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Ludwig Büchner Kraft und Stoff


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Die Lebenskraft


Vermöchten wir im Ernste zu glauben, daß die Naturgesetze durch das Leben einmal willkürlich umgestoßen werden könnten, so hörte jede Naturforschung wie jede Seelenforschung auf.

Ule
Unter jene mystischen und die Klarheit naturphilosophischer Anschauung verwirrenden Begriffe, welche eine an Naturerkenntnis schwache Zeit ausgedacht hat, und welche von der neueren exakten Naturforschung über Bord geworfen worden sind, gehört vor allem der Begriff der sogenannten Lebenskraft. Kaum je mag es eine Annahme gegeben haben, welche der Wissenschaft mehr geschadet hat, als die Annahme jener besonderen organischen Kraft, welche als Gegnerin der anorganischen Kräfte (Schwere, Affinität, Licht, Elektrizität, Magnetismus) auftreten und für die lebenden Wesen natürliche Ausnahmsgesetze begründen sollte, nach denen es diesen möglich werden sollte, sich dem Einfluß und dem Wirken der allgemeinen Naturgesetze zu entziehen, ein Gesetz für sich zu bilden, einen Staat im Staate darzustellen. Wäre die Wissenschaft genötigt, eine solche Annahme anzuerkennen, so fiele damit auch unser Satz von der Allgemeinheit der Naturgesetze und von der Unveränderlichkeit der mechanischen Weltordnung; wir müßten zugeben, daß eine höhere Hand in den Gang des Natürlichen hineingreift und Ausnahmsgesetze schafft, welche sich jeder Berechnung entziehen; es wäre einen Riß in den natürlichen Bau der Welt gemacht, die Wissenschaft müßte an sich selbst verzweifeln, und es hörte, wie Ule sehr richtig bemerkt, jede Natur - wie Seelenforschung auf. Glücklicherweise hat die Wissenschaft, anstatt sich in dieser Frage vor dem unvernünftigen Andrängen der Dynamisten zurückziehen zu müssen, überall über dieselben den glänzendsten Sieg davongetragen und hat in den jüngsten Zeiten eine Masse so eklatanter Tatsachen gehäuft, daß der Begriff der »Lebenskraft« jetzt nur noch an den Grenzen der exakten Naturforschung wie ein körperloser Schatten umgeht und in den Köpfen derjenigen spukt, welche hinter der Wissenschaft zurück sind. Alle diejenigen, welche sich näher mit einem Zweige der Naturwissenschaften beschäftigen, der das Gebiet der organischen Welt berührt, sind heute beinahe einstimmig in ihrem Urteile über die Lebenskraft, und selbst das Wort ist wissenschaftlich so unangenehm geworden, daß es jederzeit absichtlich gemieden wird. Wie könnte es auch anders sein! Es kann ja kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß das Leben keinen Ausnahmsgesetzen gehorcht, daß es sich nicht dem Einfluß der anorganischen Kräfte entzieht, sondern daß es im Gegenteil nichts weiter ist, als das Produkt eines Zusammenwirkens dieser Kräfte selbst. Vor allen Dingen war die Chemie imstande, es über jeden Zweifel hinaus zu konstatieren, daß die stofflichen Grundelemente in der anorganischen und organischen Welt überall vollkommen dieselben sind, daß also beide Welten ganz aus den nämlichen Elementen bestehen, und daß das Leben in seiner materiellen Grundlage auch kein einziges Stoffatom aufzuweisen vermag, welches nicht auch in der anorganischen Welt ebenso vorhanden und im Kreislaufe des Stoffwechsels wirksam wäre. Die Chemie war imstande, die organischen Körper oder stofflichen Zusammensetzungen ganz in derselben Weise in ihre Grundelemente zu zerlegen, diese einzeln daraus darzustellen, wie sie dieses bei den nichtorganischen Körpern getan hat. Jener sogenannte Urschleim, aus dem man früher alle organischen Wesen glaubte entstehen lassen zu müssen, ist ein vollkommner chemischer Unsinn und nicht existierend. - Schon diese eine Tatsache hätte hinreichen können, jeden Gedanken an eine besondere Lebenskraft aus der Wissenschaft zu verbannen. Wir haben gesehen, daß Kräfte nichts anderes sind als Eigenschaften der Stoffe, und daß jedes kleinste