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Für Trauernde und Verzagte


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Die Unvernunft erreicht den höchsten Gipfel -

wenn sie zu denken wagt, daß der, welcher auf Golgatha


starb, einen Sünder, der zu ihm kommt, verstoßen würde.
Ich wünschte, ein Künstler versuchte es, ein Bild von Jesus
Christus zu malen, wie er einen Sünder, der ihn um Gnade
bittet, verschmäht. Wie würde der Maler zu Werk gehen?
Er müßte das Antlitz des Herrn bedecken, denn jenes lieb-
liche Angesicht könnte nicht unfreundlich aussehen. Er
müßte die Wundmale aus den Händen und die Nägelmale
aus den Füßen weglassen, denn diese könnten keinen Sün-
der verstoßen. Kein Teil von Jesu Leib oder Seele könnte
dargestellt werden, als wenn er einen verlorenen Sünder
verstieße; seine ganze Natur würde sich dagegen aufleh-
nen, so abgebildet zu werden. Wenn ihr ihn nur kennt, wie
einige von uns ihn kennen, so würdet ihr in seine Arme
fliegen. Ihr würdet mit dem Patriarchen von Uz ausrufen:

»Wenn er mich auch tötete, wollte ich ihm doch ver-


trauen.«

Es ist meine Pflicht zu sagen, daß sich in dieser Verzweif-


lung sehr viel sündiger Unglaube findet, und von allen
Sünden ist dieser Unglaube die verdammenswerteste. Es
läuft darauf hinaus, daß Jesus spricht: »Ich kann erretten«,
und der Sünder spricht: »Du kannst nicht erretten« und so
Christus zum Lügner macht. Gott spricht: »Jesus kann bis
zum Äußersten erretten«, und der Sünder leugnet das
rundweg.

Nun, wenn der Sünder Gott zum Lügner macht, was


kann er erwarten? Wenn der Herr kommt, die Lebendigen
und die Toten zu richten, was wird der Lohn des Ungläubi-
gen sein? Gott behüte uns davor! Deshalb sollten wir den
übereilten Ausspruch zurücknehmen, daß wir nicht länger
sagen: »Ich bin verstoßen vor deinen Augen.«
Der Schrei

Doch da ist noch von einem flehentlichen Schrei die Rede.


Als David fürchtete, von Gott verstoßen zu sein, war er
weise genug, zu schreien. Schreien ist die Sprache des
Schmerzes; der Schmerz kann sich nicht mit Buchstaben,
Silben und Worten aufhalten, er nimmt seinen eignen
Weg und äußert sich in einer sehr ergreifenden und durch-
bohrenden Weise. Lautes Schluchzen ist eine Erleichterung
für Leidende. Rote Augen lindern oft den Schmerz bre-
chender Herzen. Dem Wahnsinn wird vorgebeugt da-
durch, daß die Seele sich Luft macht.

Das Flehen zu Gott ist das sicherste und gesegnetste


Mittel, sich Luft zu machen. Im Gebet läuft das Herz über,
und wenn du wirklich nötig hast zu beten, so werden keine
fertigen Gebete für dich passen.

Männer, Frauen und Kinder äußern ihre Not ohne ge-


reimte Verse; und wenn ein Mensch wirklich nach dem
Heiland verlangt, so bedarf es keines Gebetbuches. Sprich
deshalb niemals: Ich kann nicht beten!

Kannst du inständig bitten? Kannst du vor Herzeleid


weinen? Du möchtest errettet werden - sage das dem
Herrn. Wenn du es nicht in Worten sagen kannst, sag es
mit deinem Ächzen, deinem Seufzen, deinem Schluchzen
- sag es, wie dein Herz es dich sagen heißt.

Beten ist eine natürliche Äußerung und eine, die bei je-


der Gelegenheit stattfinden kann. Sobald ein Kind in Not
ist, kann es schreien, ohne vorher sein bestes Kleid anzu-
ziehen; und wir können das auch ohne Festkleid und Talar.
Kein Kind braucht in Latein oder Griechisch unterrichtet
zu werden, um zu wissen, wie es bitten soll, ebensowenig
ist Gelehrsamkeit zu einem erhörlichen Gebet nötig. Gott
lehrt alle seine Kleinen beten, sobald sie geboren sind; sie
brauchen nur ihre Sünden zu bekennen und ihre Wünsche
vor ihn zu bringen, so beten sie wirklich. Niemals ist ein
Kind in einem so schlimmen Zustand, daß es nicht bitten
könnte. Es sagt sich nie: Es ist so dunkel, ich kann nicht se-
hen; nein, nein, das Kind schreit nach der Mutter.

