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Der Umgang mit den Zwangsarbeitern in Metzingen. Eine Studie


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Krystyna Lemanska, 74, Zwangsarbeiterin bei Müller und Bauer

Am 29. Oktober 1941 kam ich nach Metzingen. Die Deutschen hatten mir in meiner Heimatstadt Lask den Ausweis weggenommen, mich in ein Lager in Lodz gebracht und dann nach Deutschland deportiert. Ich war erst 15 Jahre alt.

In Metzingen musste ich in der Blechdosenfabrik Müller und Bauer arbeiten. Zusammen mit vier Französinnen, einer Jugoslawin und drei Polinnen war ich in der Fabrikwohnung untergebracht.

Wir haben verschiedene Blechdosen hergestellt, zum Beispiel für Schuhcreme, zehn Stunden am Tag, manchmal auch Sonntags. Ich war Hilfsarbeiterin und die Arbeit war für mich sehr schwer. Der Chef, Herr Bauer, war kein Nazi, er hat sich immer Sorgen um uns gemacht und in der Fabrik wurden keine Unterschiede zwischen den Deutschen und uns gemacht. Bei Luftangriffen durften wir auch in die Schutzräume.

Trotzdem habe ich mir dort meine Gesundheit ruiniert. Meine Wirbelsäule ist kaputt. Ich hatte mein ganzes Leben Bewegungsprobleme und war oft in Kur, alles weil ich als 15jährige schwere Sachen heben musste. Ich bin traurig, dass sie sich erst nach 60 Jahren an uns erinnert haben.

Eine Verordnung des württembergischen Innenministers vom 21.8.1943 schränkte die Freiheiten der Ostarbeiter massiv ein. Schon im März 1940 schrieb der sogenannte Göhring-Erlass das Tragen eines Kennzeichens vor. "Dieses Kennzeichen besteht aus einem hochstehenden Rechteck von 7x7,7 cm und zeigt bei ein cm breiter blau weißer Umrandung auf blauem Grund das Kennwort "Ost" in 3,7 cm hohen weißen Buchstaben.“ Dieses Zeichen musste auf der rechten Brust getragen werden, so die offizielle Anweisung.

Zusätzlich wurde nun auch der Besuch von kulturellen, kirchlichen oder geselligen Veranstaltungen verboten. Das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel, die über den Ortsbereich hinausgingen, war nicht gestattet. Nachts herrschte ein striktes Ausgehverbot. Im Sommer zwischen 21 und 5 Uhr und im Winter zwischen 20 und 6 Uhr durfte die Unterkunft nicht verlassen werden. Auch der Besuch von Gaststätten war verboten. Allenfalls war, nach einer polizeilichen Ausnahmegenehmigung, der Besuch einer einfachen Gaststätte erlaubt, aber nur bis eine halbe Stunde vor Beginn der Verdunklungszeit. Während dieser Zeit war dann allen deutschen „Volksgenossen“ der Aufenthalt in diesem Gasthaus verboten. Auf sexuelle Beziehungen mit deutschen Frauen stand die Todesstrafe16.

Weiter schrieb die Verordnung vor, dass die Arbeitgeber dafür verantwortlich waren, dass alle nicht durch den Arbeitsvorgang unvermeidbaren Berührungen mit deutschen Volksgenossen unterblieben. 150 Reichmark Strafe oder 14 Tage Haft wurden bei Bruch einer dieser Vorschriften angedroht17.

Diese Regel wurde von offizieller Seite in Metzingen umgesetzt. Da Zwangsarbeiter keine öffentlichen Badeeinrichtungen besuchen durften, (in Metzingen gab es damals schon ein Freibad an der Erms), wurde beschlossen, dass das Bad nur an einem Abend in der Woche getrennt von der einheimischen Bevölkerung von Zwangsarbeitern besucht werden durfte18.

