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Die Makkabi Story oder wie entsteht ein Film? von Franz Kowalski …es war einmal ein Themenvorschlag


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Die Makkabi Story oder wie entsteht ein Film?

von Franz Kowalski


es war einmal ein Themenvorschlag

An einem kalten aber sonnigen Märztag des Jahres 2006 saß ich in meinem kleinen aber feinen Büro und brütete über „Themenvorschläge“. Themenvorschläge sind für freie Autoren so was wie Anträge auf eine Arbeitserlaubnis. Man stöbert im privaten Zettelkasten, versucht sich an Ärgernisse mit technischen Geräten oder übereifrigen Beamten zu erinnern, lässt sich vom Adressbuch seines Handys inspirieren. Und dann gibt es ja auch noch das Internet. Findet man einen brauchbaren Informationsschnipsel, wird er zu einem Themenvorschlag umgearbeitet. Schließlich eingetütet in eine E-Mail und an eine passende Redaktion geschickt. Dann wartet man auf eine Antwort. Auf viele warte ich bis heute.

An jenem Tag war ich fleißig und hatte bereits vier Themenvorschläge an die RBB Redaktion des deutsch-polnischen Fernsehmagazins „Kowalski trifft Schmidt“ geschickt. Und es war noch nicht mal 2 Uhr nachmittags. Mit dabei waren: deutsch-polnisches Desinteresse an der Viadrina, eine Wirtschaftsglosse über einen Berliner Regalhersteller, Hintergründiges zu einer aktuellen türkischen Filmproduktion und etwas über die Methoden von Fundraising-Profis. Nachdem auch der vierte Themenvorschlag mit dem ebenso obligatorischen wie larmoyanten Redaktionshinweis „kann man machen, muss man nicht“ zurückkam, wurde ich langsam unruhig. Hatte ich überhaupt noch was in der Reserve? Immerhin hatte sich mein Lieblingsredakteur Krzysztof mittlerweile darauf eingeschossen, eine Sendung über „Toleranz“ zu machen – im weiteren und ganz weiten Sinne. Da fiel mir Makkabi ein.

Im Sommer des letzten Jahres hatte ich bei einem Kneipengespräch über Autos, Frauen und Fußball das Stichwort jüdischer Fußballverein und Makkabi aufgeschnappt. Jetzt, zum richtigen Zeitpunkt reaktiviert, sollte das mein fünfter und letzter Themenvorschlag für den Tag werden. Warum? Das liegt doch wohl auf der Hand: Deutschland, Juden, Fußball – muss irgendwas mit Toleranz zu tun haben. Im weiteren und ganz weiten Sinne.

Ein Blick auf die damalige Makkabi Homepage verriet mir sofort: hier ist auf jeden Fall der Name schon mal jüdisch. Und ein Blick auf die Namen des aktuellen Spielerkaders verriet mir: die meisten kann ich mit Sicherheit nicht richtig aussprechen. Guemuessoy, Theeraphong, Pholchiangsar u.s.w.

Ich machte mir an gedenk der vier umsonst anrecherchierten Themenvorschläge jetzt gar nicht mehr die Mühe, einige Sätze zum Thema zu schreiben. Auch der Redakteur sollte den keimenden Ärger des Autors bemerken. Also betitelte ich die Betreffzeile meiner Email mit: „Mehr Toleranz für Themenvorschläge!“ und kopierte als Text einfach die bunte Namensliste der Makkabi-Spieler rein. Das sollte reichen, auch über meinem Toleranzreservoir brannte bereits die Reservelampe. Und siehe da: es reichte tatsächlich. Mein „Jetzt Wieder“ – Lieblingsredakteur rief sofort an und gab mir den Auftrag, ein Multikulti – Toleranz Stück über die „wohl bunteste Truppe der Stadt“ zu drehen. Aber nicht länger als 3:30 Minuten natürlich!