Bist du im Dunkeln und in furchtbaren Zweifeln und Lei-
den. Dann schrei nur, mein Freund, dein Vater wird dich hören
und befreien.

Es ist eine Saite in der menschlichen Natur, die bei dem


Flehen eines Kindes anklingt; und es ist etwas in der göttli-
chen Natur, das genauso durch das Gebet berührt wird.
Der Herr läßt keinen jungen Raben vergeblich schreien -
viel weniger wird er Menschen, die nach seinem Bilde ge-
macht sind, in der Bitterkeit ihres Herzens zu ihm schreien
lassen, um ihn dann für ihre Bitten taub zu finden.

Nach unserm Text war dieser Schrei an den Herrn ge-


richtet. David dachte, der Herr hätte ihn verstoßen - trotz-
dem schrie er nicht zu irgend einem andern; er wußte:
Wenn Gott ihm nicht half, würde ihm niemand helfen. Zu
wem oder wohin sollte er sonst gehen? - Es ist wichtig, zu
beachten, daß er zum Herrn schrie, obwohl er meinte, es
gäbe keine Hoffnung mehr. »Ich bin von deinen Augen
verstoßen«, sagte er, dennoch schreit er zu Gott.

Schrei zu Gott, auch wenn du nicht glaubst!

Ach Mensch, wenn du in Verzweiflung bist, so entschließe


dich dennoch, dein Herz vor Gott auszuschütten. Fürchtest
du, er werde dich abweisen? Schreie weiter! Ist er lange zor-
nig mit dir gewesen? Fahre fort zu schreien. Hat er bisher
dein Gebet nicht erhört? Hör nicht auf zu schreien! Denkst
du, daß er dich ganz und gar verworfen hat? Schreie trotz-
dem weiter!

Der Psalmist schrie zu einem Gott, von dem er ungläu-


bige Vorstellungen hatte. Und du glaubst nicht, wie du
glauben solltest; dein Glaube, wenn du Glauben hast,
gleicht eher einem Funken, der in einem rauchenden
Docht glimmt. Doch fahre fort zu beten! Selbst wenn dir
dein Glaube tot scheint, rufe: »Herr, laß mich glauben. Ich
bin ein armer, toter, verlorener Sünder; aber habe Mitleid
mit meinem Elend.«

Das ist gutes Schreien, und daraus wird Gutes werden.


Die erfreuliche Folge

Dieser arme Mensch fuhr in seiner Verzweiflung fort zu


schreien, und der Herr erhörte ihn. »Du hörtest die Stim-
me meines Flehens, als ich zu dir schrie.« Dieser Segen geht
über die Verheißung hinaus. Die Verheißung lautet, daß
Gott gläubiges Gebet hören will; aber hier gibt er Glauben
und rettet Seelen, selbst wenn die Ungläubigen schreien!
Das sieht dem Gott ähnlich, dessen Name Liebe ist, daß er
auf das Schreien der Elenden hört!

Wir sind wie Kinder, die sich in einem Wald verirrt ha-


ben, ganz zerkratzt sind von den Dornen und müde vom
Umherirren und nahe daran, vor Kälte und Hunger zu
sterben. Alles was wir tun können, ist rufen, schreien -
wird Gott nun uns im Dunkeln sterben lassen?

Oh, glaub es nicht! Laß nicht den Teufel dich glauben


machen, Gott höre dein Schreien und komme doch nicht,

um dir zu helfen. Ich will niemals von Gott glauben, was


ich von einem Menschen nicht glauben würde. Ich kann
ihm nicht solche Unehre antun. Deshalb schreie nur aus
der Verzweiflung deiner Seele heraus, und die unendliche
Güte des Herrn wird ihn zwingen, zu dir zu kommen. Er
hat dich gelehrt zu schreien, und er wird sicher dein Gebet
erhören.

David sagt, daß Gott ihn gehört hat. Das soll auch dich


ermutigen, denn wenn Gott den einen gehört hat, wird er
auch einen andern hören.