Anfang der 40er Jahre hatten viele Häuser noch keine eigene Badegelegenheit. In der Hindenburgschule waren deshalb vier Badewannen eingerichtet, die ein öffentliches Baden ermöglichten. Weil auch immer mehr ausländische Zwangsarbeiter zum Baden in die Schule kamen, beschäftigte sich der Gemeinderat am 27. Januar 1943 mit den entstandenen "Unzuträglichkeiten" wie es im Protokoll heißt. Die Diskussion der Räte ergab: "Es könne einem deutschen Volksgenossen nicht zugemutet werden, eine Wanne, in der zuvor ein Pole oder Russe gebadet habe, zu benützen". Als Folge wurde beschlossen, dass eine Badewanne nur noch von Ausländern zu benutzen sei19.


Die Zeitzeugin Ruth Schwenkel erinnert sich, dass russische und polnische Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, um einige Häuser in ihrer Nachbarschaft zu bauen. „Die sind sehr schlecht behandelt worden. Also an denen hing alles nur so runter und die haben hier auf den Misthäufen nach Äpfeln gesucht.“ Ruth Schwenkel berichtet von einem Verwandten, der als Wachmann im Ostarbeiterlager dienstverpflichtet war und den Insassen immer wieder Lebensmittel zuschob, die er von Verwandten oder Freunden bekommen hatte. Auch bei Ruth Schwenkel arbeiteten einige Male zwei Ostarbeiter im Garten. Eine Anweisung des Landrats sah vor, dass die Arbeitsleistung der Ostarbeiter optimal ausgeschöpft werden solle. Deshalb mussten manche Arbeiter zusätzlich zu ihrer Arbeit in den Betrieben bei Privatleuten, Bauern oder der Stadt aushelfen. Schwenkel erzählt, dass sie sie gut behandelt habe, sie habe ihnen etwas zu Essen gemacht und ihre Kleider geflickt20.
7.Die Firma Hugo Boss

Firmengeschichte
Die Firmengeschichte des heutigen Weltkonzerns beginnt 1924 in der Kronenstraße 2 mit der Gründung einer Kleiderfabrik. Eugen Holy kommt Ende der 20iger Jahre in den Betrieb und heiratet die Boss-Tochter Gertrud 193121. Nach mehreren Geschäftskrisen während der schlechten Wirtschaftslage und dem Eintritt des Firmenchefs Hugo Boss in die NSDAP am 1.April 1931, hatte sich der Betrieb als Lieferant von SA-, SS-, HJ- und Wehrmachtsuniformen stabilisiert. Weil Mitte der 30er Jahre mit Beginn der Aufrüstung immer mehr Wehrmachtsaufträge kamen, wurde die Belegschaft von 22 Beschäftigten im Jahr 1930 auf 99 im Jahr 1937 erhöht. Außerdem erfolgte 1938 der Umzug in die Kanalstraße, wo sich heute der Fabrikverkauf befindet22.

Die Uniformaufträge kamen nicht von ungefähr, die Firmenoberen waren alle bekennende Nazis. „Die Boss waren alles große Verehrer von Adolf Hitler“, sagt die ehemalige Näherin Pauline Kuder 23. Ihre ehemalige Kollegin Edith Poller berichtete: "Einer der Betriebsleiter, mit Namen Schmid, kam nur in Uniform ins Geschäft. Er hat nur mit „Heil Hitler“ gegrüßt, wer das nicht tat, ist aufmerksam gemacht worden, dass man mit dem deutschen Gruß zu grüßen hat". Auch die Näherin Pauline Kuder bestätigt: Der Schmid war ein arger Nazi. Als ich eines Morgens in letzter Minute kam, sagte ich Guten Morgen, dann hat er mich am Kragen gepackt und wieder zur Türe hinausgezogen. Er sagte, ob ich nicht wisse, wie der deutsche Arbeiter grüße, dann hab ich mit „Heil Hitler“ grüßen müssen.“

Im Entnazifizierungsverfahren gegen Hugo Boss wurde der Firmenchef anfangs als "belastet" eingestuft, später jedoch auf "Mitläufer" reduziert24. Der Metzinger Albert Fischer sagte jedoch in einer Befragung durch das Stadtarchiv Metzingen aus: „Der alte Boss war ein Obernazi. Der hatte noch 1945 ein Bild in seiner Wohnung hängen, als er auf dem Obersalzberg war beim Führer. Da hatte er sich neben dem Führer aufnehmen lassen.“25

Auf Hugo Boss, der am 9. August 1948 an einem vereiterten Zahn starb, folgte sein Schwiegersohn Eugen Holy als Firmenchef. Dessen Söhne Uwe und Jochen Holy begründeten in den siebziger Jahren den heutigen Erfolg der Hugo Boss AG. Im Geschäftsjahr 2000 machte das Unternehmen einen Umsatz von 1,8 Milliarden Mark und einen Gewinn von 213 Millionen Mark26.



