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Ernst Haeckel Natürliche Schöpfungsgeschichte


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Achtzehnter Vortrag.


Stammbaum und Geschichte des Thierreichs.

II. Stammbaum und Geschichte der Wirbelthiere.

(Hierzu Taf. VI und VII.)

{ Siehe Inhaltsverzeichniß .. }

Meine Herren! Unter den natürlichen Hauptgruppen der Organismen, welche wir wegen der Blutsverwandtschaft aller darin vereinigten Arten als Stämme oder Phylen bezeichnen, ist keine einzige von so hervorragender und überwiegender Bedeutung, als der Stamm der Wirbelthiere. Denn nach dem übereinstimmenden Urtheil aller Zoologen ist auch der Mensch ein Glied dieses Stammes, und kann seiner ganzen Organisation und Entwickelung nach unmöglich von den übrigen Wirbelthieren getrennt werden. Wie wir aber aus der individuellen Entwickelungsgeschichte des Menschen schon früher die unbestreitbare Thatsache erkannt haben, daß derselbe in seiner Entwickelung aus dem Ei anfänglich nicht von den übrigen Wirbelthieren, und namentlich den Säugethieren verschieden ist, so müssen wir nothwendig mit Beziehung auf seine paläontologische Entwickelungsgeschichte schließen, daß das Menschengeschlecht sich historisch wirklich aus niederen Wirbelthieren entwickelt hat, und daß dasselbe zunächst von den Säugethieren abstammt. Dieser Umstand allein schon (abgesehen von dem vielseitigen höheren Interesse, das auch in anderer Beziehung die Wirbelthiere vor den übrigen Organismen in Anspruch nehmen) wird es rechtfertigen, daß wir den Stammbaum der Wirbelthiere und dessen Ausdruck, das natürliche System, hier besonders genau untersuchen.

Die Bezeichnung Wirbelthiere (Vertebrata) rührt, wie ich schon im letzten Vortrage erwähnte, von dem großen Lamarck her, welcher zuerst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts unter diesem Namen die vier oberen Thierklassen Linné's zusammenfaßte: die Säugethiere, Vögel, Amphibien und Fische. Die beiden niederen Klassen Linné's, die Insecten und Würmer, stellte Lamarck den Wirbelthieren gegenüber als Wirbellose (Invertebrata, später auch Evertebrata genannt).

Die Eintheilung der Wirbelthiere in die vier genannten Klassen wurde auch von Cuvier und seinen Nachfolgern, und in Folge dessen von vielen Zoologen noch bis auf die Gegenwart festgehalten. Aber schon 1822 erkannte der ausgezeichnete Anatom Blainville aus der vergleichenden Anatomie, und fast gleichzeitig unser großer Embryologe Bär aus der Ontogenie der Wirbelthiere, daß Linné's Klasse der Amphibien eine unnatürliche Vereinigung von zwei ganz verschiedenen Klassen sei. Diese beiden Klassen hatte schon 1820 Merrem als zwei Hauptgruppen der Amphibien unter den Namen Pholidoten und Batrachier getrennt. Die Batrachier, welche heutzutage gewöhnlich als Amphibien (im engeren Sinne!) bezeichnet werden, umfassen die Frösche, Salamander, Kiemenmolche, Cäcilien und die ausgestorbenen Labyrinthodonten. Sie schließen sich in ihrer ganzen Organisation eng an die Fische an. Die Pholodoten oder Reptilien dagegen sind viel näher den Vögeln verwandt. Es gehören dahin die Eidechsen, Schlangen, Krocodile und Schildkröten, und die vielgestaltige Formengruppe der mesolithischen Drachen, Seedrachen, Flugeidechsen u. s. .w