Teilchen oder Atom eines bestimmten stofflichen Grundelementes mit solchen Kräften oder Eigenschaften in unveränderlicher und untrennbarer Weise verbunden ist. Darnach kann auch ein solches Atom, ganz einerlei, wo es sich befindet, in welche Verbindung es eintritt, welche bestimmte Rolle es spielt, ob es in der organischen oder anorganischen Natur weilt, doch überall und unter allen Umständen immer nur dasselbe tun, dieselben Kräfte entfalten, dieselben Wirkungen hervorbringen. Die Qualitäten der Atome sind, wie man dies mehr wissenschaftlich ausgedrückt hat, unvernichtbar. Da nun die tägliche Erfahrung gelehrt hat, daß alle Organismen aus denselben Atomen bestehen wie die anorganische Welt, nur in anderen Gruppierungen, so kann es auch keine besonderen organischen Kräfte, keine Lebenskraft geben. Das ganze organische Leben, setzt Mulder richtig auseinander, erklärt sich aus der Wirkung der sogenannten Molekularkräfte. Es ist Gesetz, daß nichts in die Natur gebracht, sondern alles aus ihr herausgefunden werden muß. Mulder vergleicht sehr gut die Annahme einer Lebenskraft mit der Annahme, als ob bei einer von Tausenden gelieferten Schlacht eine einzige Kraft tätig wäre, durch welche Kanonen abbrennen, Säbel dreinschlagen usw., während dieser Gesamteffekt doch nicht Folge einer einzigen Kraft, einer »Schlachtkraft« ist, sondern nur Gesamtsumme der unzähligen Kräfte und Kombinationen, welche bei einem solchen Vorgange tätig sind. Die Lebenskraft ist deswegen kein Prinzip, sondern nur ein Resultat. Wenn nun so schon nach allgemeinen naturphilosophischen Gründen es unmöglich erscheinen muß, daß Ausnahmsgesetze für die organische Welt existieren so erscheint diese Wahrheit noch deutlicher und augenfälliger im einzelnen und an konkreten Verhältnissen. Chemie und Physik waren imstande, die augenfälligsten Beweise dafür zu liefern, daß die bekannten anorganischen Kräfte in der lebenden Natur ganz in derselben Weise tätig sind wie in der toten- und das Wirken dieser Kräfte innerhalb des pflanzlichen oder tierischen Organismus mitunter bis in seine letzten und feinsten Kombinationen zu verfolgen und darzutun. Es ist gegenwärtig allgemein anerkannt, daß die Physiologie oder die Lehre vom Leben ohne Chemie und Physik nicht mehr sein kann, und daß kein physiologischer Vorgang ohne chemische oder physikalische Kräfte möglich ist. »Die Chemie«, sagt Mialhe, »hat unzweifelhaft, entweder als Ursache oder als Wirkung, einen Anteil an der Schöpfung, am Wachstum und am Bestehen aller lebenden Wesen. Die Funktionen der Respiration, der Verdauung, der Assimilation und der Sekretion geschehen nur auf chemischem Wege; die Chemie allein ist imstande, uns die Geheimnisse dieser wichtigen organischen Funktionen zu enthüllen.« Der Sauerstoff, der Wasserstoff, der Kohlenstoff, der Stickstoff gehen auf die mannigfaltigste Weise in die chemischen Verbindungen des Körpers ein und verbinden sich, trennen sich, agieren ganz nach denselben Gesetzen wie außerhalb desselben. Auch selbst zusammengesetzte Körper können sich ebenso verhalten. Das Wasser, welches als der erste und an Menge ungleich größte Bestandteil aller organischen Wesen angesehen werden muß, und ohne welches tierisches und pflanzliches Leben vollkommen unmöglich wäre, durchdringt, erweicht, löst auf, fließt, sinkt nach den Gesetzen der Schwere, verdunstet, schlägt sich nieder, bildet und zersetzt sich innerhalb des Organismus nicht um eines Haares Breite anders als außerhalb desselben. Die unorganischen Stoffe, die Kalksalze, welche es aufgelöst mit sich führt, setzt es in den Knochen der Tiere oder in den Geweben der Pflanzen ab, wo sie dieselbe Festigkeit zeigen wie in der unorganischen Natur. Der Sauerstoff der Luft, welcher in den Lungen mit dem dunklen Venenblute in Berührung tritt, erteilt demselben daselbst dieselbe hellrote Farbe, welche es erlangt, wenn man es in einem Gefäße in Berührung