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Notizen zu Vorfahren der Ahnenliste der Geschwister Beyer


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6 Rudolf Moser v. Filseck


Über Rudolf Moser von Filseck, auch Udo genannt, und seine Frau Nora (Nori), geb. v. Samson-Himmelstjerna, hat deren Sohn, mein Onkel Karl-Friedrich, dankenswerterweise ausführliche Erinnerungen verfasst, die jedoch mit über 60 Seiten bei weitem den Rahmen meiner Arbeit sprengen würden. So bin ich, wie schon in der vorangegangenen Generation wieder gezwungen, vieles zu kürzen und zusammenzufassen, wohl wissend, dass hierdurch das Bild von unserem von mir sehr verehrten Opapa und unserer heißgeliebten Omama unschärfer und zumindest für den, der sie nicht gekannt hat, kälter wird. Trotz aller Kürzungen genügt aber der durch das Stammbaumprogramm für Notizen gebotene Raum nicht, weshalb ich hier ausnahmsweise die Berichte aus Omamas Zeit vor der Ehe ausgliedere und bei Omama direkt einfüge. - Über die Erinnerungen von Onkel Karl-Friedrich hinaus enthalten natürlich auch Opapas Erinnerungen an seine Eltern - und in geringerem Maße auch die an seine Großmutter - manche Begebenheit aus seinen Kinder- und Jugendtagen.
Rudolf Moser v. Filseck oder - wie ich im folgenden weiter sagen werde - Opapa wurde 1898 in Stuttgart als erstes von später insgesamt drei Kindern seiner Eltern geboren. Sein Vater war zu jener Zeit "Justizreferendär I. Klasse" (Assessor) im damals trotz Reichsgründung noch existierenden württembergischen Außenministerium. Zu jener Zeit gab es für Beamte noch keinen geregelten Urlaub, so dass die Familie in die "Sommerfrische" meist nach Degerloch fuhr, von wo aus Carl, der Vater, zu Fuß ins Ministerium gehen und abends mit der Zahnradbahn zurück kommen konnte. Degerloch, heute ein Stadtteil von Stuttgart, galt damals als Luftkurort.
Zu Ostern 1904 kam Opapa in die sogenannte Elementarschule, in welcher Jungen innerhalb von drei Jahren auf das Gymnasium vorbereitet wurden.
Ab 1904 war im elterlichen Haushalt zur Unterstützung bei der Betreuung der Kinder auch eine Deutsch-Schweizerin angestellt, die von den Kindern Manu genannt und heiß geliebt wurde. Für die Einstellung Manus dürfte ausschlaggebend gewesen sein, dass sie Deutsch und Französisch gleichermaßen beherrschte. Sie legte denn auch bei den Geschwistern die Grundlagen für ihre späteren hervorragenden französischen Sprachkenntnisse.
1905 verbrachten die Kinder mit der Mutter die Sommerfrische auf der Insel Usedom, während der Vater als Vertreter des württ. Gesandten für drei Monate nach Berlin versetzt worden war. So war es wenigsten zu den Wochenenden möglich, dass der Vater mit der Eisenbahn zur Familie kam. - Offenbar hatte er sich in der Vertretungszeit in Berlin gut bewährt, denn im folgenden Jahr wurde er - und damit die Familie - nach München versetzt, wo er Gesandter sowohl am bayerischen als auch zugleich am hessischen und badischen Hof wurde.
Da eine passende Wohnung nicht gleich gefunden werden konnte, verbrachte die Mutter im Sommer erst einmal mit den Kindern einige Zeit in Hohenschwangau im Allgäu. Hier erkrankte Opapa an einer Lungenentzündung, was damals - anders als heute - eine sehr schwere, oft lebensbedrohliche Erkrankung war. Am 1. September, er sollte an diesem Tag nachmittags zum ersten Mal wieder etwas aufstehen, brannte der Dachstuhl des Hotels. Opapa, völlig geschwächt von der Krankheit, musste von der Mutter drei Stockwerke herunter getragen werden, wobei diese sich einen Bänderriss zuzog. Manu und dem über das Wochenende zur Familie gereisten Vater gelang es, auch das umfangreiche Gepäck unversehrt zu retten. Nach dieser - wohl nicht ausschließlich erholsamen - Sommerfrische, erfolgte im Oktober 1906 der Umzug nach München, wo der Vater eine Wohnung in der damals noch sehr vornehmen Leopoldstraße gefunden hatte.