Im Anschluß an diese naturgemäße Scheidung der Amphibien in zwei Klassen theilte man nun den ganzen Stamm der Wirbelthiere in zwei Hauptgruppen. Die erste Hauptgruppe, die Fische und Amphibien, athmen entweder zeitlebens oder doch in der Jugend durch Kiemen, und werden daher als Kiemenwirbelthiere bezeichnet (Branchiata oder Anallontoidia). Die zweite Hauptgruppe dagegen, Reptilien, Vögel, und Säugethiere, athmen zu keiner Zeit ihres Lebens durch Kiemen, sondern ausschließlich durch Lungen, und heißen deshalb auch passend kiemenlose oder Lungenwirbelthiere (Ebranchiata oder Allantoidia). So richtig diese Unterscheidung auch ist, so können wir doch bei derselben nicht stehen bleiben, wenn wir zu einem wahren natürlichen System des Wirbelthierstammes, und zu einem naturgemäßen Verständniß seines Stammbaums gelangen wollen. Vielmehr müssen wir dann, wie ich vor zwei Jahren in meiner generellen Morphologie gezeigt habe, noch drei weitere Wirbelthierklassen unterscheiden, indem wir die bisherige Fischklasse in vier verschiedene Klassen auflösen (Gen. Morph. II. Bd., Taf. VII, S. CXVI-CLX).

Die erste und niederste von diesen Klassen wird durch die Rohrherzen (Leptocardia) oder Schädellosen (Acrania) gebildet, von denen heutzutage nur noch ein einziger Repräsentant lebt, das merkwürdige Lanzetthierchen (Amphioxus lanceolatus). Als zweite Klase schließen sich an diese zunächst die Unpaarnasen (Monorrhina) oder Rundmäuler (Cyclostoma) an, zu denen die Inger (Myxinoiden) und die Lampreten (Petromyzonten) gehören. Die dritte Klasse erst würde die echten Fische (Pisces) bilden und an diese würden sich als vierte Klasse die Lurchfische (Dipneusta) anschließen: Uebergangsformen zu den Amphibien. Durch diese Unterscheidung, welche, wie Sie gleich sehen werden, für die Genealogie der Wirbelthiere sehr wichtig ist, wird die ursprüngliche Vierzahl der Wirbelthierklassen auf das Doppelte gesteigert.

Diese acht Klassen der Wirbelthiere sind aber keineswegs von gleichem genealogischem Werthe. Vielmehr müssen wir dieselben in der Weise, wie es Ihnen bereits die systematische Uebersicht auf S. 393 zeigte, auf die vier verschiedenen Hauptklassen vertheilen. Zunächst können wir die drei höchsten Klassen, die Säugethiere, Vögel und Schleicher als eine natürliche Hauptklasse unter dem Namen der Amnionthiere (Amniota) zusammenfassen. Diesen stellen sich natürgemäß als eine zweite Hauptklasse die Amionlosen (Anamnia) gegenüber, nämlich die drei Klassen der Lurche, Lurchfische und Fische. Die genannten sechs Klassen, sowohl die Amnionlosen als die Amnionthiere, stimmen unter sich in zahlreichen Merkmalen überein, durch welche sie sich von den beiden niedersten Klassen (den Unpaarnasen und Rohrherzen) unterscheiden. Wir können sie daher in der natürlichen Hauptgruppe der Paarnasen (Amphirrhina) vereinigen. Endlich sind diese Paarnasen wiederum viel näher den Rundmäulern oder Unpaarnasen, als den Schädellosen oder Rohrherzen verwandt. Wir können daher mit vollen Rechte die Paarnasen mit den Unpaarnasen in einer obersten Hauptgruppe zusammenstellen und diese als Centralherzen (Pachycardia) oder Schädelthiere (Craniota) der einzigen Klasse der Rohrherzen oder Schädellosen gegenüberstellen. Das systematische Verhältniß dieser Gruppen zu einander wird Ihnen durch folgende Uebersicht klar werden.



