Bereiten gingen mit ihm zusammen in die Hochzeiten hinein, und die Türe wurde geschlossen" -- hysteron de erchontai kai hai loipai Parthenoi legusai: Kyrie Kyrie, anoixon hämin -- "zuletzt aber kamen auch die übrigen Jungfrauen und sagten: Herr, Herr! öffne uns!" -- ho de apokrithejis ejpen: Amän lego hymin, uk oida hymas -- "er aber antwortete ihnen und sprach: wahrhaftig, ich sage euch: ich kenne euch nicht!" (Matth. 25,1-12)

Die fünf "Klugen" Jungfrauen haben sich also nicht sehr "christlich" gegen ihre fünf "Dummen" Doppelgängerinnen benommen, was ihnen aber der "Herr", der hier der "Bräutigam" genannt wird, nicht verübelt, sondern mit einer jeden von ihnen feiert er jetzt unverzüglich die Hochzeit -- denn Gamos, die geschlechtliche Vereinigung, aus der Neues Leben hervorsprießt, steht hier im Plural! Also macht dieses Gleichnis nur für sich genommen überhaupt keinen Sinn (wie alle anderen Gleichnisse auch) -- denn wer sollte der Mann sein, der fünf Jungfrauen gleichzeitig begattet, und wer sollten die fünf anderen Jungfrauen sein, von denen er behauptet, sie gar nicht zu kennen? Das Verständnis für diese Rede Jesu erschließt sich aus dem Schlußsatz, den er dem Gleichnis hinzufügt: grägorejite un, hoti uk oidate tän Hämeran ude tän Horan -- "erwachet also (werdet euch dessen bewußt), daß ihr weder den Tag kennt noch die Stunde" (Matth. 25,13). Damit ist sicherlich der Tag und die Stunde unseres Todes gemeint. Und was für den individuellen Tod jedes einzelnen Menschen Gültigkeit hat, das gilt auch für den kollektiven Tod ganzer Kulturen und Völker und Arten: der Tod ist immer identisch mit dem Kommen des "Herrn", denn erst in seinem Tode begegnet das (kleinere oder größere) sterbliche Wesen wieder ganz dem Wesen des Seins. Als Sterbliche und als Sterbende gleichsam müssen wir die Worte aus dem Mund Jesu anhören, wenn ihr Sinn sich uns erschließen soll. Er selbst war ein Sterbender schon zu der Zeit, da er sie sprach, und auch er kannte den Tag und die Stunde noch nicht genau, war sich aber bewußt, daß er umgebracht werden sollte. Und er entfloh nicht seinen Häschern, sondern sprach freimütig täglich im Tempel, diese ganze Woche hindurch vor seiner Hinrichtung.


Nur Matthäus erzählt uns das Gleichnis von den Zehn Jungfrauen, und er steht unter den Vier Wesen an der Stelle des Menschen, die anderen Drei sind Lukas, der Stier, Markus, der Löwe, und Johannes, der Adler. Und ich wage hier nun eine Deutung im vollen Bewußtsein der Gefährlichkeit von Deutungen, die den Sinn eines Gleichnisses gar zu leicht auch verfehlen. Als Sterbliche haben wir Fünf Sinne, den Tastsinn als die Basis von allen, den die Vier übrigen nur modifizieren: das Hören, das Sehen, das Riechen, das Schmecken -- und die dazu gehörigen Sinnesorgane: die Ohren, die Augen, die Nasen, den Mund und die Haut insgesamt. Und diese Fünf Sinne liegen nun vor uns in doppelter Weise, was uns in der Halbierung im Tode erst vollständig klar wird, aber zu Lebzeiten schon immer mehr, insofern wir bewußt Sterbliche sind und in jedem Moment etwas abstirbt und auflebt in uns. In diesem Sterben fallen jetzt die Sinnes-Eindrücke von uns ab, die zwar zu ihrer Zeit glänzend gewesen sein mögen, aber doch nicht genügend "Öl" in sich fassen konnten -- Schämän auf hebräisch, das in der Zahl 390 dasselbe ist wie Schamajim, die "Himmel" -- um dort hinüber zu kommen. Und das lange Zögern des Bräutigams hat ihre Lampen gerade in dem Moment erlöschen lassen, da er nun endlich kommt! Den zum Erlöschen bestimmten Sinneseindrücken gesellen sich fünf andere hinzu, fünf andere Qualitäten unserer Wahrnehmung gleichsam, die auch auf der anderen Seite noch leuchten, jenseits der Mitternacht, wo die Finsternis des Grabes am dichtesten ist. Weil ihre Lampen Gefäßen gleich sind, und weil die fünf Trägerinnen dieser Gefäße soviel Schämän empfingen, daß ihr Licht mit der Morgenröte verschmilzt, darum sind sie die Fünf wahrhaftigen Bräute.