Laß mich dir eines sagen: Du arme verzweifelnde Seele


kannst Christus mehr Ehre bringen als irgendeine andre.
Bist du der schwärzeste Sünder, der je gelebt hat? Bist du
gerade der eine, von dem es am unwahrscheinlichsten ist,
daß er errettet wird? Oh, wie herrlich kann nun Christi
Gnade in dir triumphieren! Es wäre keine Ehre für ihn, jene
Sünder zu waschen, an denen nur ein paar blasse Flecken
sind, falls es solche gäbe; aber du, ein ganz und gar befleck-
ter, schmutziger Sünder: Dein Reinwerden wird ihm un-
sterblichen Ruhm bringen! Die Engel stimmen ihre Harfen
zu neuen Liedern, wenn ein Sünder bekehrt wird.
Geh zum Kreuz!

Du kannst nicht glauben, sagst du, daß deine Errettung


möglich sei?

Geh doch mitsamt deinem Unglauben zum Fuß des


Kreuzes und sprich: Lieber Heiland, du hast nie eine solche
Seele gerettet, wie ich bin! Heute sollst du größeren Ruhm
haben, als du je zuvor gehabt hast, denn ich werfe mich zu
deinen Füßen und schreie: »Rette mich!«

Du hast gesagt: »Wer zu mir kommt, den werde ich


nicht hinausstoßen.«

Da bin ich!

Siehst du nicht, daß gerade du eine herrliche Gelegen-
heit gibst, Christus zu ehren - denn allein, daß du kommst,
beweist Glauben, und gibst du ihm nicht Anlaß, eine herr-

lichere Gnadentat zu tun, als er deiner Meinung nach je


zuvor getan hat, da er ja - deiner Meinung nach - kaum je
einen solch Unwürdigen, wie du es bist, zu retten kam? Ich
bete sehr dringlich zu Gott, daß er gerade solche wie dich
unter die Macht der Gnade bringe.

Wenn du im Dunkeln bist, so ist das einzige Licht für


dich die Sonne der Gerechtigkeit.

Wenn du verloren bist, so ist die einzige Hilfe für dich in


Jesus, dem Herrn.

Wenn du den Heiland sehen willst, wo sein Licht am


hellsten und sein Heil am klarsten ist, so denke an sein
Kreuz. Sieh seine Hände und Füße und die blutende Seite;
diese Wunden sind Fenster der Hoffnung für die Gefange-
nen der Verzweiflung.

Es ist keine Hoffnung für dich, wer immer du sein


magst, außer in Jesus.

Blicke auf sein mit Dornen gekröntes Haupt und sein


Antlitz, das entstellter ist als das irgend eines andern!

Blicke auf seine abgezehrten Körper und auf den Speer-


stich in seiner Seite.

Blicke auf ihn in seiner Todesangst, wo Schmach und


Hohn ihn umgeben! Schaue, bist du ihn rufen hörst: »Es ist
vollbracht!« ehe er den Geist aufgibt; und ich bitte dich,
glaube, daß es vollbracht ist, so daß es nichts für dich zu
tun gibt, da alles schon getan ist.

Alles, was nötig ist, dich vor Gott angenehm zu machen, ist
völlig getan, und es ist nichts für dich zu tun, als anzunehmen,
was Christus vollendet hat.

Webe keine Gewänder mehr, hier ist das Kleid der Ge-


rechtigkeit! Fülle keine Brunnen mehr, hier ist die Quelle!
Lege keinen anderen Grund, hier ist der köstliche Eckstein!

Kommt, ihr Verzweifelnden! Der Herr helfe euch, zu


kommen und Frieden zu dieser Stunde zu finden durch Je-
sus Christus, euren Herrn.

Der Thron Gottes steht mir offen. Wenn ich morgen


früh zu Gott reden will, so darf ich es; wenn ich heute
abend ein Gespräch mit meinem Herrn haben möchte, so
kann ich zu ihm gehen.

Ich habe das Recht, vor seinen Thron zu treten, gleich,


wieviel ich gesündigt habe: Ich gehe und bitte ihn um Ver-
gebung.

Es hat nichts zu bedeuten, daß ich so arm bin: Ich gehe


und berufe mich auf seine Verheißung, daß er mir alles
gibt, was ich brauche.

Ich habe ein Recht, zu jeder Zeit vor seinen Thron zu


treten: in der dunkelsten Mitternachtsstunde oder in der
Mittagshitze. Wo ich auch sein mag, ob auch am äußersten
Ende der weiten Erde, ich habe doch beständig Zutritt zu
seinem Thron.

Macht von diesem Recht Gebrauch, Geliebte, macht


Gebrauch davon!

Du bist nicht verworfen!