{ Tabelle Seite 436 unten }

Auf der niedrigsten Organisationsstufe von allen uns bekannten Wirbelthieren steht der einzige noch lebende Vertreter der ersten Klasse, das Lanzetfischchen oder Lanzetthierchen (Amphioxus lanceolatus). Dieses höchst interessante und wichtige Thierchen, welches über die älteren Wurzeln unsres Stammbaumes ein überraschendes Licht verbreitet, ist offenbar der letzte Mohikaner, der letzte überlebende Repräsentant einer formenreichen niederen Wirbelthierklasse, welche während der Primordialzeit sehr entwickelt war, uns aber leider wegen des Mangels aller festen Skelettheile gar keine versteinerten Reste hinterlassen konnte. Das kleine Lanzetfischchen lebt heut noch weiterverbreitet in verschiedenen Meeren, z. b. in der Ostsee, Nordsee, im Mittelmeere, gewöhnlich auf flachem Strande im Sand vergraben. Der Körper hat, wie der Name sagt, die Gestalt eines schmalen, an beiden Enden zugespitzten, lanzettförmigen Blattes. Erwachsen ist dasselbe etwa zwei Zoll lang, und röthlich schimmernd, halb durchsichtig. Aeußerlich hat das Lanzetthierchen so wenig Aehnlichkeit mit einem Wirbelthier, daß sein erster Entdecker, Pallas, es für eine unvollkommene Nacktschnecke hielt. Beine besitzt es nicht, und ebenso wenig Kopf, Schädel und Gehirn. Das vordere Körperende ist äußerlich von dem hinteren fast nur durch die Mundöffnung zu unterscheiden. Aber dennoch besitzt der Amphioxus in seinem inneren Bau die wichtigsten Merkmale, durch welche sich alle Wirbelthiere von allen Wirbellosen unterscheiden, vor allen den Rückenstrang und das Rückenmark. Der Rückenstrang (Chorda dorsalis) ist ein cylindrischer, vorn und hinten zugespitzter, grader Knorpelstab, welcher die centrale Axe des inneren Skelets, und die Grundlage der Wirbelsäule bildet. Umittelbar über diesem Rückenstrang, auf der Rückenseite desselben, liegt das Rückenmark (Medulla spinalis), ebenfalls ursprünglich ein grader, vorn und hinten zugespitzter, inwendig aber hohler Strang, welcher das Hauptstück und Centrum des Nervensystems bei allen Wirbelthieren bildet (Vergl. oben S. 247, 248). Bei allen Wirbelthieren ohne Ausnahme, auch den Menschen mit inbegriffen, werden diese wichtigsten Körpertheile während der embryonalen Entwickelung aus dem Ei ursprünglich in derselben einfachsten Form angelegt, welche sie beim Amphioxus zeitlebens behalten. Erst später entwickelt sich durch die Auftreibung des vorderen Endes aus dem Rückenmark das Gehirn, und aus dem Rückenstrang der das Gehirn umschließende Schädel. Da bei dem Amphioxus diese beiden wichtigen Organe gar nicht zur Entwickelung gelangen, so können wir die durch ihn vertretenen Thierklasse mit Recht als Schädellose (Acrania) bezeichnen, im Gegensatz zu allen übrigen, den Schädelthieren (Craniota). Gewöhnlich werden die Schädellosen Rohrherzen oder Röhrenherzen (Leptocardia) genannt, weil ein centralisirtes Herz noch fehlt, und das Blut durch die Zusammenziehungen der röhrenförmigen Blutgefäße selbst im Körper umhergetrieben wird. Die Schädelthiere, welche dagegen ein centralisirtes, beutelförmiges Herz besitzen, müßten dann im Gegensatz dazu Beutelherzen oder Centralherzen (Pachycardia) genannt werden.

