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Ludwig Büchner Kraft und Stoff


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Der Mensch


Der »heilige Geist« ist unsere Vernunft und unser Verstand.

Thomas Münzer


Das Verhältnis von Kraft und Stoff und das Mechanische in den Vorgängen und Bildungen, welche durch das Begegnen beider erzeugt wurden, ist überall dasselbe, mag es in der großen oder der kleinen, mag es in der organischen oder anorganischen Welt spielen. Wie im Makrokosmus, so zeigen sich auch im Mikrokosmus, dem Menschen, dieselben notwendigen und unabänderlichen Gesetze für die Wechselwirkung von Kraft und Stoff. Die allerorten mit denselben Eigenschaften oder Kräften begabten Stoffatome verhalten sich überall gleich, einerlei in welche Verbindung sie eingehen, welche Gestalt sie annehmen. Darum ist auch die Annahme einer sogenannten Lebenskraft, mit der wir uns in einem späteren Artikel näher beschäftigen werden, ein wissenschaftlicher Unsinn. Unter allen Bildungen nun, welche die Wechselwirkung von Kraft und Stoff auf der Erde hervorgebracht, welche die Erde erzeugt hat, ist der Mensch die oberste, die vollkommenste. Darum hat er das Recht und die Macht, auf sich selbst stolz zu sein und über alles zu herrschen, was er zu bezwingen imstande ist. Er hat auch das Recht, sich heute wenigstens als den Mittelpunkt und Gipfel der ihn umgebenden Schöpfung anzusehen und keine höhere Macht über sich anzuerkennen. Er ist das letzte und oberste Glied der irdischen Zeugungsaktes, keine andern Mächte sind ihm bekannt als die der Natur, welche er durch Erkenntnis zu beherrschen und zu zügeln vermag. In dieser Erkenntnis ist der Mensch und Gott zu gleicher Zeit, Mensch, insofern er, selbst ein Teil des Stoffs, von den Gesetzen abhängig ist, welche dem Stoff von Ewigkeit her inhärent sind - Gott, insofern er die Gesetze des Stoffs zu erkennen, zu durchschauen und dadurch zu beherrschen und zu seinen Zwecken zu verwenden vermag. Als das oberste Naturwesen herrscht er über die ganze Reihe der niedriger stehenden Wesen in göttlicher Weise, ohne Widerspruch zu erfahren. So ist jedes menschliche Wesen in Wahrheit ein sogenannter Gottmensch und fühlt in sich die letzte und oberste Summe alles irdischen Daseins. Diese Erkenntnis ist eine ebenso einfache als natürliche und ist zu allen Zeiten von hervorragenden Denkern gelehrt werden. Nichtsdestoweniger war das Abhängigkeitsgefühl oder der unterwürfige Sinn in der Menschennatur von jeher so stark, daß sich der Mensch mehr darin gefiel, seine natürliche Würde abzulegen und sich eingebildeten Gewalten und Dämonen unterzuordnen, als sein angebornes Recht zu behaupten. Am weitesten gedieh diese unnatürliche Abgötterei durch die Verkehrtheit mittelalterlicher Religionsschwärmerei, welche den Menschen als Gattung und als Individuum herabwürdigte, um demgegenüber die Hoheit eines eingebildeten Himmels in desto lebhafterem Glanze erstrahlen zu lassen. Der natürliche und durch keine äußere Wucht ganz zu erstickende gesunde Sinn oder Instinkt der menschlichen Natur indessen bewahrte die Menschheit im ganzen vor den furchtbaren Konsequenzen einer Weltanschauung, welche als der bitterste Feind jeder geistigen und materiellen Kultur angesehen werden muß, und welche derselben dennoch unendlichen Schaden zugefügt hat. Würde jene Weltanschauung wirklich praktisch, so müßte jedes menschliche Streben nach irdischer Vervollkommnung ein Ende haben. Daß es dieses Ende nicht gefunden hat, sondern im Gegenteil von Jahr zu Jahr erstarkt, beweist dafür, daß jener Glaube nur ein äußerlich angenommener war und ist. »In der Praxis«, sagt Feuerbach sehr richtig, »sind alle Menschen Atheisten, sie widerlegen durch die Tat ihren Glauben.« Und an einer andern Stelle: »Sind für den Himmel geboren, so sind wir für die Erde verloren.« Wo sich der Mensch gewöhnt hat, sich als elenden, verdammten Sünder anzusehen, welcher nur durch unablässige Aszetik sich dieser Verdammnis entringen kann, da müssen menschliche Würde und menschlicher Stolz verlorengehen. Wo wir überirdische Wesen für uns sorgen lassen und die Beschäftigung mit irdischen Angelegenheiten für ein Werk des Teufels ansehen, da ist ein menschenwürdiges Dasein eine Unmöglichkeit. »Der leidige Teufel«, sagt Luther, »der Gott und Christo feind ist, der will uns - auf uns selbst und auf unsre Sorgen reißen, daß wir uns selber Gottes Amt (welches ist für uns sorgen und unser Gott sein) unterwinden.« - Unsrer Zeit war es vorbehalten, den praktisch längst entschiedenen Sieg des menschlichen Prinzips über das übermenschliche auch theoretisch und wissenschaftlich zu erringen. Als ein Namen erster Größe leuchtet bei Betrachtung dieser philosophischen Bestrebungen der Ludwig Feuerbachs hervor. Das menschliche Wesen ist für diesen tiefsinnigen Philosophen zugleich das höchste Wesen. »Die Gottheit des Individuums«, ruft er aus, »ist das aufgelöste Geheimnis der Religion, die Negation Gottes die Position des Individuums.« - »Wir sind allzumal vollkommen«, sagt Max Stirner, der bekannte Verfasser des: »Der Einzige und sein Eigentum«, gegenüber denen, welche die Menschen allzumal als Sünder und unwürdig der Gnade des Herrn darzustellen bemüht sind. Mit einem seltenen Aufwand von Wissen und Scharfsinn ist Ludwig Feuerbach gegen die alten Dogmen zu Felde gezogen, um dem Menschen sein natürliches Recht, das im Wust dogmatischer Zänkereien und pfäffischer Ignoranz verlorengegangen schien, zurückzuerobern. Von dem Menschen leitet Feuerbach alles und jedes geistige Besitztum her, und die Wissenschaft vom Menschen, die Anthropologie, ist ihm deswegen Blüte und Summe aller und jeder Wissenschaft und vollkommener Ersatz für Religion und Philosophie. Mit dieser Theorie stimmt die Praxis zusammen, welche uns umgibt. Unsre Zeit mit ihrer großartigen, rastlosen Tätigkeit in allen menschlichen Wissenschaften, Künsten, Gewerben, mit ihren herrlichen Erfindungen, mit ihrem nimmerruhenden Streben, das Leben der Völker und der Einzelnen zu bessern, zu kräftigen, angenehm zu machen und die Erde zu einem bequemen und genußbringenden Aufenthaltsort für den Menschen einzurichten, ist sie nicht die beste Bestätigung der Feuerbachschen Ansichten und die unmittelbarste und kräftigste Widerlegung jenes schleichenden, hohlaugigen Pietismus, der die Menschen vergeblich und immer vergeblich ermahnt, die Erde über dem Himmel zu vergessen? Ja, und zeigt auf der andern Seite nicht zugleich die mit jener Tätigkeit vergesellschaftete maßlose Selbstsucht der Zeit, wie jener Glaube an das Menschliche bereits seine natürliche Grenze überschritten hat und auch die Moral beherrscht?