»Verwirf mich nicht vor deinem Angesicht!« (Psalm
51,13)

Nichts macht einen Christen so unglücklich wie die Furcht,


ein vor Gott verworfener zu sein. Kein wirklicher Christ
wird verzweifeln, weil er arm wird, weil ihm weltliche Gü-
ter genommen sind; aber wenn der Herr sein Angesicht
verbirgt, wird er unruhig. Er zweifelt an seiner Kindschaft.
Es drückt ihn nieder, wenn sein Anteil an Christus in Frage
gestellt wird und wenn er fürchten muß, daß das göttliche
Leben nie in seiner Seele gewesen sei; dann wird er heulen
wie ein ausgesetzter Hund. Wie kann er ohne seinen Gott
leben?

Doch kennen diesen bitteren Schmerz nicht wenige der


besten Menschen. Heilige, die jetzt zu den strahlendsten
im Himmel gehören, haben weinend an den Pforten der
Verzweiflung gesessen und um die Brosamen gebettelt, die
von des Herren Tisch fallen. Das war bei Martin Luther so.
Nach allem, was man von ihm weiß, sollte man von dem
kühnen Reformator annehmen, daß er ein Mann von Ei-
sen gewesen sei, unbeweglich und unverwundbar. Nun, so
war er auch, wenn er für seinen Herrn kämpfte; aber zu
Hause, in seinem stillen Zimmer, hatte er oft schwere
geistliche Kämpfe zu bestehen. Er hatte so viel Freude in
seinem Glauben, daß er zu Zeiten in lautes Frohlocken
ausbrach; aber zu andern Zeiten sank der Mut so tief, daß
er sich kaum aufrecht halten konnte, und das geschah so-
gar in seinen letzten Augenblicken, so daß der schlimmste
Kampf seines Lebens in jenem geheimnisvollen Lande ge-
kämpft wurde, das sich bis vor die Tore der himmlischen
Stadt ausdehnt.

Prüfungen müssen sein

Deshalb soll sich keiner verdammen, weil er Kämpfe zu


bestehen hat und der Mut so tief sinkt. David selbst klagte
in seiner Bestürzung: »Ich bin von deinen Augen versto-
ßen« - obwohl er hier auf Erden ein Mann nach Gottes
Herzen war und nun Gottes Nähe in unvorstellbar herrli-
cher Klarheit erlebt.

Es soll viel Gutes aus schweren Anfechtungen und aus


Zeiten der Niedergeschlagenheit kommen. Wir müssen
sogar eine Zeitlang in Schwermut fallen; denn man kann
nicht große Sportler ohne hartes Training oder tüchtige
Seeleute am Ufer ausbilden. Es scheint notwendig, daß,
wenn ein Mensch groß im Glauben werden soll, er große
Anfechtungen ertragen muß; wenn er ein großer Helfer
anderer Menschen werden soll, muß er durch die Versu-
chungen anderer hindurch gehen; wenn er in den himmli-
schen Dingen unterwiesen werden soll, so muß er durch
Erfahrung lernen; und wenn er ein lauter Sänger der un-
umschränkten Gnade werden soll, so muß er die Fluten
rauschen hören, daß hier eine Tiefe und da eine Tiefe ist
und alle Wasserwogen und Wellen über ihn gehen.

Der ungeschliffene Diamant hat nur wenig Glanz, das un-
gedroschene Korn nährt niemand, und ebenso ist der unge-
prüfte Bekenner Christi von geringem Nutzen und hat wenig
Glanz.

Wer einen vergleichsweise ebenen Pfad im Leben hat,


kann nicht die gleiche Stellung in der Kirche haben wie der
erfahrene Gläubige und kann auch nicht dessen Arbeit un-
ter den Leidenden tun.

Der Mann, der tief gepflügt und oft geeggt worden ist, mag
Gott danken, wenn das Ergebnis davon eine größere Ernte zur
Ehre Gottes durch Jesus Christus ist. Die Zeit wird kommen,
daß ihr Gott für diesen Kummer danken und der Tag, wo ihr
eure Leiden und Trübsale schätzen und auch die für glücklich
halten werdet, welche dulden.


Gott hat dich nicht verworfen!