Zwangsarbeit
Im Frühjahr 1940 fährt der Vertreter Martin Eberhard im Auftrag von Hugo Boss nach Südpolen, um dort mit Hilfe der Gestapo Arbeiter anzuwerben27. Eberhard brachte per Zug in einem extra Waggon vier Männer und sechzehn Frauen gegen ihren Willen als die ersten Zwangsarbeiter der Firma Boss nach Metzingen.

Insgesamt waren in der Zeit des Nationalsozialismus bei der Firma Boss 30 bis 40 französische Kriegsgefangene und 150 Zwangsarbeiter beschäftigt. Der Frauenanteil betrug über 75 Prozent, das Durchschnittsalter lag zwischen 20 und 25. Arbeiter sowohl aus West- als auch aus Osteuropa waren bei Boss beschäftigt28.

Die Zwangsarbeiter mussten wie die deutsche Belegschaft von sechs bis 18 Uhr arbeiten und wurde offiziell mit 75 Mark pro Woche bezahlt. Davon blieben jedoch nach Abzug von Miete und Verpflegung nur etwa 50 Mark im Monat übrig.29

Untergebracht waren die Zwangsarbeiter in einem Barackenlager auf dem Gelände des heutigen Parkplatzes für den Fabrikverkauf, im Ostarbeiterlager und bei Privatpersonen im Stadtgebiet.



Berichte ehemaliger Zwangsarbeiter bei Hugo Boss30
Anna Wocka geb. Gisterek, 77, Zwangsarbeiterin bei Hugo Boss
Anna Gisterek wird am 17.5.1924 in Oswiecim geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Josefa Gisterek, die am 23.3.1921 ebenfalls in Oswiesim geboren wurde. Am 10.5.1940 wird Anna nach Metzingen deportiert und dort in der Firma Hugo Boss zu Zwangsarbeit gezwungen. Sie erinnert sich: „Ein Mitarbeiter der Firma Hugo Boss, ein Herr Eberhard war im Frühjahr 1940 in Polen. Er suchte persönlich 20 Personen (vier Männer und 16 Frauen) aus und brachte diese mit der Polizei nach Bielsko-Biala (die nächste größere Stadt), von wo aus der Zugtransport nach Metzingen begann.“ Das 16jährige Mädchen Anna ist in einer privaten Wohnung auf einem Bauerhof in der Wiesenstraße 9 bei Maria Speidel untergebracht, zusammen mit einer anderen Arbeiterin. Die Nahrungsmittelversorgung sei sehr spärlich, die hygienischen Bedingungen aber gut gewesen, erinnert sich Anna Wocka, geborene Gisterek.

Im Oktober 1941 wird Annas ältere Schwester Josefa im Alter von 20 Jahren ebenfalls gegen ihren Willen zur Zwangsarbeit nach Metzingen gebracht. Auch sie muss bei Hugo Boss arbeiten und wohnt mit ihrer Schwester in der Wiesenstraße. Die Arbeitszeiten bei Boss sind sechs bis 18 Uhr. Anna erinnert sich noch gut an Hugo Boss: „Er war ein großer, dicker Mann mit blonden Haaren, der sich oft in der Firma aufhielt“. Ihre Aufgabe ist es, Knöpfe an die Militäruniformen zu nähen, die damals bei Boss hergestellt werden. Wenn die Haushälterin von Hugo Boss krank ist, hilft Anna auch im Haushalt des Firmenchefs mit.