Über den Winter 1906/07 erhielt Opapa, der in Stuttgart gerade die Hälfte des dritten Schuljahres absolviert hatte, Privatunterricht, um die bayerische Kalligraphie zu erlernen, die sich offenbar von der in Württemberg gelehrten Schrift erheblich unterschied. 1907 besuchte er dann - allerdings wohl nur kurz - die Simultanschule und ab dem Herbst, also dem Beginn des bayerischen Schuljahres, das Gymnasium. Obwohl in Bayern, anders als in Württemberg, vier Grundschuljahre bis zum Eintritt ins Gymnasium vorgeschrieben waren, hatten die Eltern für Opapa, und später auch für dessen Bruder Richard, eine Ausnahme erreicht.
Die Eltern taten alles, um den Kindern eine möglichst gute Allgemeinbildung und gutes, gesellschaftliches Benehmen anzuerziehen. Zeitweilig spielten die Kinder Tennis, was jedoch 1914 mit Kriegsbeginn abrupt endete; Tennis galt als "englischer" Sport, so dass er aus "patriotischen" Gründen nicht angebracht war. Selbstverständlich erhielt Opapa Klavierunterricht, nicht nur weil es sich gehörte, sondern vor allem wegen der großen Liebe des Vaters zu diesem Instrument, auf dem beide bald vierhändig spielten.- Obwohl die Eltern sich "für den Alltag" bewusst um eine einfache Lebensweise bemühten, lernten die Kinder aufgrund der gesellschaftlichen Verpflichtungen der Eltern zwangsläufig auch den Verkehr mit gesellschaftlich sehr hochgestellten Persönlichkeiten kennen. Opapas Vater rangierte als Gesandter in der Rangordnung gleich hinter den Angehörigen der königlichen Familie, und selbstverständlich verkehrten die anderen Angehörigen des diplomatischen Korps regelmäßig im Hause. Diese einzigartige, für heutige Verhältnisse kaum vorstellbare Situation prägte Opapa sicherlich zeit seines Lebens und legte die Basis für seine große Weltoffenheit, die gesellschaftliche Sicherheit in jeder Situation und ein überaus breites Interesse.
Die gesellschaftliche Stellung der Eltern erforderte jedoch auch von den Kindern erhebliche Rücksichtnahme, so dass ihnen manches verwehrt blieb, was ihre Schulkameraden durften.
In den kürzeren Weihnachts- und Osterferien vereisten die Kinder meist zu den Großeltern nach Stuttgart, die damals 9 (!) Wochen dauernden Sommerferien wurden zu verschiedenen Urlaubsaufenthalten genutzt, teilweise während des Urlaubs wechselnd zwischen See und Gebirge. Hierbei konnte der Vater allerdings meist nicht, zumindest nicht die ganze Zeit, mit von der Partie sein.
1912 wurde Opapa konfirmiert, was Anlas zu einem großen Familienfest war. Im Herbst des Jahres zog die Familie in eine sehr große und schöne Wohnung in der Friedrichstraße, die sowohl für die inzwischen herangewachsenen Kinder als auch für die ebenfalls gewachsenen gesellschaftlichen Verpflichtungen genügend Raum bot. (Wenngleich weder Opapas Erinnerungen noch die Onkel Karl-Friedrichs dies erwähnen, meine ich mich zu erinnern, dass einmal von 25 Zimmern die Rede war.)
Hier fand im Winter 1913/14 ein großer Abendempfang mit rund 200 Gästen statt, darunter das bayerische Königspaar und zahlreiche Mitglieder der königlichen Familie. Die Kinder durften gemeinsam mit der Mutter die Hoheiten in der großen Diele empfangen, hatten dann jedoch von der Bildfläche zu verschwinden, auch Opapa, obwohl immerhin schon 15 ½ Jahre alt.