Wir können sogar sagen, daß ein jeglicher unserer Sinneseindrücke Anteil nimmt an beiden fünf "Jungfrauen", an den einsichtigen und an den stumpfsinnigen, so wie auch jede Nahrung Anteil an beidem enthält, an dem die Lebenskraft erfrischenden Anteil, der resorbiert wird, und an dem unverdaulichen Anteil, der zur Ausscheidung kommt. Und wenn wir den "Bräutigam" hier mit einem Menschen vergleichen, der ißt, dann kann er mit vollem Recht zu dem Ausgeschiedenen sagen -- falls es wieder herein kommen wollte: ich kenne dich nicht. Denn sein Darm hat für ihn das Werk der Analyse vollbracht, und er selbst weiß davon gar nichts. Genauso verhält es sich auch mit dem Getreuen Knecht aus dem vorigen Gleichnis, der da als Zusammenfassung der fünf Einsichtigen steht, deren Lampen noch brennen auch in der zweiten Hälfte der Nacht. Seine Genossen und seine Genossinnen ernährt er nicht darum "zur rechten Zeit", weil er auf die Uhr schaut und sich sagt: "Jetzt muß ich sie füttern" -- sondern der Kairos ist der Augenblick, der immer wieder ganz überraschend geschenkt wird, damit sich die Menschen in ihm stärken, ermutigen und erfrischen -- und nicht dazu, sich noch weiter zu schwächen. Der Treue Knecht sagt sich auch nicht: "Jetzt muß ich ein gutes Werk tun, damit mich mein Herr nachher belohnt" -- denn wenn er so handelt, dann hat er seinen Lohn schon dahin und sich selber betrogen. Er frägt nicht nach dem "Gut- oder Schlecht-Sein" der Kräfte, so selbstvergessen ist er, und nur den "Herrn" hat er im Sinn, das Wesen allen Seins und allen Werdens. Darum erfaßt er den Kairos intuitiv, handelt gänzlich spontan und ist genau so überrascht von seinen Worten und Taten, wie diejenigen, die ein solches Wunder auslösen.

Auf diese Weise ist er längst selber zum "Herrn" geworden, und seine Ähnlichkeit mit ihm kann so weit gehen, daß sie schon zu Lebzeiten gleich sind, wie bei Jesus und allen "Heiligen", die keine verlogenen sind. Und das Kommen des "Herrn", der den "Knecht" über Alles einsetzt, was in seiner Macht steht, bestätigt nur das, was schon im wuchs, genauso wie die Halbierung des Bösen Knechtes nur seinen Zustand beglaubigt. Doch selbst von diesem Halunken kommt nur ein „Anteil“ an den Ort, wo geheult und mit den Zähnen geknirscht wird, um zu bereuen -- was aber ist mit dem Rest? Der ist schon im Vorhinein ganz in die Freude des "Herrn" aufgenommen, denn eine Freude ohne jegliche Bosheit wäre langweilig und so fade wie eine salzlose Suppe.