„Für die Arbeit in der Fabrik wurden mir in der Woche 75 DM bezahlt, davon ging aber die Miete und das Mittagessen ab, so dass 50 DM im Monat übrig blieben. Manchmal reichte das Geld nicht einmal für etwas Brot“, so Anna Wocka.

Im Dezember 1941 berichtet der Vater seinen Töchtern von einem Unfall der Mutter und bittet um Hilfe bei der Versorgung der weiteren acht Kinder. Josefa Gisterek beantragt bei ihrem Arbeitgeber Urlaub, der jedoch mit der Begründung, sie habe zu kurz für das Unternehmen gearbeitet, abgelehnt wird. Daraufhin entschließt sich Josefa zur Flucht. Mit ihrem gesamten Geld und dem ihrer Schwester flüchtet sie durch ganz Deutschland in ihre Heimatstadt Oswiecim.

Am 4. Januar 1942 bricht Anna Wocka im Rahmen ihres regulären Urlaubs ebenfalls nach Oswiecim auf. Dort trifft sie ihre Schwester allerdings nicht mehr an, die Gestapo hatte sie bereits verhaftet. „Die Gestapo verhaftete meine Schwester in unserem Elternhaus und brachte sie in verschiedene Konzentrationslager. Die Namen nannte sie niemals. Dort wurde sie sehr gewalttätig behandelt und oft auf den Kopf geschlagen. Innerhalb meines 12tägigen Urlaubs wollte ich meine Schwester zurückholen, aber da war sie schon von der Gestapo abgeholt worden“, so Anna Wocka. Im Gestapo Gefängnis Myslowice (bei Katowice) verliert sich ihre Spur. Im benachbarten Konzentrationslager Auschwitz ist ein großer Teil der Akten über weibliche Häftlinge vernichtet worden. Auch die allermeisten Gestapo-Akten wurden noch vor Kriegsende vernichtet. In welchen Lagern Josefa Gisterek inhaftiert war, ist also noch nicht endgültig rekonstruierbar.

Im März 1943 wurde Josefa Gisterek zurück nach Metzingen gebracht, wo sie wieder bei Frau Speidel in der Wiesenstraße untergebracht war. Trotz ihres vorangegangenen Aufenthalts in mehreren Konzentrationslagern und den daraus hervorgehenden Kopfverletzungen wurde sie bei Hugo Boss zur Arbeit gezwungen. „Sie sah sehr schlimm aus, als sie wieder nach Metzingen gebracht wurde. Trotzdem musste sie wieder bei Boss arbeiten. Der Kappo der Firma Boss hat sie zum Arbeiten gezwungen, obwohl sie schon sehr krank war und starke Kopfschmerzen hatte. Erst nach langem Bitten wurde ihr ein Arztbesuch bei Doktor Bornhäuser gestattet. Sie war so schwach, dass sie nach einer Spritze bewusstlos wurde“, erinnert sich ihre Schwester Anna Wocka.

Am 5.7.1943 nimmt sich Josefa Gisterek im Hause Speidel mit Gas das Leben. Sie hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen, nur ein Gedicht in ihrem Tagebuch. Zur Beerdigung im Juli 1943 reisen auch die Eltern aus Polen an, die am offenen Sarg in der Friedhofskapelle Abschied von ihrer Tochter nehmen. Der katholische Pfarrer Alois Schmitt beerdigt sie nicht, Suzid wird damals noch strenger bewertet. Die Beerdigungskosten übernimmt Hugo Boss, der Familie wird jedoch keine weitere finanzielle Hilfe gewährt.

Auch nach dem Tod ihrer Schwester muss Anna Wocka weiter bei Hugo Boss arbeiten. Erst 1944 wird sie zu den Röhrenwerken Rieber in Reutlingen versetzt. Am 8.12.1945 kehrt sie mit einem amerikanischen Transport in ihre Heimat zurück. Sie heiratet, wird Mutter von vier Kinder und arbeitet als Kindergärtnerin. Sie sagt: „Ich bin 77 Jahre alt und sehr krank, aber ich würde gerne noch einmal nach Metzingen zurückkommen und das Grab meiner Schwester sehen.“




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