Am 28.6.1914 hörten Opapa und seine Mutter während des Besuchs einer der ersten Parsival-Aufführungen im Prinzregenten-Theater die Nachricht von der Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares in Sarajewo. Der geplante Urlaub in Ostende, bei dem erstmals der Vater die ganze Zeit dabei sein sollte, wurde zwar noch angetreten, musste dann jedoch sehr kurzfristig abgebrochen werden.
Ab Kriegsbeginn war jedermann bemüht, sich nützlich zu machen. Opapa und sein Bruder Richard schleppten u. a. schwere Tuchballen in einer Nähstube, die in der Residenz durch die Königin eingerichtet worden war und in der die Damen der Gesellschaft, darunter auch die Mutter sowie Opapas Schwester Gerda, täglich einige Stunden Lazarettwäsche nähten. Daneben ging die Schule unverändert weiter, erhebliche Auswirkungen waren jedoch schon bald in Form einer drastischen Verschlechterung der Versorgungslage zu spüren.
Nach dem Abitur, wohl im Sommer 1916, trat Opapa am 2.10.1916 in das Ulanen-Regiment König Wilhelm (2. württ.) Nr. 20 ein, welches in Ludwigsburg lag. Er war in diesem Regiment zuletzt in Südrussland gegen die Bolschewisten eingesetzt, erhielt am 1.5.1918 das Eiserne Kreuz (EK II) und wurde am 27. Juni Leutnant. Nach Kriegsende blieb er noch bis zum 16.6.1919 Regimentsadjutant, wobei er insbesondere mit der Demobilmachung, also der Auflösung des Regimentes, beschäftigt war. - In diese Zeit fiel die bolschewistische Revolution unter Kurt Eisner in München, wo der Vater weiterhin Gesandter war. Während der Tage der Münchner Räterepublik im April 1919, als jede Verbindung von und nach München abgebrochen war, meldete sich Opapa mit zwei Kameraden bei der (inzwischen abgedankten) Königin von Württemberg, die Chef des Regiments war. (Regimenter hatten vielfach einen "Chef", d. h. eine hochgestellte Persönlichkeit, die eine Art Patenschaft für das Regiment übernahm. Dies hat nichts mit Kommandostrukturen oder Befehlsbefugnis zu tun. Dennoch war zumindest in diesem Fall eine starke Bindung zwischen Regiment und Königin vorhanden; Opapa hat wohl bis zu seinem Tod "seine" Königin in Ehren gehalten, wie er auch den Farben seines Regiments treu blieb. So kann ich mich erinnern, dass er meiner Mutter einmal - unter ausdrücklichem Hinweis auf die Bedeutung der Farben Blau und Gelb, einen Strauß gelber Rosen und blauer Iris überreichte.) Nach der Meldung wurden die drei Offiziere zum Mittagessen eingeladen, wobei sich der König nach dem Vater erkundigte und seiner Sorge Ausdruck verlieh, dieser könnte eventuell als Geisel genommen werden.
Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst begann Opapa wohl zunächst in München, aber schon bald nach Tübingen wechselnd, sein Jura-Studium. Hier lernte er bei Freunden 1921 Omama kennen, mit der er sich am 29. 5.1924, zu Himmelfahrt, verlobte. (Der 29. Mai war bereits der Verlobungstag seiner Eltern, später verlobten sich auch sein Sohn Karl-Friedrich und dessen Sohn Dietrich an diesem Tag.) Opapa machte 1923 die 1. höhere Justizdienst-Prüfung und legte nach zweieinhalbjähriger Referendarszeit in Stuttgart, während der er zum Dr. jur. promovierte, im Herbst 1925 die 2. Justizdienst-Prüfung ab, wodurch einer Eheschließung nichts mehr im Wege stand. Am 1. Dezember heirateten Omama und Opapa.
Die Verlobung wie auch die Hochzeit fanden in München bei Opapas Eltern statt. Eine "normale", d. h. durch die Brauteltern ausgerichtete Hochzeit ließ weder die finanzielle, noch die gesundheitliche Verfassung von Omamas Mutter zu. Ihr Vater war ja bereits 1919 in Riga von den Bolschewisten ermordet worden. - Omama war gegenüber den ganzen Moser´schen Verwandten zunächst sehr schüchtern, wurde sie doch als Flüchtlingsmädel aus dem Baltikum, das obendrein damals noch so anders sprach, teilweise etwas schief angesehen. Dies gab sich aber sehr rasch nach dem ersten Weihnachtsfest, bei dem sie sich nicht nur durch ihren Charme sondern auch durch ihre gelungenen schwäbischen Gutsle, also ihr Weihnachtsgebäck, die Herzen aller eroberte.