So ist und wird unser innerster Mensch mit dem "Bräutigam" eins, der ein andauerndes Hochzeitsfest feiert mit seinen Fünf Sinnen. Er selbst ist der Sechste und der Sechste Sinn ist der Sex, nicht nur in seinem direkten Vollzug, worin der Tastsinn sich so wunderbar potenziert, daß er uns einen Vorgeschmack auf die Himmlischen Wonnen bereitet, sondern in seiner Ganzheit, in der Gesamtheit der Libido, der wohligen Lust, die von Libet herkommt, das heißt: "es gefällt, es beliebt". Mihi libet, "es gefällt mir, es beliebt mir", sagt der Lateiner auch für: "Ich will" und "Ich mag", und Libet ist mit Liber verwandt, das heißt "Frei". Die Unfreiheit der Libido kann niemand gefallen, und wenn sich einer daran ergötzt, dann muß er stumpfsinnig sein. Alle Sinne erblühen in dem was ihnen gefällt, das Sehen im Schönen, das Hören in der Musik und im Gesange der Stimmen, das Riechen im Duft, das Schmecken im Kuß, und das Tasten im Spüren. Jungfrauen werden sie darum genannt, weil jeder Sinneseindruck jungfräulich ist und Alles wie zum ersten Mal gesehen wird -- wie mit den Augen der Kinder. Und nichts mehr erschöpft sich dann in Rutine, weil sich diese Jungfräulichkeit immer wieder erneuert, so wie es auch von der Göttin erzählt wird.

Wenn wir aber fragen, was mit den fünf Stumpfsinnigen weiter passiert, die doch auch als Jungfrauen eingeführt wurden und sogar zu Beginn mit den fünf anderen zusammen dem Königreiche der Himmel verglichen, dann haben wir uns Klarheit von dem Sachverhalt zu verschaffen: unsere Sinnesorgane sind derart beschaffen, daß sie in dieser Welt auch Moros -- "Dummes, Albernes und Törichtes", ja sogar "Geschmackloses, Fades" -- aufnehmen müssen und im Gehirn speichern. So sind wir beschaffen, aber das Gehirn gleicht dem Darm, so daß es im Sterben und schon in der allnächtlichen Vorübung desselben, im Schlaf, sich befreit von dem "Dummen", das uns keine Kraft schenkt, sondern als uns unverdaulich zur Ausscheidung kommt. Sämtliche Geistes- und Gemütskrankheiten sind demnach "Verdauungs-Störungen" des Gehirnes, die einen in Richtung Verstopfung und die anderen in Richtung Durchfall. Die einen können die unverdaulichen Eindrücke nicht mehr loswerden oder klammern sich sogar daran, während die anderen umgekehrt nicht einmal die erfrischenden behalten und aufnehmen können.

Aber mit der Ankunft des Bräutigams erlischt das Licht der Stumpfsinnigen und der Blöden, das heißt im Sterben fällt es von uns ab -- und zwar von jedem. Der Unterschied darin, wie das Sterben erlebt wird, ist umso größer, je mehr einer sich schon zu Lebzeiten entweder mit dem Stumpfsinn oder mit der Einsicht abgiebt. Für denjenigen aber, der sich ganz mit dem Stumpfsinn identifiziert hat, ist es wahrlich schlimm, was nun passiert: die närrischen Jungfrauen haben sich tatsächlich dazu überreden lassen, das Öl, das ihnen ausging, weil die Fassungskraft ihrer Lampen nur bis Mitternacht reichte, bei den Händlern zu kaufen, die anscheinend auch zu einer solchen Stunde noch ihre Geschäfte betreiben. Das sind die Seelen-Händler, die selbst mit dem Tode noch schachern und mit ihren Spekulationen vom Jenseits fette Profite von den Dummen einstreichen. Das sei eben das Pech der Dummen gewesen, warum fallen sie auch auf so was herein? -- so könnten wir sagen. Aber wenn die Fünf Stumpfen Jungfrauen, die auf die Hochzeit gar nicht so scharf gewesen sein können, wirkliche Menschen wären, dann wäre das zynisch. Weil dem aber nicht so ist, sondern weil die Fünf Stumpfen den Teil unserer Wahrnehmung repräsentieren, der mit dem Tod von uns abfällt, darum sollten wir uns rechtzeitig schon um sie kümmern, denn sie haben zu tun mit den käuflichen Dingen. Wenn wir über genügend Geld verfügen, um uns Alles zu kaufen, dann stumpft in uns der Sinn der Wertschätzung ab für die Dinge, die nur geschenkt werden können. Und insbesondere der Illusion, auch das Jenseits sei käuflich, was bedeuten würde die Hüter der Schwellen seien bestechlich, es gäbe eine erlernbare Methode, eine heilige Formel, sie zu bezwingen, sollten wir uns entledigen, bevor sie es uns tun.