mit der Luft schüttelt. Der im Blute enthaltene Kohlenstoff verbrennt bei dieser Begegnung in derselben Weise zu Kohlensäure wie anderwärts. Den tierischen Magen kann man mit vollkommenem Recht als eine chemische Retorte bezeichnen, in welcher die sich begegnenden Stoffe ganz nach den allgemeinen Gesetzen chemischer Affinität sich zersetzen, verbinden usw. Ein in den Magen eingebrachtes Gift kann durch ein chemisches Gegengift in derselben Weise entkräftet werden, als hätte man diese Prozedur außerhalb desselben vorgenommen; ein krankhafter, in demselben angesammelter Stoff wird durch eingeführte chemische Mittel ebenso neutralisiert und zerstört wie in jedem beliebigen Gefäß. Die chemischen Veränderungen, welche die Nahrungsmittel bei ihrem Aufenthalt im Magen und Darmkanal erleiden, hat man in der jüngsten Zeit meist bis in ihre letzten Einzelheiten hinein kennengelernt und hat des näheren erkannt, auf welche Weise sie sich in die Gewebe und Stoffe des Körpers verwandeln. Ebenso weiß man, daß ihre Grundelemente genau in derselben Menge und auf verschiedenen Wegen aus dem Körper wieder austreten, wie sie in denselben eingetreten sind, teils unverändert, teils in anderer Form und Zusammensetzung. Kein einziges Stoffatom geht auf diesem Wege verloren oder wird ein anderes. Die Verdauung ist ein rein chemischer Akt. Das nämlich wissen wir von der Wirkung der Arzneien; diese ist, wo nicht zugleich mechanische Kräfte mit ins Spiel kommen, stets eine rein chemische. Alle Arzneien, die in den Flüssigkeiten des tierischen Organismus unlöslich sind und daher keine chemischen Aktionen entfalten können, müssen als gänzlich wirkungslos angesehen werden.

Diese Tatsachen ließen sich ins Unendliche vermehren. »Diese Beobachtungen«, sagt Mialhe, »machen begreiflich, daß alle organischen Funktionen mit Hilfe chemischer Prozesse vor sich gehen und daß ein lebendes Wesen als ein chemisches Laboratorium betrachtet werden kann, in dem diejenigen Verrichtungen zustande kommen, die zusammen das Leben ausmachen.« Nicht minder deutlich reden die mechanischen, nach physikalischen Gesetzen bestimmten Vorgänge des lebenden Organismus. Die Blutbewegung ist eine so vollkommen mechanische, wie sie nur gedacht werden kann, und die sie bezweckende anatomische Einrichtung hat die vollkommenste Ähnlichkeit mit den mechanischen Werken der menschlichen Hand. Das Herz ist in derselben Weise mit Klappen und Ventilen versehen wie eine Dampfmaschine, und das Zuschlagen dieser Klappen erzeugt laute hörbare Töne. Die Luft reibt sich beim Einströmen in die Lungen an den Wänden der Luftröhrenäste und erzeugt das sogenannte Atmungsgeräusch. Ihr Ein- und Ausströmen beruht auf rein physikalischen Kräften. Das Aufsteigen des Blutes aus den unteren Körperteilen nach dem Herzen, entgegen den Gesetzen der Schwere, wird nur durch rein mechanische Einrichtungen möglich gemacht. Auf eine mechanische Weise befördert der Darmkanal mit Hilfe wurmförmiger Bewegungen seinen Inhalt nach abwärts; auf mechanische Weise erfolgen alle Muskelaktionen und vollbringen sich die Gehbewegungen bei Menschen und Tieren; der Bau des Auges beruht auf denselben Gesetzen wie die Konstruktion einer Camera obscura, und das Ohr empfängt die Schallwellen gleich jeder andern Höhlung. »In der Wissenschaft«, sagt Krahmer, »herrscht gegenwärtig kein Zweifel mehr über die Unmöglichkeit, irgendeine natürliche Eigenschaft zu bezeichnen, welche nur bei den Körpern der einen oder der andern Art vorkäme. Ebenso weiß man, daß die sogenannten organischen Prozesse keineswegs Selbsttätigkeit genannt werden können, da auch sie, wie die Veränderungen in der anorganischen Welt, nur unter Mitwirkung der Außenwelt und der an sie gebundenen physikalischen Kräfte zustande kommen.« - Daher hat die Physiologie vollkommen recht, wenn sie, wie Schaller sagt, »jetzt vorzugsweise die Tendenz äußert, den Unterschied des Organischen vom Unorganischen als einen durchaus unwesentlichen darzustellen.