Der Dreh für den erRBehBeh

War wettermäßig eine Katastrophe. Sobald die Kamera surrte, regnete es dicke Schneeflocken. Sobald die Tonangel ausgefahren war, kam starker Sturm auf. Schnee, Sturm, Kälte, Nass – das mit Abstand übelste Drehwetter in meiner Laufbahn als Fernsehautor. Kameramann und Tonmeister sahen das wohl ähnlich und gaben sich sichtbare Mühe, ganz schnell fertig zu werden. Die Zeit war trotzdem ausreichend, um die nötigen Bilder und Fakten für einen Fernsehmagazinbeitrag zu bekommen. Die da wären: Erfolg! Makkabi ist ohne Niederlage in die Landesliga aufgestiegen. Toleranz! In der Mannschaft sind an die zehn unterschiedliche Kulturen und mehrere Religionszugehörigkeiten vertreten. Darunter Türken, Araber, Deutsche, Juden, Russen, um nur einige zu nennen. Nichttoleranz! Bei Punktspielen werden die Spieler manchmal vom Gegner angepöbelt. Antisemitische und judenfeindliche Sprüche treffen alle, also auch die Nichtjuden in der Mannschaft. Nach vier Arbeitsstunden war alles erledigt und ich hatte eine Kassette besten Toleranzstoff. Was war da drauf? Zwei Makkabi Spieler treffen sich in der Stadt und fahren zusammen zum Training. Auf dem Platz wird die Mannschaft vom Trainer durch Schneewehen gescheucht, mit und ohne Ball. Interview mit einem Spieler, Interview mit dem Vereinsvorsitzenden, Statements von Spielern in der Umkleidekabine. Zwischendurch noch zwei historische Fotos abgefilmt. Fertig und Aus die Maus. Drei Minuten dreißig.

Schon bei den Dreharbeiten hatte ich ein gutes Gefühl, was sich beim Sichten des Materials bestätigte. So fiel es mir sehr leicht, aus den Bildern und Interviews ein interessantes und vor allem ein lebhaftes Stück zu schneiden. Lebhaft deshalb, weil die Spieler durch die Bank authentisch sind. Weil die Mannschaft trotz der unterschiedlichen Kulturen, die vertreten sind, so homogen und geschlossen auftritt. Und vor allem deshalb, weil diese authentische Atmosphäre nicht für einen Außenstehenden inszeniert wird, sondern wirklich so existiert. Der FC Makkabi hat einen Schlachtruf: „Makkabi Chai“. Das ist hebräisch und bedeutet auf Deutsch: „Makkabi lebt“. Ich kann nur sagen: Stimmt!

Zwei Tage später lief der Fernsehbeitrag im benannten RBB Magazin „Kowalski trifft Schmidt“. Das Stück kam gut an, das Honorar wurde wie üblich auf das Konto meines Vermieters überwiesen und ich hatte Makkabi schon abgehakt. Doch dann kam ein Anruf.


Der Auftrag

Der Heimatsender aller Berliner und Brandenburger, der RBB, hat ja angeblich nur so um die 6 Prozent Einschaltquote. Im Durchschnitt. Aber immerhin werden die Magazinsendungen nach Erstausstrahlung permanent wiederholt. Vormittags, nachmittags, nachts, vormittags… Man kommt an meinen drei Minuten dreißig und damit am FC Makkabi einfach nicht vorbei. Das ging auch den Machern der nun stattfindenden Ausstellung über „Juden im deutschen Fußball“ nicht anders. Und das Stück kam gut an. Die Kuratorin kontaktierte die Redaktion, erwischte tatsächlich jemanden, der ihr meine Telefonnummer geben wollte, sie rief mich an, ich kam am nächsten Tag vorbei. Wie ich später erfuhr, wurde ein älterer Filmemacher erwartet, mit Lederweste und schütterem Haar. Diese Erwartungen erfüllte ich nicht. Trotzdem durfte ich meine Ideen zu einem filmischen Ausstellungsbeitrag über jüdischen Fußball in Berlin ausbreiten. Da der FC Makkabi der einzige organisierte jüdische Verein der Stadt ist, lag auf der Hand, die Jungs da noch mal einzubeziehen. Und so kam ich zum Auftrag, noch einen Film über Makkabi machen zu dürfen. Diesmal im Rahmen einer Ausstellung. Das Schöne dabei: ich kann mir mehr Zeit nehmen als für ein Fernsehstück. Ich kann tiefer in die Materie eintauchen und mehr aus den Leuten herauskitzeln. Ich kann sehr viel mehr erzählen und zeigen. Und so liest sich die Leistungsbeschreibung meines Auftragsangebotes denn auch erstaunlich viel versprechend. Unter anderem kündige ich an: „das Besondere eines jüdischen Fußballvereins im Jahre 2006 zu reflektieren“. Und das ist nur ein Punkt aus meiner Absichtserklärung.