Opapa war in jener Zeit in Stuttgart als Gerichtsassessor bei der Staatsanwaltschaft tätig, weshalb das Paar im ersten Stock der von Opapas Großvater erbauten Villa Etzel seine erste Wohnung bezog. Am 29.9.26 kam das erste Kind, Karl-Friedrich zur Welt. Der zweite Sohn, mein späterer Patenonkel Herbert, wollte ein Jahr später unbedingt zum gleichen Tag das Licht der Welt sehen, weshalb er als Frühgeburt bereits im 7. Monat geboren wurde. 1931 und 1934 folgten meine Mutter Irmgard und Erika, von uns später Tante Eka genannt. Im Haushalt half Omama ein Dienstmädchen, dazu kamen für die Wäsche (im großen, holzbeheizten Waschkessel im Keller) eine Waschfrau und eine Bügelfrau.
1933 zogen Opapas Eltern in das freigewordene Erdgeschoss der Villa ein, nachdem die Gesandtschaft in München aufgelöst und der Vater pensioniert worden war. Opapa gab das wieder die Gelegenheit, mit seinem Vater auf dessen beiden Flügeln vierhändig Klavier zu spielen.
Opapa war in der Zwischenzeit zunächst 1928 Amtsrichter, dann im Sommer 1932 Hilfsrichter am Landgericht geworden. Zum 1.11.1933 wurde er als Regierungsrat in das württembergische Justizministerium berufen. Eine zum 1.1.1935 beabsichtigte Versetzung in das Reichsjustizministerium nach Berlin lehnte er jedoch unter Hinweis auf die Familie und die besonders günstige Wohnsituation in Stuttgart ab, was auch akzeptiert wurde.
Möglicherweise stand dem Wechsel auch ein gewisses Unbehagen gegenüber der Vorstellung in Reichsdienste zu treten entgegen; schließlich standen die Moser-Vorfahren, wie Opapa später einmal bei einem kleinen Vortrag im Rotary-Club ausführte, bis in die zwölfte Generation mit einer Ausnahme in württembergischen Landes- oder Kommunaldiensten. - Er wurde statt dessen zum 1. April des gleichen Jahres 1. Staatsanwalt beim Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht in Stuttgart. - 1938 konnte er sich nicht entschließen, den ihm nachdrücklich angetragenen Posten des Generalstaatsanwaltes zu übernehmen. Ausschlaggebend hierfür waren nunmehr schon Gewissensgründe, zumal der Amtsinhaber mit der Verleihung eines kaum abzulehnenden höheren SS-Dienstgrades rechnen musste.
Seit Wiederherstellung der Wehrhoheit 1935 gehörte Opapa als Reserveoffizier wieder seinem alten Kavallerieregiment an, welches nunmehr Reiter-Regiment Nr. 18 genannt wurde. Nach mehreren Wehrübungen als Leutnant und Oberleutnant wurde er noch vor Kriegsbeginn eingezogen und zum Rittmeister befördert. Als er zum 1.8.42 Major wurde, bedauerte er es in soweit, als er hierdurch seinen "kavalleristischen" Dienstgrad verlor.
Der berufliche Alltag in jener Zeit war wohl aus heutiger Sicht recht geruhsam. Opapa kam regelmäßig mittags zum Essen nach hause und ging auch nicht sofort wieder zurück zum Dienst. Auch ein gelegentlicher Frühschoppen mit Amtskollegen am späten Vormittag war offenbar möglich. - Die Urlaube führten die Familie, soweit sie nicht in der Anfangszeit der Ehe regelmäßig bei den Großeltern in München verbracht wurden, ins Gebirge zum Wandern. 1938 verkaufte Opapas Vater die unbequem gewordene Villa Etzel und erwarb eine Villa in der Parlerstr., in welcher wiederum Omama und Opapa im ersten Stock und Opapas Eltern im Erdgeschoss wohnten.