« Wenn uns bisweilen die Effekte organischer Kombinationen überraschen, wenn sie uns wunderbar, unerklärlich, nicht mit den gewöhnlichen Wirkungen natürlicher Kräfte in Einklang zu bringen scheinen, so liegt dieses Rätselhafte nicht in einer wirklichen Unerklärlichkeit, sondern nur in der unendlichen und bis aufs äußerste komplizierten Stoffkombination, welche in der organischen Welt stattfindet. Wir haben in einem früheren Kapitel gesehen, wie solche komplizierte materielle Grundlagen auch wunderbar scheinende Effekte zu erzielen imstande sind. Diese Kombinationen im einzelnen zu erkennen - dahin geht gegenwärtig das Streben der physiologischen Wissenschaften. Vieles ist dabei geleistet worden, was früher unmöglich schien, und noch mehr wird geleistet werden. Es naht die Zeit, wo, nach Liebigs Ausspruch, mit Hilfe der organischen Chemie der Physiologe imstande sein wird, die Ursachen der für das Auge nicht mehr faßlichen Phänomene zu erforschen. Wollte man aber daraus, daß uns vieles, ja das meiste in diesen Phänomenen zur Zeit noch unerklärlich, ihr innerer Zusammenhang noch unenthüllt, ihre Abhängigkeit von den chemischen und physikalischen Gesetzen in jedem einzelnen Vorgang noch nicht nachgewiesen ist, folgern, es entzögen sich dieselben jenen Gesetzen überhaupt, es wirke in ihnen eine unbekannte, dynamische Kraft, so würde man sich einer wissenschaftlichen Lächerlichkeit schuldig machen. Im Gegenteil haben wir das vollkommenste Recht nicht nur, sondern auch die wissenschaftliche Pflicht, nach den unumstößlichen Gesetzen der Induktion aus dem Bekannten auf das Unbekannte zu schließen und zu sagen: Ein allgemeines Gesetz, welches für einen Teil der organischen Phänomene mit Bestimmtheit nachgewiesen ist, gilt für alle. Erinnern wir uns doch nur an unsere allerjüngsten Erfahrungen und bedenken wir, daß uns erst seit wenigen Jahren eine Menge Vorgänge klar geworden sind, die früher in ihrer Unerklärlichkeit als die wirksamste Stütze für wunderbarliche Lebenskräfte angesehen wurden. Wie lange ist es her, daß man den Chemismus der Respiration oder der Verdauung kennt, oder daß die Vorgänge der Zeugung und Befruchtung aus ihrem mystischen Dunkel herausgetreten sind und als solche erkannt wurden, welche sich den einfachen und mechanischen Vorgängen der anorganischen Welt an die Seite stellen! Der Samen stellte sich nicht mehr als eine belebte und belebenden Dunst ausströmende Flüssigkeit, sondern als eine auf mechanische Weise mit Hilfe sogenannter Samentierchen sich voranbewegende Materie dar, und was man vorher als unerklärliche Wirkung jenes belebenden Dunstes angesehen hatte, löste sich in eine unmittelbare und auf mechanische Weise zustande kommende Berührung von Ei und Samen auf. Wieviele Vorgänge des tierischen Körpers, so die Heraufbeförderung kleiner Stoffteilchen auf Schleimhäuten und nach außen, entgegen dem Gesetze der Schwere, schienen unerklärlich und die Annahme einer Lebenskraft zu rechtfertigen, bis man das interessante Phänomen der sogenannten Flimmerbewegung, eines auf rein mechanischen Prinzipien beruhenden Vorgangs, entdeckte. Welches Licht fiel auf die wunderbaren Vorgänge im Blut seit der Entdeckung der Blutzellen, oder auf die Vorgänge der Absorption und Resorption seit der Entdeckung der Gesetze der End- und Exosmose! Und die allerwunderbarste und am unbegreiflichsten scheinende physiologische Aktion des Tierkörpers, die Nerventätigkeit, beginnt gegenwärtig ein ganz neues Licht durch die Physik zu erhalten, und es wird immer deutlicher, welche hochwichtige Rolle eine unorganische Kraft, die Elektrizität, bei diesen organischen Vorgängen spielt. - Man hat den Chemikern, um ihnen dennoch die Notwendigkeit einer Lebenskraft zu beweisen, entgegengehalten, daß ja die Chemie nicht imstande sei, organische Verbindungen, d.h. jene besonderen Gruppierungen