Kamera läuft

Am ersten richtigen Drehtag herrschte klassisches Makkabiwetter. Dem Fußballgott reichte kein einfacher Nieselregen. Es musste schon die Mutter aller Wolkenbrüche her. Doch damit nicht genug. Nach kurzer Zeit lag Makkabi Null-Eins hinten. Eine Katastrophe! Denn das Spiel, welches ich mit meinem Kamerateam besuchte, war nicht irgendeins. Man schrieb den letzten Spieltag in der Landesliga, Makkabi spielte auswärts gegen den Tabellenletzten Blau Weiß und musste gewinnen, um aufzusteigen. Drei Punkte waren Pflicht, um ein Jahr Arbeit erfolgreich abzuschließen. Oder anders gesagt: Kein Sieg – ein Jahr Arbeit umsonst.

Es regnet. Es stürmt. Die Kamera ist nass. Die Tonanlage feucht. Mikrofon unter Wasser. Die Funkstrecke fällt aus. Makkabi liegt zurück. Die Nerven aller liegen blank. Die Stimmung droht zu kippen. Wir werden als Filmteam am Spielfeldrand gerade noch geduldet. Diplomatisch formuliert. Ein Pfostenschuss. Ein Lattentreffer. Kein Tor. Da kommt 10 Minuten vor Spielende der erlösende Ausgleich. Aber das reicht noch nicht. Für den Aufstieg muss ein Sieg her. In der 85sten Spielminute kullert das Runde irgendwie ins Eckige. Ins richtige Eckige. Der Siegtreffer für Makkabi. Der Druck und die Anspannung entladen sich in diesem Moment. Makkabi-Fans wollen aufs Spielfeld stürmen. Das ist verboten, denn das Spiel läuft noch. Schließlich fällt in der 90sten Minute noch das 3:1 für Makkabi. Das Spiel ist aus und der Aufstieg in die Verbandsliga perfekt. Jubel, Sektflaschen, atonale Gesangseinlagen. Die Makkabi-Anhänger, darunter Frauen und Kinder, feiern ekstatisch ihre Mannschaft. Zwischenzeitlich ist der Himmel aufgeklart, die Sonne lacht und selbst das Filmteam ist wieder willkommen. Wir versuchen, etwas von der Begeisterung einzufangen und fahren anschließend mit den Makkabäern in ihr Vereinsheim. Da gibt es Wodka. An mehr kann ich mich nicht erinnern.
Sommerpause

Makkabi trainiert mindestens dreimal die Woche. Am Wochenende folgt dann noch ein Punktspiel. Die Spieler verbringen demnach viel Zeit miteinander. Die Frage, ob sie an der einmonatigen Sommerpause auch die gegenseitige Abwesenheit voneinander genießen, verneinten die meisten. Sie schätzen eher die Abwesenheit vom Fußballspielen und brauchen das, um Abstand zu kriegen. Fußball war während des Sommers trotzdem sehr präsent, denn es war WM in Deutschland. Ich nutzte die Gelegenheit und begleitete einige Spieler, während die sich ein Spiel auf einer Leinwand ansahen. Tamir und Moshiko waren mit ihren Freundinnen zu Deutschland – Italien in der eigens für die WM aufgebauten Adidas Arena. Dieses Gebilde wurde dem Olympiastadion nachempfunden und direkt vor den Reichstag platziert. Eine der Freundinnen hat Aussicht auf einen Model-Vertrag mit den üblichen Restriktionen, was Bildermachen anbelangt. Von ihr durften wir nur die langen Beine filmen. Haben wir auch gemacht. Ungefähr 3:30. Ist aber nicht im Film.