Politisch waren Omama und Opapa national-konservativ. Dem Nationalsozialismus standen sie auf Grund ihrer patriotischen Überzeugungen zunächst positiv gegenüber. Vor diesem Hintergrund begrüßten sie auch den Anschluß Österreichs und des Sudetenlandes sowie des ja erst durch den Versailler Vertrag verlorenen Memellandes. Seit 1933 war Opapa Mitglied der NSDAP und als Richter damit automatisch Angehöriger der Organisation der "Politischen Leiter". Omama gehörte ab 1936 der NS-Frauenschaft an, was sich ab Kriegsbeginn vor allem mit dem unendlichen Stricken grauer Wehrmachtssocken bemerkbar machte.
Der drohende Kriegsbeginn überraschte die Familie - wie schon eine Generation zuvor der Beginn des 1. Weltkrieges - im Urlaub. Per Telegramm erhielt Opapa in Obermieming den Einberufungsbefehl, es folgte eine abrupte Rückreise, die wegen der nicht passenden Verbindungen zwei Tage dauerte. Am gleichen Tag noch hatte Opapa sich zu melden und am nächsten, am 25.8.39 den Dienst anzutreten. Zwei Tage darauf wurde er Rittmeister und kam als Ordonanzoffizier zum Armeeoberkommando (AOK) 7. Als solcher nahm er am Frankreich-Feldzug teil und war dann nach der Kapitulation Frankreichs in Bordeaux stationiert. Bis zum Beginn der Invasion im Juni 1944 zeigte sich ihm der Krieg von der eher geruhsamen Seite.
Omama war wohl in weit stärkerem Maße von den Kriegsfolgen betroffen. Für die Erziehung der Kinder hatte sie nun allein zu sorgen. 1940 wurde angeordnet, dass der Familie ein Dienstmädchen nur zur Hälfte zustand, also eine halbe Woche im Wechsel mit einer anderen Familie. Ab 1942 gab es dann gar kein Dienstmädchen mehr. Belastender aber als die vermehrte Arbeit war offenbar während des Frankreichfeldzuges und dann ab der Invasion 1944 bis Kriegsende bzw. bis zum ersten Lebenszeichen die Sorge um Opapa, dessen tägliche Briefe ihr nach eigenem späteren Bekunden die größte Hilfe während des ganzen Krieges waren. Auch das Verhältnis zu Opapas Eltern, die sich in bester Absicht, aber doch viel zu sehr in das Leben der Familie einmischten, belastete Omama offenbar erheblich. Hierbei dürften auch politische Differenzen gegenüber den Schwiegereltern, die wohl weit früher und deutlicher auf Distanz zum Regime gegangen waren, eine Rolle gespielt haben.
Im Laufe des Jahres 1943 sollten die Schulen wegen zunehmender Luftbedrohung aus Stuttgart evakuiert werden. Omama suchte daher in Göppingen, wohin Irmgards Schule verlegt werden sollte, eine Wohnung. Wenngleich die Schule nicht nach Göppingen zog, blieb Omama mit den Mädchen dort, die dann Göppinger Schulen besuchten. So kehrte die Familie an den Ort zurück, wo 375 Jahre zuvor der später geadelte Balthasar der IV. Moser als Göppinger Bürgermeister Schloss Filseck erworben hatte, nach dem sich die Familie nennt.
Von Göppingen aus fuhr Omama alle 14 Tage übers Wochenende nach Stuttgart. Bei diesen Fahrten, oder vielmehr beim anschließenden Transport der vielfach schweren Lasten vom Bahnhof zur Wohnung ruinierte sich Omama, die ihren Töchtern das schwere Tragen nicht erlaubte, ihren ohnehin schwachen Rücken.