Offenbar haben sich die Schädelthiere oder Centralherzen erst in späterer Primordialzeit aus Schädellosen oder Rohrherzen, welche dem Amphioxus nahe standen, allmählich entwickelt. Darüber läßt uns die Ontogenie der Schädelthere nicht in Zweifel. Wo stammen nun aber diese Schädellosen selbst her? Auf diese wichtige Frage hat uns, wie ich schon im letzten Vortrage erwähnte, erst die jüngste Zeit eine höchst überraschende Antwort gegenben. Aus den 1867 veröffentlichten Untersuchungen von Kowalewski über die individuelle Entwickelung des Amphioxus und der festsitzenden Seescheiden (Ascidiae) [aus der Klasse der Mantelthiere (Tunicata)] hat sich ergeben, daß die Ontogenie dieser beiden ganz verschiedenen Thierformen in ihrer ersten Jugend merkwürdig übereinstimmt. Die frei umherschwimmenden Larven der Ascidien entwickeln die unzweifelhafte Anlage zum Rückenmark und zum Rückenstrang, und zwar ganz in derselben Weise, wie der Amphioxus. Allerdings bilden sie diese wichtigsten Organe des Wirbelthierkörpers späterhin nicht weiter aus. Vielmehr gehen sie eine rückschreitende Verwandlung ein, setzen sich auf dem Meeresboden fest, und wachsen zu unförmigen Klumpen aus, in denen man kaum noch bei äußerer Betrachtung ein Thier vermuthet. Allein das Rückenmark, als die Anlage des Centralnervensystems, und der Rückenstrang, als die erste Grundlage der Wirbelsäule, sind so wichtige, den Wirbelthieren so ausschließlich eigenthümliche Organe, daß wir daraus sicher auf die wirkliche Blutsverwandtschaft der Wirbelthiere mit den Mantelthieren schließen können. Natürlich wollen wir damit nicht sagen, daß die Wirbelthiere von den Mantelthieren abstammen, sondern nur, daß beide Gruppen aus gemeinsamer Wurzel entsprossen sind, und daß die Mantelthiere von allen Wirbellosen diejenigen sind, welche die nächste Blutsverwandtschaft zu den Wirbelthieren besitzen. Offenbar haben sich während der Primordialzeit die echten Wirbelthiere (und zwar zunächst die Schädellosen) aus einer Würmergruppe fortschreitend entwickelt, aus welcher nach einer anderen rückschreitenden Richtung hin, die degenerirten Mantelthiere hervorgingen.

Aus den Schädellosen oder Rohrherzen hat sich zunächst eine zweite niedere Klasse von Wirbelthieren entwickelt, welche noch tief unter den Fischen steht, und welche in der Gegenwart nur durch die Inger (Myxinoiden) und Lampreten (Petromyzonten) vertreten wird. Auch diese Klasse konnte wegen des Mangels aller festen Körpertheile leider eben so wenig als die Schädellosen versteinerte Reste hinterlassen. Aus ihrer ganzen Organisation und Ontogenie geht aber deutlich hervor, daß sie eine sehr wichtige Mittelstufe zwischen den Schädellosen und den Fischen darstellt, und daß die wenigen noch lebenden Glieder derselben nur die letzten überlebenden Reste von einer gegen Ende der Primordialzeit vermuthlich reich entwickelten Thiergruppe sind. Wegen des kreisrunden, zum Saugen verwendeten Maules, das die Inger und Lampreten besitzen, wird die ganze Klasse gewöhnlich Rundmäuler (Cyclostoma) genannt. Bezeichnender noch ist der Name Unpaarnasen (Monorrhina). Denn alle Cyclostomen besitzen ein einfaches sunpaares Nasenrohr, während bei allen übrigen Wirbelthieren (wieder mit Ausnahme des Amphioxus) die Nase aus zwei paarigen Seitenhälften, einer rechten und linken Nase besteht. Wir konnten deshalb diese letztren (Anamnien und Amnioten) auch als Paarnasen (Amphirrhina) zusammenfassen.

Auch abgesehen von der eigenthümlichen Nasenbildung unterscheiden sich die Unpaarnasen von den Paarnasen noch durch viele andere Eigenthümlichkeiten. So fehlt ihnen namentlich ganz das wichtige sympathische Nervennetz der letzteren. Ebenso wenig besitzen sie die Milz und die Bauchspeicheldrüse der Paarnasen. Von der Schwimmblase und den beiden Beinpaaren, welche bei allen Paarnasen wenigstens in der Anlage vorhanden sind, fehlt den Unpaarnasen (ebenso wie den Schädellosen) noch jede Spur. Es ist daher gewiß ganz gerechtfertigt, wenn wir sowohl die Monorrhinen als die Schädellosen gänzlich von den Fschen trennen, mit denen sie bis jetzt in herkömmlicher, aber irrthümlicher Weise vereinigt waren.