Warum zieht ein Mensch in seiner Verzagtheit den Schluß,


daß Gott ihn verworfen hat? Er behauptet zuerst, seine La-
ge zeige es: Er hat viele Schwierigkeiten und wirkliche
Schicksalsschläge zu ertragen, und daraus schließt er, daß
Gott zornig auf ihn sei. Aber hat er dafür Beweise? Man
könnte ebenso sagen, Gott habe seinen eigenen lieben
Sohn verworfen, da dieser feststellte: »Die Füchse haben
Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester;
aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinle-
ge.« Dann hätte Gott auch die Märtyrer verworfen, als er
zugab, daß sie ins Gefängnis kamen und gefoltert oder ver-
brannt wurden.

Viele von den liebsten Kindern des Herrn haben einen


rauhen Weg zur Herrlichkeit. Steht nicht geschrieben: »In
der Welt habt ihr Angst«? Und ist die Trübsal nicht eine der
»Bundessegnungen«?

Andere sind einfach tieftraurig und folgern daraus, daß


Gott sie verworfen hätte.

Kann aber etwas ungewisser sein als unsere Gefühle?


Ich mag heute ganz sicher sein, daß ich in den Himmel
komme, wenn ich nach meinen Gefühlen urteile; morgen
mag ich ebenso sicher sein, daß ich ein Verworfener bin,
wenn ich nach derselben Regel urteile. Man könnte ein
dutzendmal am Tage verloren und errettet sein, wenn man
nach den veränderlichen Gefühlen urteilt. Nichts dreht
sich launischer als der Lauf unserer Empfindungen. Wie
viele, die voll zuversichtlicher Gefühle sind, täuschen und
betrügen sich dennoch! »Friede, Friede, obwohl kein Friede
ist« (Jer. 6,4) - ein sehr bekannter Ruf. Diese Leute meinen,
daß sie des Himmels sicher seien, aber ihr Leben zeigt das
Gegenteil; und andererseits halten sich einige für Verwor-
fene, die wahre Christen sind.

Gefühle sind ein sehr ungewisser und irreleitender Rat-


geber, und einen so furchtbaren Schluß wie den, daß man
verloren ist, auf ein paar trübe Gefühle zu bauen, ist im

höchsten Grade einfältig. So ging es dem Mann, der im


Dunkeln in einer ihm fremden Gegend wanderte und
plötzlich an eine Stelle kam, wo die Erde unter seinen Fü-
ßen nachgab. Er glaubte, er würde in einen Abgrund stür-
zen, und hielt sich mit beiden Händen an einem Baum fest.
So hing er, bis seine Hände ihn nicht mehr halten konnten;
dann gab er sich verloren und fiel - auf eine weiche Rasen-
bank, etwa zehn Zentimeter unter seinen Füßen.
Taube Ohren für Gottes Trost

So entspringt häufig große Furcht aus gar nichts, und die


Einbildungskraft mit ihrem Zauberstab schafft Leiden
über Leiden. In vielen Fällen könnte etwa ein Kranker,
wenn er die Wahrheit glaubte oder wenigstens aufhörte,
an seine eigenen unvernünftigen Vermutungen zu glau-
ben, sofort zum Frieden gelangen. Der Grund zu den Lei-
den vieler Menschen liegt allein in ihrem festen Entschluß,
unglücklich zu sein. Sie haben sich vorgenommen zu glau-
ben, daß alles verkehrt mit ihnen geht, und diese hartnäk-
kige Entschlossenheit vertritt bei ihnen die Stelle eines
Grundes. Sie sind taub für allen Trost, aber sie sind nicht
stumm im Blick auf ihre Leiden; sie suchen den Prediger
auf, aber geben ihm keine Gelegenheit, ihnen zu helfen.
Wer je mit einer verzweifelten Frau zu tun hatte, der weiß,
daß man sehr geschickt sein muß, wenn man es fertig
brächte, auch nur sechs Worte zwischen ihre unaufhörli-
chen Reden hineinzuschieben. Solche Leute bitten um Rat,
aber sie beabsichtigen nicht, ihn anzuhören oder ihn zu be-
folgen, denn sie wissen alles besser als ihre Ratgeber; sie
wollen nur ihre Klagen ausschütten, Trost wollen sie nicht
annehmen.
Die unvergebbare Sünde

Neulich sprach ich mit einem, der behauptete, die unver-


gebbare Sünde begangen zu haben. Ich weiß nun eben-

soviel von der Schrift wie er, aber über die unvergebbare


Sünde scheint er völlig unterrichtet, ich dagegen genauso
völlig im Dunkeln. Ich kann beweisen, daß mein verzagter
Freund nach der Schrift die unvergebbare Sünde nicht be-
gangen hat; aber er weiß, daß er sie begangen hat. Um
Schriftbeweise kümmert er sich wenig, er wiederholt nur
immer wieder, daß er es weiß und ganz gewiß ist und nie-
mand ihn je vom Gegenteil überzeugen kann. Es bedeutet
ihm nichts, daß alle Theologen der Christenheit, die je
über diesen Gegenstand geschrieben haben, Schwierigkei-
ten mit seiner Auslegung haben - er ist klüger als sie alle.