chemischer Grundstoffe in sogenannten ternären oder quaternären Verbindungen, deren Zustandekommen jedesmal ein organisches, mit Leben und Lebenskraft begabtes Wesen voraussetze, darzustellen, und man ließ dabei die komische Unterstellung mit unterfließen, es müsse, wenn keine Lebenskraft existiere und Leben nur Produkt chemischer Prozesse sei, der Chemie auch möglich werden, organische Wesen in ihren Retorten darzustellen - Menschen zu machen. Auch hierauf sind die Chemiker die Antwort nicht schuldig geblieben und haben gezeigt, daß die allgemeine Chemie imstande sei, unmittelbar organische Grundstoffe darzustellen. Sie haben den Traubenzucker und mehrere organische Säuren dargestellt. Sie haben gewisse organische Basen kreiert und haben endlich vor allen Dingen den Harnstoff dargestellt, diesen vorzüglichen organischen Stoff, welchen noch vor kurzem die Ärzte den Chemikern als ein schlagendes Beispiel ihrer Ohnmacht, die Produkte des Organismus nachzuahmen, vorführten (Mialhe). Und wir wissen nicht, wie weit sich diese Fortschritte noch ausdehnen werden, und haben vorläufig kein Recht, an noch so wunderbaren Möglichkeiten zu zweifeln. Nach allem diesem wird es niemandem, der Wert auf Tatsachen legt und die Methode der naturwissenschaftlichen Induktion kennt, zweifelhaft sein können, daß der Begriff einer besonderen organischen Kraft, welche die Phänomene des Lebens selbständig und unabhängig von den allgemeinen Naturgesetzen erzeugt, aus Leben und Wissenschaft vollständig zu verbannen sei - daß die Natur, ihre Stoffe und ihre Kräfte nur ein einziges unteilbares Ganze ohne Grenzen oder Ausnahmen darstellt. Weiter, daß jene strenge Trennung, welche man zwischen »organisch« und »anorganisch« vornehmen wollte, nur eine gewaltsame sein kann, daß nur ein Unterschied zwischen ihnen besteht in bezug auf äußere Form und Gruppierung der stofflichen Atome, nicht aber dem Wesen nach. »Daß die Veränderungen organischer Körper«, sagt Krahmer, »einer Idee der Klasse, Gattung oder Spezies entsprächen, während die anorganischen Körper in ihren Wandlungen einer solchen Beschränkung nicht unterliegen, ist gerade so weit richtig, als der Einzelne Lust hat, es zu glauben. Wenn das Eisenblech in die Form des Nagels gepreßt wird, entspricht es darnach der Idee des Blechs? Nicht vielmehr der des Nagels? Dennoch bleiben Blech und Nagel eisern. Wenn die Puppe zum Schmetterling wird, was geschieht da mehr oder weniger, als wenn das Blech ein Nagel wird?« Die Verschiedenheit zwischen organischen und anorganischen Formen entsteht eben nur dadurch, daß die erste Anordnung der Molekule eine verschiedene ist und damit den Keim jener Formen einschließt. Aber die Bildung des Kristalls zeigt, wie auch in der anorganischen Welt bestimmte Formgesetze bestehen, welche nicht überschritten werden können und sich denen der organischen Welt annähern. »Die Berufung auf die Lebenskraft«, sagt Vogt, »ist nur eine Umschreibung der Unwissenheit. Sie gehört zu der Zahl jener Hintertüren, deren man so manche in den Wissenschaften besitzt und die stets der Zufluchtsort müßiger Geister sein werden, welche sich die Mühe nicht nehmen mögen, etwas ihnen Unbegreifliches zu erforschen, sondern sich begnügen, das scheinbare Wunder anzustaunen.« Die Lehre von der Lebenskraft ist heute eine verlorene Sache. So sehr sich die Mystiker unter den Naturforschern bemühen mögen, diesem Schatten neues Leben einzuhauchen, so kläglich die Metaphysiker gegen die Anmaßung und das immer drohendere Hereinbrechen des physiologischen Materialismus winseln und ihm das Recht absprechen mögen, in philosophischen Dingen mitzureden, so sehr Einzelne auf noch unentdeckte Gebiete und dunkle physiologische Fragen hinweisen mögen - alles dieses kann die Lebenskraft nicht vom baldigen und vollkommenen wissenschaftlichen Untergang retten. Requiescat in pace!
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