Die erste genauere Kenntniß der Monorrhinen oder Cyclostomen verdanken wir dem großen Berliner Zoologen Johannes Müller, dessen klassisches Werk über die "vergleichende Anatomie der Myxinoiden" die Grundlage unserer neueren Ansichten über den Bau der Wirbelthiere bildet. Er unterschied unter den Cyclostomen zwei verschiedene Gruppen, welche wir den Werth von Unterklassen geben können. Die erste Unterklasse sind die Inger oder Schleimfische (Hyperotreta oder Myxinoida). Sie leben im Meere schmarotzend auf anderen Fischen, in deren Haut sie sich einbohren (Myxine, Bdellostoma). Im Gehörorgan besitzen sie nur einen Ringkanal, und ihr unpaares Nasenrohr durchbohrt den Gaumen. Höher entwickelt ist die zweite Unterklasse, die Lampreten oder Pricken (Hyperoartia oder Petromyzontia). Hierher gehören die allbekannten Flußpricken oder Neunaugen unserer Flüsse (Petromyzon fluviatilis), deren Bekantschaft Sie wohl Alle im marinirten Zustande schon gemacht haben. Im Meere werden dieselben durch die mehrmals größeren Seepricken oder die eigentlichen Lampreten (Petromyzon marinus) vertreten. Bei diesen Unpaarnasen durchbohrt das Nasenrohr den Gaumen nicht, und im Gehörorgan finden sich zwei Ringcanäle.

{ Tabelle Seite 441 }

Alle Wirbelthiere, welche jetzt noch leben, mit Ausnahme der eben betrachteten Monorrhinen und des Amphioxus, gehören zu derjenigen Hauptgruppe, welche wir als Paarnasen (Amphirrhina) bezeichneten. Alle diese Thiere besitzen (trotz der großen Mannichfaltigkeit in ihrer sonstigen Bildung) eine aus zwei paarigen Seitenhälften bestehende Nase, ein sympatisches Nervennetz, drei Ringcanäle im Gehörorgan, ferner eine blasenförmige Ausstülpung des Schlundes, welche sich bei den Fischen zur Schwimmblase, bei den übrigen Paarnasen zur Lunge entwickelt hat. Endlich ist ursprünglich bei allen Paarnasen die Anlage von zwei paar Extremitäten oder Gliedmaßen vorhanden, ein paar Vorderbeine oder Brustflossen, und ein paar Hinterbeine oder Bauchflossen. Allerdings ist bisweilen das eine Beinpaar (z. b. bei den Aalen und Walfischen) oder beide Beinpaare (z. B. bei den Caecilien und Schlangen) verkümmert oder gänzlich verloren gegangen; aber selbst in diesen Fällen ist wenigstens eine Spur ihrer ursprünglichen Anlage in früher Embryonalzeit zu finden, oder es bleiben unnütze Reste derselben als rudimentäre Organe durch das ganze Leben bestehen (Vergl. oben S. 11).

Aus allen diesen wichtigen Anzeichen können wir mit voller Sicherheit schließen, daß sämmtliche Paarnasen von einer einzigen gemeinschaftlichen Stammform abstammen, welche während der Primordialzeit direct oder indirect sich aus den Monorrhinen entwickelt hatte. Diese Stammform muß die eben angeführten Organe, namentlich auch die Anlage zur Schwimmblase und zu zwei Beinpaaren oder Flossenpaaren besessen haben. Von allen jetzt lebenden Paarnasen stehen offenbar die niedersten Formen der Haifische dieser längst ausgestorbenen, unbekannten, hypothetischen Stammform, welche wir als Stammpaarnasen oder Proselachier bezeichnen können, am nächsten (Taf. VI, 11). Wir dürfen daher die Gruppe der Urfische oder Selachier, in deren Rahmen diese Proselachier vermuthlich hineingepaßt haben, als die Stammgruppe nicht allein der Fischklasse, sondern für die ganze Hauptklasse der Paarnasen betrachten.