Denn es gilt uns auch die Rede Jesu, die bei Markus seine letzte ist vor der Festnahme und der Hinrichtung: Blepete, agrypnejite, uk oidate gar pote ho Kairos estin -- "Sehet! Seid wachsam! denn ihr wißt nicht (ihr könnt nur wissen im Bezug auf das Eine), wann der Kairos da ist, der entscheidende Zeitpunkt!" (Mark. 13,33). Hier ist der Kairos mit dem Tod in Eines zusammen gefallen und kann so wie dieser jederzeit da sein -- genauso unberechenbar kommt er, doch für den Erwachten im Voraus zu spüren. Bereit ist er dann, das Geschenk der Hochzeit, die da kein Handel mehr ist, bei dem der Mann und die Frau zur Ware verkommen, anzunehmen in jedem Moment, in dem es geschenkt wird und die Türe für alle die Blöden verschlossen. Und Jesus fährt fort: Hos Anthropos apodämos aphejis tän Oikian autu kai dus tois Dulois autu tän Exusian hekasto to Ergon autu kai to Thyroro enetejilato hina grägorä -- "gleich wie ein Mensch, der außer Landes geht, sein Haus zurückläßt und seinen Knechten die Macht giebt, einem jeden sein Werk, und dem Türhüter befiehlt er zu wachen" -- grägorejite un, uk oidate gar pote ho Kyrios täs Oikia erchetai, ä Opsä ä Mesonyktion ä Alektorophonias ä Proi -- "seid also wachsam, denn ihr wißt nicht, wann der Herr des Hauses zurückkommt, ob am Abend oder um Mitternacht oder beim Hahnenschrei oder in der Frühe" -- mä elthon exaiphnäs heurä hymas katheudontas -- "damit er, kommend plötzlich, nicht findet euch schlafend" -- hoti hymin lego Pasi lego -- "was ich euch sage, das sage ich Jedem" -- grägorejite -- "seid wachsam!" (Mark. 13,34-37).

Als Sterbliche können wir nicht alle Zeit wachen, wie es von Gott gesagt und auch dem Türhüter befohlen wird, der die Instanz in uns ist, die wie der Darm die Nahrung des Leibes die Nahrung der Seele, die Begegnung mit anderen Wesen, sicht- und unsichtbaren, ohne jemals müde zu werden, trennt in das Aufzunehmende und in das Auszuscheidende -- und zwar unabhängig von unserer Willkür. Wir aber brauchen den Schlaf, um uns von uns selbst zu erholen, so wie wir auch des Todes bedürfen, um uns zu befreien von unseren Schlacken. Also kann der Aufruf: Grägorejite -- "Erwachet! Seid wachsam!" -- nicht heißen, daß wir jetzt kein Auge mehr zudrücken dürften aus Furcht vor dem bestrafenden "Herrn", denn das würde eine Geisteserkrankung nach sich ziehen. Und alle Zehn Jungfrauen sind eingeschlafen! Dieser Aufruf heißt für uns: "Werdet bewußt! Seid euch bewußt!" -- und zwar wird hier von einem Bewußtsein gesprochen, welches das Kommen des "Herrn", des "Bräutigams" unserer Sinne und unserer Lust, auch im Traume verspürt und selbst in der tiefsten Bewußtlosigkeit noch, im Tiefschlaf, wo diese Hochzeit schon beständig gefeiert wird -- sonst könnten wir auf dieser so schrecklich mißbrauchten und verödeten Erde nicht leben. Und was uns wirklich bewußt ist, das ist dann auch bereit und zur Stelle, wenn wir mitten aus dem Schlaf geweckt werden.