Am 12.8.44 wurde das Haus in Stuttgart bei einem Bombenangriff völlig zerstört. Opapas ausgebombte Eltern kamen nunmehr zu Omama nach Göppingen, was sicher gerade wegen der beengten Wohnverhältnisse für alle Seiten belastend war. Ab November 1944 war Onkel Karl-Friedrich vermisst, erst Anfang 1945 kam das erste Lebenszeichen in Form einer Postkarte aus englischer Kriegsgefangenschaft an. Von Onkel Herbert hatte Omama etwa seit Februar kein Lebenszeichen erhalten, so wusste sie auch nicht, dass er verwundet in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten war. Dies erfuhr sie erst, als er im August nach seiner Entlassung aus dem Lazarett in Göppingen vor der Tür stand. Opapa war mit seinem AOK bereits vor der Invasion in der Normandie nach Le Mans verlegt worden. In der Endphase war er dann offenbar weitgehend auf sich gestellt und traf viele Entscheidungen in Abwesenheit der eigentlich Verantwortlichen nach dem gesunden Menschenverstand. Gegen Kriegsende war er im Egerland, viel beinahe den Russen in die Hände und geriet dann in amerikanische Gefangenschaft.
Opapa wurde nach kurzer Kriegsgefangenschaft zwar schon Ende Mai in Eger entlassen, blieb aber aufgrund des in der amerikanischen Besatzungszone praktizierten „automatischen Arrests“ für Beamte des höheren Dienstes als Zivilgefangener zuächst in Eger, dann bis Oktober 1946 im Internierungslager Hammelburg und schließlich bis Dezember 1947 im Lager Ludwigsburg. Für die relativ lange Dauer seiner Internierung war – über den automatischen Arrest hinaus – seine Führungsfunktion im NS-Rechtswahrerbund im Gau Württemberg ursächlich. Opapa war 1929 in den Ausschuss (Leitung) des Württembergischen Richtervereins gewählt worden, ab 1931 war er dessen Schriftführer. Allen gegenteiligen Bemühungen „die Stellung zu halten“ wurde der Richterverein im Zuge der „Gleichschaltung“ in eine „Gaugruppe Richter und Staatsanwälte im NS-Rechtswahrerbund umgewandelt. Opapa wurde zum Gaugruppenwalter ernannt, da er offenbar den Nationalsozialismus gegenüber als aufgeschlossen galt und schon im April 1933 in die NSDAP eingetreten war, wahrscheinlich in der Hoffnung, den lebenslang hochgehaltenen Rechtsstaat auf diese Weise am besten verteidigen zu und die rechtspolitische Entwicklung im national-konservativem Sinne mitgestalten zu können. Auch der eigenen Karriere konnte eine Parteimitgliedschaft nur förderlich sein. So stand Opapa bis Kriegsbeginn auf Gauebene einer NS-Gliedrung vor, deren Leitungspersonal anscheinend schon im 3. Reich der „Organisation der politischen Leiter“ zugerechnet wurde, einer Organisation, die dann im Nürnberger Prozess als „verbrecherisch“ abgestempelt werden sollte.

Während des 2. Weltkrieges war die Versorgung zwar zunehmend knapp, doch erst nach Ende des Krieges brach sie wirklich zusammen. Es gab wenig zu kaufen, dazu kam, dass für die Familie kein Geld vorhanden war. Ein Gehalt erhielt Opapa nicht mehr und die Konten waren gesperrt, so dass Omama im Monat nur 300,- Mark abheben durfte. Versuche, durch Aushänge in Bäckerei und Milchladen eine Arbeit zu finden, brachten nur gelegentliche, kurzfristige "Jobs".


Weihnachten 1947 kehrte Opapa aus der Internierung zur Familie zurück. Aus dem Staatsdienst war er als Mitglied einer „verbrecherischen Organisation“ entlassen. Immerhin fand er gleich eine bescheidene Anstellung als kaufmännischer Angestellter und juristischer Berater einer kleinen Chemiefirma, bei der er bis Ende Februar 1951 arbeitete.
Nach seiner Entlassung aus der Internierung folgte das "Entnazifizierungsverfahren". Im Ergebnis wurde er mit Urteil vom 6.8.48 als "Mitläufer" eingestuft und zu einer Geldstrafe vom 300,- Mark verurteilt. Ob Opapa dieses Urteil selbst als ungerecht empfunden hat, ist nicht bekannt. Sehr gelitten hat er jedoch an den Umständen, unter denen das Verfahren durchgeführt wurde. Über Einzelheiten hat er ausschließlich mit Omama gesprochen, so dass hierüber nichts bekannt ist, doch war das Verfahren offenbar stark von unhaltbaren Diffamierungen geprägt. Bezeichnend sind die zusätzlich zur Strafe in Rechnung gestellten Verfahrenskosten von 12956,- DM !!!