In vielen Fällen ist die Ursache solcher Traurigkeiten


ungreifbar, gespenstig, neblig; man kann sie nicht be-
schreiben; oft ist sie unvernünftig, ja albern, sonst könnte
eine ruhige kleine Unterhaltung ein Gnadenmittel sein.
Aber sie ziehen es vor, in hoffnungsloser Melancholie zu
bleiben.
»Wer zu mir kommt.. .«

Diese Erklärung, Gott habe uns verlassen oder irgend ei-


nen verlassen, der ihn sucht, steht im direkten Wider-
spruch zur Schrift. Nirgends in der Bibel gibt es einen Hin-
weis, daß an der Barmherzigkeit Gottes zu verzweifeln wä-
re. Es gab keine einzige Stelle, in welcher einer suchenden
Seele befohlen wird zu glauben, es sei keine Gnade für ihn
da. Ich gehe noch weiter:

Es gibt keine Schriftstelle, die eine Seele berechtigt, sich in
Verzweiflung aufzugeben, einerlei, ob es eine Stelle über die
Erwählung ist oder eine Drohung des göttlichen Zornes gegen
die Sünde; und kein Spruch oder etwas, was einem Spruch
ähnlich sieht, gibt einer Seele das Recht oder eine Entschuldi-
gung für Verzweiflung.

Im Glauben und nicht im Schauen

»Denn wir wissen: Wenn unser irdisches Haus, diese Hüt-
te, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott er-
baut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im
Himmel.

Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach,


daß wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, über-
kleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht nackt
befunden werden.

Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und


sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern
überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche ver-
schlungen werde von dem Leben.

Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als


Unterpfand den Geist gegeben hat.

So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir


im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn; denn
wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.

Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib


zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn.

Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir da-


heim sind oder in der Fremde, daß wir ihm Wohlgefallen.

Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richter-


stuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das,
was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.«

(2. Korinther 5,1-10)

Vom Zelt und vom Haus

Paulus war einer der tapfersten unter den Tapferen. Wir se-


hen aber auch mit Bewunderung, wie der Held so vieler
Gefahren und Kämpfe, der glühen und brennen konnte
vor Eifer, dennoch einer der ruhigsten und gelassensten
Geister war. Er hatte gelernt, sich über die gegenwärtigen
Umstände zu erheben; er sah nicht auf das Sichtbare, son-
dern auf das Unsichtbare, und dadurch kam er zu einem
tiefen und freudigen Frieden, der ihn stark, entschlossen,
fest und sicher machte.

Ich wünsche zu Gott, wir alle lernten die Kunst des Pau-


lus, voll Vertrauen zu sein und den innern Menschen von
Tag zu Tag erneuern zu lassen. Die meisten von uns glei-
chen zu sehr einer Eintagsfliege, geneigt, ausschließlich in
der unmittelbaren Gegenwart zu leben, soweit sie uns
durch die Sinne kund wird. Der Ochse sendet keine Ge-
danken ins Jenseits; in dem kühlen Bach stehen oder auf
der fetten Weide liegen ist sein ein und alles. So ist es mit
den meisten Menschen: Ihre Seelen sind an ihre Körper
fest gebunden, eingekerkert in die Ereignisse des Tages.

Wenn wir befreit werden könnten von der Sklaverei der
sichtbaren und fühlbaren Dinge, um uns dem vollen Einfluß
der unsichtbaren und ewigen aussetzen zu können - wie viel
könnten wir vom Himmel genießen, ehe wir noch das jenseiti-
ge Ufer erreicht hätten!

Das Leben des Paulus war rauh und stürmisch, doch


hätte er nichts vom zukünftigen Leben gewußt, wäre er
der elendeste unter allen Menschen gewesen, denn er war
arm, verachtet, verleumdet, geplagt, verfolgt und litt gro-
ße Schmerzen. Und doch würde ich nicht zaudern, sein Le-
ben als eins der glücklichsten zu bezeichnen, denn - Chri-
stus war sein Leben!
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