Der Stoffwechsel unseres Gehirnes ist dreigeteilt in Tiefschlaf, Traum und Wachsein, die sich rhythmisch abwechseln, ihre Wellen durchdringen sich und gehen sowohl durch den Tag als auch durch die Nacht. Ein einziger Stoffwechsel ist es und nur gesund, wenn alle drei in einander fließen und melodiös auf einander gestimmt sind, das heißt auch: hörend einander. Wenn das Gehirn erkrankt ist, dann leiden auch alle Organe, weil die Rhythmen und Melodien durch alle Glieder des Leibes hindurch gehen und im Hirn, genauer: im Stammhirn, das wir mit den Reptilien teilen, wieder treffen zusammen. Und dasjenige Organ oder Funktions-System des Leibes, das aus welchen Gründen auch immer nicht genug eigenen Rhythmus mehr hat, um sich den verzerrten Tönen eines verstörten Gehirns zu entziehen, erkrankt dann als erstes. Aber mit dieser Nacht, in welcher der Bräutigam so lange zu kommen versäumt, daß es sogar so aussehen kann, als käme er nie mehr, ist ja die Nacht gemeint vor dem Anbruch der Kommenden Welt, der Welt, die nach der jetzigen kommt. Und tatsächlich ist diese unsere Welt nicht nur die Welt des Siebenten Tages, sie ist bereits die Nacht des Achten Tages, an welchem der "Herr" aufersteht und in der wir so schreckliche Alpträume haben, weil alles Vergangene mitkommen möchte. Unsere Welt ist die erste Hälfte des Achten Tages, denn alle Tage beginnen mit der Sonne Untergang, Issrael (das Nordreich) und Judäa (das Südreich) sind untergegangen -- und die Neugründung des Staates Israel im Jahre 1948 des Herrn kann sich nicht mehr auf ihn berufen. Das Exil von Babylon ist diese Nacht, und der "Herr", das Wesen des Seins und des Werdens, erscheint darin ausgeschaltet beziehungsweise beliebig ersetz- und manipulierbar. Bewußtwerdung und -sein wird von uns gefordert, damit wir uns an die Fünf Klugen Jungfrauen halten und die Fünf Stumpfsinnigen von uns abtun. Die zweite Fünf, welche die Zehn vollständig macht, kommt dann erneuert und frisch von der anderen, der göttlichen Seite zu uns.

Grägorejite -- "erwachet, seid wachsam, werdet bewußt!" -- heißt auf hebräisch Uru (70-6-200-6), und das ist auch Oro zu lesen: "seine Haut, sein Bewußtsein". Die dritte, die abwesende Person ist hier gemeint, und zwar im männlichen Geschlecht, das sowieso nie ganz anwesend ist, was schon aus der unvollständigen Gestalt des Y-Chromosoms gegenüber der Vollständigkeit des X-Chromosomes hervorgeht. Und durch diese Person ist unsere Welt mit dem Jenseits verbunden, wo sie sich teilweise, ja sogar überwiegend noch aufhält bis die Hochzeit statffindet zwischen Jenseits und Diesseits. "Dann feiern das Brautfest Menschen und Götter/ Es feiern die Lebenden all/ Und ausgeglichen ist eine Weile das Schicksal" -- so sagt es der Holder. Wenn wir uns von "seiner Haut" und "seinem Bewußtsein" berühren lassen, dann erwacht etwas in uns, das ein tiefes Gefühl der Freude mit sich bringt. Und die Berührung, die hier noch nicht ganz geheilt ist -- nur das Zerrissene wurde geheilt, in das hinein die Berührung verschwand -- diese Berührung beginnt, sich von Neuem zu regen -- wie von ferne noch, aber schon spürbar. Und wir begreifen langsam, daß ein Bewußtsein ohne Beziehung zur Haut, und das heißt auch ohne Berührung derselben, ein falsches Bewußtsein sein muß, ein "hypnotisiertes".

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