Auch Omama, seit 1936 in der NS-Frauenschaft auf der untersten Führungsebene intensiv sozial engagiert, hatte ein Entnazifizierungsverfahren zu durchlaufen, wurde ebenfalls als Mitläufer eingestuft und zu einer Geldstrafe von 200,- DM bei 2000,- DM Verfahrenskosten verurteilt.
Sieht man die - zumindest im Verhältnis zu den Verfahrenskosten - lächerlich geringen Geldstrafen, so drängt sich der Eindruck auf, hier sollte den Großeltern, denen man eine persönliche Schuld nicht anlasten konnte, nach Kräften eins ausgewischt werden. Möglicherweise lag diese Absicht auch der Verfügung zugrunde, die Bombenruine der Villa in Stuttgart wegen "Einsturzgefahr" abreißen zu lassen, obwohl die Nutzung des Souterrains durch einen Orthopäden nicht beanstandet wurde. Da die Kosten für den Abbruch von der Familie nicht aufzubringen waren, musste das Grundstück weit unter Wert verkauft werden.
Erst 1951 wurde Opapa, gehaltlich vom Oberstaatsanwalt zum Gerichtsassessor zurückgestuft, wieder in den Justizdienst eingestellt und kam als Amtsgerichtsrat und 2. Richter an das kleine Gericht in Geislingen/Steige. Drei Jahre später wurde er unter voller Rehabilitierung Amtsgerichtsdirektor in Göppingen, was er bis zu seiner Pensionierung blieb. Mit der Versetzung erhielt er eine Dienstwohnung in der Schillerstraße, so dass Omama und Opapa die beengte Wohnung in der Kantstraße aufgeben konnten.
1960 kauften Omama und Opapa ein Haus in der Schumannstraße, wo sie im Spätherbst des Jahres einzogen. Sie bewohnten dort eine sehr schöne, für mich mit vielen lieben Erinnerungen verbundene, Wohnung, während mein Onkel Karl-Friedrich mit seiner Familie im Erdgeschoss einzog. Opapa wurde zum 1.8.1963 pensioniert und erhielt hierbei das Bundesverdienstkreuz I. Klasse. - Seit der Wiedereinstellung in den Justizdienst, insbesondere aber seit dem dienstlichen Wechsel nach Göppingen, war die finanzielle Situation der Großeltern natürlich deutlich besser geworden. Sie lebten jedoch immer recht bescheiden, was überhaupt dem Moser´schen Stil entspricht. Trotzdem machten sie ein paar interessante Besichtigungsreisen nach Griechenland, Sizilien und Süditalien. Als später Omama das Reisen zu viel wurde, unternahm Opapa noch manche Reise, meist mit meinem Onkel Herbert per Auto nach Frankreich, welches seine große Liebe war.
1955 gründete Opapa mit anderen den Göppinger Rotary-Club, der seither das Leben von Omama und Opapa in starkem Maße mit beeinflusste. Hier ist insbesondere die Partnerschaft mit dem Club in Chalon-sür-Saone zu nennen, die auch durch jährliche Besuche in die eine oder andere Richtung gepflegt wurde. Diese Partnerschaft lag Opapa zeitlebens sehr am frankophilen Herzen. Noch im Jahr seines Todes, immerhin bereits 92 Jahre alt, erwog er, im Sommer noch einmal eine Reise seines Clubs nach Chalon mitzumachen. - Zwei andere Mitgliedschaften spielten im Leben insbesondere Opapas noch eine wichtige Rolle. Da war zum einen die "Stuttgarter Herrenrunde", zu deren Gründungsmitgliedern Opapa gehörte. Bei dieser, in den zwanziger Jahren gegründeten Runde kam man in regelmäßigen Abständen zu Vorträgen mit anschließendem Essen zusammen. Nach dem Krieg traf man sich hierzu monatlich im Stuttgarter Ratskeller, Opapa nahm an diesen Treffen bis kurz vor seinem Tod regelmäßig teil.