Tamir und Moshiko sind in Berlin geborene Juden. Als das Spiel lief, stellte ich den beiden einige Fragen. Soll Deutschland Weltmeister werden? Wäre das gut für`s Land? Was sie fühlen, wenn die Massen grölen: „steh auf, wenn du ein Deutscher bist“? Die Fragen waren für beide nicht in den klassischen kurzen Fußballersätzen zu beantworten. Natürlich sind sie für Deutschland. Aber es wäre wiederum auch nicht so schlimm, wenn Italien gewinnt. Natürlich beschleicht sie manchmal ein komisches Gefühl, wenn sie die überbrausende Deutschlandeuphorie mit Schlachtgesängen und Landserlyrik hören, aber andererseits ist die Stimmung wunderbar. Natürlich wäre es schön, wenn Deutschland Weltmeister wird. Aber so richtig innig für Deutschland könnten sie nie sein, da sie „zuviel israelisches Blut“ in sich haben. Sind das „gespaltene Identitäten“? Einen schizophrenen Eindruck machen weder Tamir noch Moshiko. Das Gleiche gilt für die Makkabi-Stürmer Ömür und Alan, die ich in ein Café am Savignyplatz begleitete. Der eine Türke, der andere Ukrainer, beide in Berlin aufgewachsen. Die Türkei hatte ja für die WM den Schweizern den Vortritt gelassen, die Ukraine war bereits ausgeschieden. Das machte es für beide leicht, jetzt mit Deutschland mitzufiebern. Als die obligatorischen „steht auf, wenn ihr Deutsche seid“ Gesänge aufkamen, blieben die beiden sitzen. Alan: „wir wissen, dass wir Deutsche sind, deshalb müssen wir jetzt nicht aufstehn“. Und Ömür fügte hinzu „wenn ich 3,5 Promille im Blut hätte, würde ich vielleicht auch aufstehn, aber man muss es nicht übertreiben“. Vielleicht ist diese gelassene Art auch der Kitt, der den FC Makkabi so geschlossen und auf seine Art zu etwas Besonderem macht. Berliner mit ganz unterschiedlichem kulturellem Hintergrund spielen zusammen Fußball. Jeder lernt die Eigenheiten des anderen schätzen und sie zu respektieren. Was in anderen Teilen der Gesellschaft große Probleme aufwirft, funktioniert bei Makkabi. Und das hat mich wirklich erstaunt.
Makkabi gab es schon mal. Früher eben

Der FC Makkabi hat bei jedem fußballinteressierten Berliner einen Namen. Und das, obwohl Makkabi weit von einer Profiliga entfernt ist. Warum? Makkabi gilt als jüdischer Club. Und er soll Geld haben. Stimmt das? Wie alle Vereine in der Verbandsliga hat auch Makkabi einen Etat. Der setzt sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden zusammen und ist weder größer noch kleiner als der anderer Clubs auf diesem Level. Und Makkabi hat eine Geschichte, wie sie nur ein jüdischer Verein in dieser Stadt haben kann. Sehr eindrucksvoll schilderte mir die Alterspräsidentin, Frau Inge Borck, diesen Teil von Makkabi. Wir machten ein Interview auf dem alten Vereinsgelände im Grunewald. Inge Borck trainierte hier als junges Mädchen in den 30er Jahren mehrfach wöchentlich Vierkampf. Fotos aus der Zeit zeugen von einem regen Vereinsleben. Große Sportfeste wurden abgehalten. Die jüdische Fußballmannschaft spielte in der höchsten Berliner Spielklasse. Auf der Tribüne saßen Juden und Nichtjuden. Makkabi lebte. 1938 verboten die Nazis alle sportlichen Aktivitäten von Juden.

Aber die alte Vereinsanlage lag so versteckt im Grunewald, dass sie irgendwie vergessen wurde. Inge Borck traf sich hier noch bis 1941 mit ihren jüdischen Freundinnen und Freunden. Nicht nur, um Sport zu machen. Es war einfach der einzige Platz, an dem man sich als Jude heimlich treffen konnte. Immer mit dem Gedanken daran, einfach abgeholt und in ein Lager deportiert zu werden, hat sie hier noch „so was ähnliches wie ein bisschen Glück vom Leben abbekommen“.

Mich haben ihre Schilderungen sehr berührt. Und dass Frau Borck, nach allem was sie erleben musste, auch nach ´45 in Deutschland geblieben ist, beeindruckt mich sehr. Menschen wie ihr ist es zu verdanken, dass wieder ein Stück jüdischen Lebens die Stadt bereichert. Und nicht zuletzt auch, dass es wieder einen Makkabi Verein gibt. Natürlich unter anderen Vorzeichen als vor 80 Jahren. Aber er bleibt etwas Besonderes.


Schnitt

Ob es mir gelingt, mit meinem Ausstellungsfilm das „Besondere“ an Makkabi zu vermitteln, weiß ich nicht. Wenn es nicht gelingen sollte, ist das wiederum auch gar nicht so erstaunlich. Denn am Ende geht es in dem Film eigentlich um Toleranz unter – und miteinander. Und darum, dass es wieder einen jüdischen Verein in Berlin gibt. Und das sollte eigentlich gar nichts so Besonderes sein.








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