Die Klasse der Fische (Pisces), mit welcher wir demgemäß die Reihe der Paarnasen beginnen, unterscheidet sich von den übrigen fünf Klassen dieser Reihe vorzüglich dadurch, daß die Schwimmblase niemals zur Lunge entwickelt, vielmehr nur als hydrostatischer Apparat thätig ist. In Uebereinstimmung damit finden wir den Umstand, daß die Nase bei den Fischen durch zwei blinde Gruben vorn auf der Schnautze gebildet wird, welche niemals den Gaumen durchbohren und in die Rachenhöhle münden. Dagegen sind die beiden Nasenhöhlen bei den übrigen fünf Klassen der Paarnasen zu Luftwegen umgebildet, welche den Gaumen durchbohren, und so den Lungen Luft zuführen. Die echten Fische (nach Ausschluß der Dipneusten) sind demnach die einzigen Paarnasen, welche ausschließlich durch Kiemen, und niemals durch Lungen athmen. Sie leben dem entsprechend alle im Wasser und ihre beiden Beinpaare haben die ursprüngliche Form von rudernden Flossen beibehalten.

Die echten Fische werden in drei verschiedene Unterklassen eingetheilt, in die Urfische, Schmelzfische und Knochenfische. Die älteste von diesen, welche die ursprüngliche Form am getreuesten bewahrt hat, ist diejenige der Urfische (Selachii). Davon leben heutzutage noch die Haifische (Squali) und Rochen (Rajae), welche man als Quermäuler (Plagiostomi) zusammenfaßt, sowie die seltsame Fischform der abenteuerlich gestalteten Seekatzen oder Chimären (Holocephali oder Chimaeracei). Aber diese Urfische der Gegenwart, welche in allen Meeren vorkommen, sind nur schwache Reste von der gestaltenreichen und herrschenden Thiergruppe, welche die Selachier in früheren Zeiten der Erdgeschichte, und namentlich während der paläolithischen Zeit bildeten. Leider besitzen alle Urfische ein knorpeliges, niemals vollständig verknöchertes Skelet, welches der Versteinerung nur wenig oder gar nicht fähig ist. Die einzigen harten Körpertheile, welche in fossilem Zustande sich erhalten konnten, sind die Zähne und die Flossenstacheln. Diese finden sich aber in solcher Menge, Formenmannichfaltigkeit und Größe in den älteren Formationen vor, daß wir daraus mit Sicherheit auf eine höchst beträchtliche Entwickelung derselben

{Tabelle Seite 444}

in jener altersgrauen Vorzeit schließen können. Sie finden sich sogar schon in den silurischen Schichten, welche von anderen Wirbelthieren nur schwache Reste von Schmelzfischen (und diese erst in den jüngsten Schichten, im oberen Silur) einschließen. Von den drei Ordnungen der Urfische sind die bei weitem wichtigsten und interessantesten die Haifische, welche wahrscheinlich unter allen lebenden Paarnasen der ursprünglichen Stammform der ganzen Gruppe, den Proselachiern, am nächsten stehen. Aus Paarnasen, welche von echten Haifischen vermuthlich nur wenig verschieden waren, haben sich als drei divergente Linien einerseits die Schmelzfische, andrerseits die Lurchfische, und drittens, als wenig veränderte Stammlinie, die übrigen Selachier entwickelt.