Die andere Mitgliedschaft war die in der Offiziersvereinigung seines alten württembergischen Regiments, die wohl bereits 1919 gegründet worden war. Die Offiziere des Regiments trafen sich regelmäßig am 10. Oktober, dem Geburtstag der Königin, in Ludwigsburg zur Kranzniederlegung an ihrem Grab. (Zur Erinnerung: Die Königin war "Chef" der blau-gelben Ulanen gewesen.) Am Abend fand dann ein gemeinsames Essen statt, dass mit einem Toast auf die Königin begonnen wurde. Als Opapa 1991 starb, war er der letzte Offizier dieses Regiments. Auf seinem Sarg lag die allerletzte Schleife in den Regimentsfarben blau und gelb, die er extra für sich "zurückgelegt" hatte.
In den Jahren nach Opapas Pensionierung wuchs - fast jährlich - die Schar der Enkel, bis 1969 Reinhard als 10. und letzter Enkel zur Welt kam. Bis 1981 machten die Großeltern einmal im Jahr eine Kur in Wildbad, von wo sie regelmäßig jedem Enkel eine Karte schrieben. Später machten sie dann regelmäßig in Bad Oberndorf im Allgäu Urlaub, bis Omamas Gesundheit dies nicht mehr zuließ.
Darüber hinaus besuchten sie regelmäßig die nicht am Ort wohnenden Verwandten. Wir besuchten sie unsererseits meist auf dem Rückweg vom Urlaub im Gebirge, mehrfach auch auf dem Hinweg, wenn das jeweils jüngste, noch nicht wandertaugliche Kind bei ihnen blieb.
Die Großeltern gingen regelmäßig in die Konzerte des Göppinger Kulturkreises, den Opapa 1948 mit gegründet hatte. Großen Kummer machte Opapa, der stets viel gelesen hatte und ja an fast allem interessiert war, seine im Alter stark nachlassende Sehkraft, deretwegen er sich in den 80er-Jahren einen weißen Stock zulegte. Er trat dann auch dem Blindenverein bei. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, alle Einkäufe selbständig zu erledigen, zunächst ganz zu Fuß, später auf dem Rückweg aus der Stadt mit dem Taxi. Diese Selbständigkeit war ihm sehr wichtig, erst in den letzten Lebenswochen ließ er es zu, dass Onkel Karl-Friedrich und Tante Waldtraut ihm bei den häuslichen Verrichtungen halfen.
Omamas Rücken, der stets schwach gewesen war, hatte sich im Alter sehr stark gekrümmt, bis sie einen richtigen Buckel hatte. Hierdurch hatte sie zunehmend Schwierigkeiten beim Atmen und Schlucken. Auch ihr Herz wurde in den 80er-Jahren schwächer. Beide Großeltern blieben jedoch bis zuletzt geistig voll präsent, wofür sie sehr dankbar waren.
1985 feierten sie ihre Diamantene Hochzeit, wozu neben den Kindern auch alle Enkel anwesend waren. Ab 1987 ließen Omamas Kräfte deutlich nach. Ab April 1988 wurde ihr Gesundheitszustand bedenklich, zeitweilig lag sie ganz im Bett. Am 31. Mai ist sie dann friedlich eingeschlafen.
Opapa verlor bei aller Trauer seinen Lebensmut nicht. Er nahm weiterhin an vielen Veranstaltungen teil und lies sich regelmäßig aus der Zeitung vorlesen. 1990 hielt er bei einem Rotarier-Treffen in Chalon eine weitgehend frei vorgetragene Rede, mit der es ihm gelang, die bei den französischen Freunden doch sehr ausgeprägten Ängste vor der bevorstehenden deutschen Wiedervereinigung zu zerstreuen.
Im Herbst des gleichen Jahres konnte ich ihm bei einer Besuchsreise zu verschiedenen Verwandten stolz unsere Juliana vorstellen. Sie war der vorletzte von acht Urenkeln, die zu seinen Lebzeiten geboren wurden. Ob er die sieben Tage jüngere Nora noch gesehen hat, weiß ich nicht.
Ende Januar 1991 nahm er noch bis tief in die Nacht an der großen Geburtstagsfeier eines Freundes teil. Am 1. Februar jedoch hatte er einen schweren Herzanfall, so dass er mit dem Notarztwagen in Krankenhaus kam. Am 5. Februar ist Opapa in der Nacht dort sanft eingeschlafen.
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