Es kann Feuerbachs Verdienste nicht schmälern, sondern nur seine Ansicht über die Geschichte seines Gedankens modifizieren, wenn man in früheren religionsphilosophischen Systemen nach Anschauungsweisen sucht, welche der seinigen analog. Von dem chinesischen Religionsstifter Laotse, einem Zeitgenossen des Konfuzius, der also weit in der vorchristlichen Zeitrechnung lebte, weiß man, daß er das höchste Wesen Tao nannte, welches zu deutsch Vernunft heißt, und daß er die Vernunft des Menschen mit der Vernunft des Alls und dem höchsten Wesen identifizierte. So hat Laotse damals schon einen Gott sich vorgestellt, wie ihn Feuerbach erst den auf höheren Standpunkten angekommenen Völkern zuschreibt, wo sie ihren Gott nicht mehr aus sinnlichen, sondern aus gedachten Eigenschaften konstruieren, einen Gott, von dem Feuerbach weiter sagt: »Der vom eigentlichen menschlichen Wesen unterschiedene, anthropomorphismenlose Gott ist nicht anderes, als das Wesen der Vernunft.« - An ähnlichen und deutlichen Aussprüchen und Andeutungen hat es in der Geschichte der Denker niemals gefehlt, und Feuerbachs Verdienst beruht vielleicht hauptsächlich nur in der neuen Form und in der neuen Zeit, sowie in der systematischen und rückhaltlosen Vollendung seines Gedankens. Dieselbe Idee leitete Thomas Münzer, als er seinen Bauern den heiligen Geist als die Versinnlichung menschlicher Vernunft und menschlichen Verstandes auslegte. Die Ansicht von der Göttlichkeit der Menschennatur hat das große Verdienst, daß sie, übereinstimmend mit den Prinzipien der Naturforschung, alles Außer- und Übermenschliche, jede übernatürliche Erkenntnis vollkommen ausschließt und überhaupt alles, was der Mensch weiß, erkennt, tut, in letzter Reihe stets wieder auf diesen selbst zurückbezieht. Es ist dem Menschen nicht möglich, etwas außer sich und außer dem Bereich seiner sinnlichen oder geistigen Umgebung zu erkennen, er weiß alles nur mit Bezug auf sich selbst und seine bestimmten konkreten Zustände.


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