Die Schmelzfische (Ganoides) stehen in anatomischer Beziehung vollständig in der Mitte zwischen den Urfischen einerseits und den Knochenfischen andrerseits. In vielen Merkmalen stimmen sie mit jenen, in vielen anderen mit diesen überein. Wir ziehen daraus den Schluß, daß sie auch genealogisch den Uebergang von den Urfischen zu den Knochenfischen vermittelten. In noch höherem Maaße, als die Urfische, sind auch die Ganoiden heutzutage größtentheils ausgestorben, wogegen sie während der ganzen paläolithischen und mesolithischen Zeit in großer Mannichfaltigkeit und Masse entwickelt waren. Nach der verschiedenen Form der äußeren Hautbedeckung theilt man die Schmelzfische in drei Legionen: Gapanzerte, Eckschuppige und Rundschuppige. Die gepanzerten Schmelzfische (Tabuliferi) sind die ältesten und schließen sich unmittelbar an die Selachier an, aus denen sie entsprungen sind. Fossile Reste von ihnen finden sich, obwohl selten, bereits im oberen Silur vor (Pteraspis ludensis aus den Ludlowschichten). Riesige, gegen 30 Fuß lange Arten derselben, mit mächtigen Knochenplatten gepanzert, finden sich namentlich im devonischen System. Heute aber lebt von dieser Legion nur noch die kleine Ordnung der Störfische (Sturiones), nämlich die Löffelstöre (Spatularides), und die Störe (Accipenserides), zu denen u. A. der Hausen gehört, welcher uns den Fischleim oder die Hausenblase liefert, der Stör und Störlett, deren Eier wir als Caviar verzehren, u. s. w. Aus den gepanzerten Schmelzfischen haben sich wahrscheinlich als zwei divergente Zweige die eckschuppigen und die rundschuppigen entwickelt. Die eckschuppigen Schmelzfische (Rhombiferi), welche man durch ihre viereckigen oder rhombischen Schuppen auf den ersten Blick von allen anderen Fischen unterscheiden kann, sind heutzutage nur noch durch wenige Ueberbleibsel vertreten, nämlich durch den Flösselhecht (Polypterus) in afrikanischen Flüssen (vorzüglich im Nil), und durch den Knochenhecht (Lepidosteus) in amerikanischen Flüssen. Aber während der paläolithischen und der ersten Hälfte der mesolithischen Zeit bildete diese Legion die Hauptmasse der Fische. Weniger formenreich war die dritte Legion, die rundschuppigen Schmelzfische (Cycliferi), welche vorzugsweise während der Devonzeit und Steinkohlenzeit lebten. Jedoch war diese Legion, von der heute nur noch der Kahlhecht (Amia) in nordamerikanischen Flüssen übrig ist, insofern viel wichtiger, als sich aus ihnen die dritte Unterklasse der Fische, die Knochenfische, entwickelten.

Die Knochenfische (Teleostei) bilden in der Gegenwart die Hauptmasse der Fischklasse. Es gehören dahin die allermeisten Seefische, und alle unsere Süßwasserfische, mit Ausnahmen der eben erwähnten Schmelzfische. Wie zahlreiche Versteinerungen deutlich beweisen, ist diese Klasse erst um die Mitte des mesolithischen Zeitalters aus den Schmelzfischen, und zwar aus den rundschuppigen oder Cycliferen entstanden. Die Thrissopiden der Jurazeit (Thrissops, Leptolepis, Tharsis), welche unseren heutigen Häringen am nächsten stehen, sind wahrscheinlich die ältesten von allen Knochenfischen, und unmittelbar aus den rundschuppigen Schmelzfischen, welche der heutigen Amia nahe standen, hervorgegangen. Bei den älteren Knochenfischen, den Physostomen war, ebenso wie bei den Ganoiden, die Schwimmblase noch zeitlebens durch einen bleibenden Luftgang (eine Art Luftröhre) mit dem Schlunde in Verbindung. Das ist auch heute noch bei den zu dieser Gruppe gehörigen Häringen, Lachsen, Karpfen, Welsen, Aalen u. s. w. der Fall. Während der Kreidezeit trat aber bei einigen Physostomen eine Verwachsung, ein Verschluß jenes Luftgangs ein, und dadurch wurde die Schwimmblase völlig von dem Schlunde abgeschnürt. So entstand die zweite Legion der Knochenfische, die der

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